Paradise Papers: Wurde Bawag-Geld auf Karibik-Konten umgeleitet?

Von (hn)   07.November 2017

Plötzlich erscheint der Bawag-Skandal in den 1990er Jahren in einem ganz neuen Licht. Die nun aufgetauchten Paradise Papers enthalten zumindest Ansatzpunkte, wonach das Geld der Bawag vom Investmentbanker Wolfgang Flöttl nicht verspekuliert, sondern auf Briefkastenfirmen in der Karibik umgeleitet wurde.

Beim Bawag-Prozess hatte Flöttl behauptet, die Milliarden der damaligen Gewerkschaftsbank verspekuliert zu haben. Auch er selbst sei 1998 deswegen in die Pleite gerutscht. Sein Mitangeklagter, Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner, behauptete, Flöttl habe das Geld "gestohlen". Elsner wurde wegen Untreue zu zehn Jahren Haft verurteilt, Flöttl wurde freigesprochen.

Den "Totalverlust" hielten Gutachter, Prüfer der Nationalbank und Beobachter des Bawag-Prozesses für unwahrscheinlich. Wo das Geld geblieben ist, wurde vom Gericht nicht geklärt und ist bis heute offen.

Jetzt sind in den Paradise Papers aber Gesellschaften auf der Karibik-Insel Aruba aufgetaucht, die 1990 gegründet worden waren und deren Direktor Wolfgang Flöttl war. Diese Firmen wurden erst 1999 und 2000 aufgelöst. Damit erfolgte die Auflösung der Gesellschaften erst nach dem angeblichen Totalverlust der Bawag-Milliarden, berichten der ORF und die Wiener Stadtzeitung "Falter", die Teil des internationalen Recherche-Netzwerks ICIJ sind, das die Paradise Papers ausgewertet hat.

Für den Elsner-Anwalt Andreas Stranzinger ist der Zeitraum "hoch brisant". Flöttl spekulierte zwei Mal im Auftrag der Bawag. Das erste Mal von 1988 bis 1994 unter seinem Vater Walter Flöttl, dem damaligen Bawag-Generaldirektor. Die Geschäfte warfen Gewinne ab. 1995 begannen die Karibik-Geschäfte neuerlich und liefen bis 1999, diesmal unter Bawag-Generaldirektor Elsner. Die endeten bekanntlich im Fiasko.

Elsner-Anwalt Stranzinger erinnert daran, dass "mein Klient immer noch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Bawag-Verfahrens anhängig hat. Wenn ich diese Unterlagen jetzt sehe, kommen mir einige Ideen, um diesen Antrag weiter zu füttern." Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder sieht dafür keinen Grund. "Nur ein Gulasch wird besser, wenn man es immer wieder aufwärmt", sagt er im Gespräch mit den OÖNachrichten. Diese Gesellschaften seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Damals sei sogar ein US-Staatsanwalt beigezogen worden, auch der habe hier keinen Zusammenhang feststellen können, sagte Eichenseder.

Justiz will jetzt prüfen

Der Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, sagte gestern im Ö1-Mittagsjournal: "Wir werden uns diese Informationen natürlich ansehen, und die Staatsanwaltschaft Wien wird dann ihre Schlüsse daraus ziehen." Die Firmendaten seien bekannt, die Geschäfte der Aruba-Firmen allerdings nicht. Die österreichische Justiz könne versuchen, das im Rechtshilfeweg aufzuklären, sagte Pilnacek. 

 

Prominente in Erklärungsnot

Wilbur Ross: Der US-Handelsminister profitiert als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und kreml-nahen Geschäftsleuten gehört. Die Enthüllung könnte die Regierung von US-Präsident Donald Trump weiter in Bedrängnis bringen.

Stephen Bronfman: Der enge Vertraute des kanadischen Premiers Justin Trudeau soll in fragwürdige Offshore-Geschäfte verwickelt sein. Kanadische Behörden prüfen, ob dem Staat dadurch Millionen Dollar an Steuern entgangen sind. Weder Trudeau noch sein Berater wollten sich dazu äußern.

Nike: Wie schon bei früheren Datenlecks tauchen auch bei den Paradise Papers die Steuersparmodelle multinationaler Konzerne auf. Der US-Sportartikelhersteller Nike konnte mit Hilfe der Anwaltskanzlei Appleby mit Sitz auf den Bermudas seine Steuerquote auf 13,2 Prozent drücken.

Glencore: Der in der Schweiz ansässige Rohstoffkonzern Glencore hat nach Auswertung der Paradise Papers durch den Schweizer „Tages-Anzeiger“ Schürfrechte im Kongo über einen der Korruption verdächtigen israelischen Mittler zum Schleuderpreis erworben. Glencore hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

 

Video: Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) nimmt im Studio zu den Paradise-Papers, der Sozialpartnerschaft und der Pflichtmitgliedschaft in Kammern Stellung.