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Rosenberger: „Ich hätte die Schweizer CD auch gekauft“

Von Von Dietmar Mascher und Heinz Niederleitner, 17. Februar 2010, 00:04 Uhr
Bild: OÖN Grafik/colourbox/Graphic News

Heute beginnt die Fastenzeit. Sie lädt zu Reue und Umkehr ein. Im OÖN-Interview spricht der Moraltheologe Michael Rosenberger über Wirtschaft, Ethik und Steuersünden.

OÖN: Von Reue und Umkehr ist in der globalen Finanzwelt angesichts der Krise wenig zu spüren. Die Investmentbanken machen Gewinne und geben Boni aus. Steuerzahler und Arbeitslose zahlen die Zeche für die Krise. Büßen da nicht die Falschen?

Rosenberger: Das sehe ich genau so. Ich meine, dass die Finanzkrise der letzten eineinhalb Jahre eine Riesenchance war – und noch ist, um die Finanzmärkte neu zu ordnen und zu anderen Verhaltensweisen zu kommen. Doch jetzt machen die Investment-Banker so weiter wie vor der Krise. Sie wollen sogar Veränderungen in der Gesetzgebung verhindern. Ich finde das sehr frustrierend, denn wir brauchen dringend Veränderungen.

OÖN: Müsste da nicht die Politik durchgreifen?

Rosenberger: Richtig. Es wird jetzt eine Frage sein, inwieweit sich die Politik durchsetzt – aber auf internationaler Ebene. Von US-Präsident Barack Obama hat man immerhin gehört, dass er einschneidende Maßnahmen ergreifen will. Ich hoffe, dass er den möglichen Rückhalt findet – und die notwendige Kooperation der europäischen Regierungen.

OÖN: Können gesetzliche Normen ein fehlendes Wertesystem ersetzen?

Rosenberger: Man darf strukturelle Veränderung durch Gesetze und die Förderung eines moralischen Bewusstseins bei Bankern nicht gegeneinander ausspielen. Das sind ergänzende Maßnahmen. In der Ethik sprechen wir von der „strukturellen Sünde“. Damit ist gemeint, dass es Entwicklungen gibt, wo die Sünde nicht im individuellen Verhalten des Einzelnen liegt, sondern eher in einer falschen Gestaltung von Strukturen. Das heißt, dass wir diese Strukturen verändern müssen, um überhaupt ein richtiges Verhalten zu ermöglichen. Momentan ist es manchmal so, dass der Banker, der sich moralisch verhält, seine Bank in eine benachteiligte Situation bringt. Und jener Banker belohnt wird, der skrupellose Finanztransaktionen macht.

OÖN: Meldungen über erneut hohe Bonuszahlungen in den Großbanken verärgern die Menschen. Bis zu welchem Grad ist es in Ordnung, Gehalt vom Erfolg abhängig zu machen?

Rosenberger: Grundsätzlich halte ich Boni für etwas Plausibles: Sie sind ein Anreiz, mehr als seine Pflicht zu tun. Entscheidend ist, dass diese Boni nicht die Oberhand gewinnen gegenüber dem Grundgehalt. Ganz wichtig ist die Frage des Zeithorizonts. Meine Option wäre, Bonuszahlungen mit der Entwicklung eines Unternehmens über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu verknüpfen.

OÖN: Wie viel Gewinn darf ein Unternehmen machen?

Rosenberger: Was moralisch vertretbar ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Gewinn darf durchaus oberhalb des Wirtschaftswachstums eines Landes liegen. Ob ein Gewinn moralisch vertretbar ist, hängt natürlich auch davon ab, wie er erzielt worden ist: Ist das ein reiner Spekulationsgewinn, oder geht es darum, dass in einem Unternehmen ein realer Wert geschaffen und damit ein Gewinn erzielt wird?

OÖN: Spekulation ist ein Teil des Wirtschaftslebens. Ist sie per se unmoralisch?

Rosenberger: Nein, denn zumindest ein Teil der angebotenen Finanzprodukte kann bewirken, dass Gelder dorthin gelangen, wo eine Wertschöpfung im Sinne einer Verbesserung unserer Gesellschaft möglich ist. Aber Spekulation braucht Regeln, zum Beispiel bei der Eigenkapitaldeckung: Wie viel Prozent des Geldes, mit dem eine Investmentbank spekuliert, muss als Eigenkapital vorhanden sein? Hier wird über Prozentsätze zwischen acht und zehn Prozent gesprochen. Eine andere Maßnahme wäre eine Steuer auf solche Finanztransaktionen. Pro Finanztransaktion soll ein kleiner Prozentsatz von rund 0,5 Prozent als Steuer eingehoben werden. Damit könnte man einen Fonds aufbauen, der im Falle von Finanzkrisen staatliche Hilfen ermöglicht. Außerdem würden solche Transaktionen ein bisschen gebremst – wie Sand, den man aufs glatte Eis streut. Das führt dazu, dass man sich das Vorgehen besser überlegt.

OÖN: Papst Benedikt schrieb in der Enzyklika „Caritas in veritate“, der Gewinn dürfe nicht Selbstzweck sein. Er solle zu einer Humanisierung des Marktes genutzt werden. Wie kann das geschehen?

Rosenberger: Es geht darum, dass die Gewinne, die ein Unternehmen macht, in einer sinnvollen Weise der Gesellschaft zugeführt werden. Das kann heißen, ein Unternehmen investiert in Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter verbessern, oder in ökologischere Produktion. Es kann auch heißen, in die Zukunft eines Unternehmens zu investieren, in solide Forschung und Entwicklung. Man kann nicht einfach alles abschöpfen, was an Gewinnen hereinkommt.

OÖN: In der muslimischen Welt gibt es das so genannte „Islamic Banking“ mit dem oft zitierten Zinsverbot. Wie müsste „Christian Banking“ aussehen?

Rosenberger: Das Zinsverbot aus dem Alten Testament hat auch die katholische Kirche erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Man hat sich schwer getan, sich davon zu lösen und es durch das Gebot, keine überhöhten Zinsen zu verlangen, ersetzt. Maßvolle Zinsen sind also verantwortbar. Damit hat man einen Rahmen für ein „ethisches Bankwesen“ – ein Begriff, den ich für zielführender halte als „christliches Bankwesen“.

OÖN: Der deutsche Staat hat für mehr als zwei Millionen Euro eine CD-ROM mit gestohlenen Daten erworben, um so gegen Steuerhinterzieher in der Schweiz vorzugehen. Welche Sünde ist hier die lässlichere?

Rosenberger: Zunächst einmal: Ist das tatsächlich Datenklau? Hier geht es nicht um Diebstahl. Die Bank hat ihre Daten immer noch. Korrekter geht es um die Verletzung einer Geheimhaltungspflicht.

OÖN: Mit Bereicherungsabsicht ...

Rosenberger: Das stimmt, aber Geheimhaltung ist an sich kein Selbstwert, sie dient dem Vertrauen zwischen Bank und Kunden ähnlich wie beim Beichtgeheimnis zwischen Priester und Gläubigen. Geheimhaltung darf aber nicht dazu missbraucht werden, etwas zu vertuschen. In der Beichte geht es darum, dass jemand sein Vergehen erkennt und wieder gutmacht. Der Priester wird dem Gläubigen die Absolution nur erteilen, wenn er bereut und die Folgen trägt. Im Fall der Schweizer Bankdaten wird die Geheimhaltung missbraucht, um Vergehen bewusst zu vertuschen. Die Schweizer Banken gewannen damit Kunden. Und das ist für mich extrem unmoralisch. Es ist richtig, wie die deutsche Regierung damit umgeht. Ich würde die Steuer-CD genauso kaufen.

OÖN: Im angelsächsischen Recht kann man sich durch Deals von weiterer Strafverfolgung loskaufen. Das hat sich erst eben im Fall der britischen Rüstungsgeschäfte gezeigt. Ist das eine moderne Form des Ablasshandels?

Rosenberger: Ich glaube schon, ja. Man kann als Regierung schon einmal überlegen, ob man das in einer bestimmten Situation anbietet. Aber dieser Ablasshandel hat grundsätzlich das Problem, dass er ein Spiel mit dem Feuer ist. Unterm Strich kommen jene, die sich loskaufen können, tendenziell besser weg als jene, die immer brav ihre Steuern zahlen. Da kann schnell das Grundvertrauen der Menschen in den Rechtsstaat verlorengehen.

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