Paradise Papers befeuern Debatte über Steueroasen

Von Jochen Wittmann   06.November 2017

Dass die allseits verehrte Monarchin es für nötig gefunden hatte, ihr Geld außer Landes zu schaffen, kam für viele Briten als ein Schock. Die Enthüllung wurde im Zuge der Veröffentlichung der "Paradise Papers" bekannt - einem Datenleck von insgesamt 13,4 Millionen Dokumenten, das die Steuersparstrategien der Superreichen dieser Welt aufdeckt.

Zum privaten Besitztum der Queen gehört das Herzogtum Lancaster, das ihr ein jährliches Einkommen von rund 20 Millionen Pfund verschafft. Es hatte 2004 fünf Millionen Pfund im Steuerparadies Bermuda und ein Jahr später nochmals 7,5 Millionen Dollar in der Steueroase Cayman Islands investiert, wo sich die Vermögensverwalter des Herzogtums in einen Investmentfonds namens "Dover Capital" einkauften. Niemand deutet an, dass die Anlagen illegal gewesen oder dass Steuern hinterzogen worden wären. Aber die Verbindung von Queen und Steueroasen hat zu geharnischten Protesten geführt. Die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge kritisierte die royalen Vermögensverwalter: "Man muss sauber als sauber sein und darf sich niemals dieser schmutzigen Welt von Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerflucht nähern."

Viele fragwürdige Investitionen

Die Queen selbst hat keinen Einfluss darauf, in welche Unternehmen das Herzogtum Lancaster investiert. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die diesbezügliche Entscheidungen treffen, sich der Brisanz bewusst sind, die gewisse Beteiligungen haben können. Zu den eher dubioseren Anlagen von Dover Capital gehörte der Ankauf von "Threshers", einer Kette von Wein- und Spirituosengeschäften, die 2009 mit Millionen an unbezahlten Steuerschulden pleite ging. Noch fragwürdiger war die Akquisition von "BrightHouse". BrightHouse ist eine Kaufhauskette mit rund 300 Geschäften in Großbritannien auf, die sich dubioser Praktiken bedient. Ihre Zielkundschaft sind Geringverdiener, die sich die Anschaffung von Haushaltswaren nicht leisten können. BrightHouse bietet ihnen Ratenzahlungen an - da kann man ein schwarzes Ledersofa für schlappe 14 Pfund die Woche bekommen, muss allerdings noch 155 weitere Wochen weiterzahlen. In besonders ungünstigen Deals können die Wucherzinsen bis zu 99 Prozent betragen. Die Aufsichtsbehörde "Financial Conduct Authority" bezeichnete in der letzten Woche BrightHouse als einen unverantwortlichen Kreditgeber und verdonnerte das Unternehmen dazu, rund 250 000 Kunden 14,8 Millionen Pfund zurückzuerstatten. Es ist schon eine peinliche Situation für die Queen als eine Investorin in ein Unternehmen dazustehen, das als "moralisch bankrott" bezeichnet wurde und das "die Armen ausbeutet".

Debatte über Steuerflucht

Die Enthüllungen der Paradise Papers und die Involvierung der Queen haben in Großbritannien wieder die Debatte um das Problem der Steuerflucht in ehemalige britischen Kolonien angeheizt. Viele Steueroasen - nicht nur die Kanalinseln wie Jersey oder Guernsey, sondern auch ein halbes Dutzend Karibikinseln - sind von Großbritannien abhängige Überseegebiete oder Kronkolonien, die sich für eine diskrete Kapitalflucht und Steuerhinterziehung anbieten. Reiche Anleger wissen die Vorteile eines Offshore-Finanzplatz zu schätzen - Investoren und Unternehmern bleiben anonym, staatliche Abgaben sind minimal. Für die Londoner Finanzwirtschaft sind diese Steueroasen ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor, arbeiten in der City doch Heerscharen von Anwälten, Finanzberatern, Steuerexperten und Trustverwaltern in der lukrativen Industrie der 'Steuervermeidung', wie der bevorzugte Ausdruck für die Kapitalanlage in Offshore-Zentren lautet.

Obwohl britische Premierminister von Gordon Brown über David Cameron bis zu Theresa May immer wieder gelobt haben, mit dem Problem der Steueroasen aufzuräumen, ist nicht viel geschehen. Britische Oppositionspolitiker gingen am Montag mit der Regierung hart ins Gericht. Die Paradise Papers, sagte der Labour-Abgeordnete David Lammy, würde belegen, dass die Steuervermeidung in industriellem Maßstab weitergehe "und es sind die Ärmsten, die den Preis zahlen müssen." Vince Cable, der Chef der Liberaldemokraten, bezeichnete die britischen Steueroasen als eine "bizarre Anomalie" deren Reform überfällig sei. Und John McDonnell, der Finanzminister im Schattenkabinett, sagte: "Wir sehen von der Regierung viel Getöse über Steuervermeidung aber keine wirkliche Aktion. Jedes Pfund, dass die Superreichen hinterziehen, ist ein Pfund, das verzweifelt von unserem Gesundheitsdienst und unseren Schulen gebraucht wird."

US-Minister Ross hat pikante Russland-Connection

Durch die Enthüllungen aus den "Paradise Papers" ist eine weitere prominente Figur aus dem Umfeld von US-Präsident Donald Trump in den Sog der Russland-Affäre geraten. Das gigantische Datenleck hat ans Licht gebracht, dass Handelsminister Wilbur Ross über eine Reederei von Geschäften mit dem russischen Energiesektor profitiert.

Dies stellt nicht nur einen potenziellen Interessenkonflikt dar. Es dürfte auch den Sonderermittler Robert Mueller interessieren, der die Verbindungen des Trump-Teams nach Russland untersucht.

Aus den der "Süddeutschen Zeitung" zugespielten Unterlagen geht hervor, dass Ross' Investmentfonds über Briefkastenfirmen auf den Kaimaninseln einen Anteil von 31 Prozent an der Reederei Navigator halten, zu deren Großkunden der russische Energiegigant Sibur gehört. Der Konzern wird von Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie dessen Schwiegersohn Kirill Schamalow kontrolliert.

Diese Verbindungen sind nicht nur deshalb problematisch, weil Ross als Minister für die Regulierung des Warentransports auf den Ozeanen zuständig ist. Brisant ist auch, dass der 79-Jährige über Navigator in Geschäftsverbindung zu russischen Oligarchen steht, die mit US-Sanktionen belegt sind - so etwa mit Gennadi Timschenko, einem der Sibur-Hauptanteilseigner.