Göring-Werk Linz war Skandalbaustelle

Von Von Josef Lehner   26.August 2009

Der Anschlusszeitpunkt sei für Österreich wirtschaftlich betrachtet ungünstig gewesen, berichtet Historiker Harry Slapnicka („Oberösterreich, als es Oberdonau hieß“, 1978). Der Rohstoff- und Devisenmangel im Reich habe alle Probleme überdeckt. Auch deshalb hat Adolf Hitler auf raschen Anschluss gedrängt: Er braucht die Devisenreserven und Rohstoffe der „Ostmark“. Die großen Betriebe werden deutschen Konzernen angeschlossen.

„Alle plan- und zwangswirtschaftlichen Maßnahmen werden sofort auf die österreichischen Gebiete angewandt, sodass die Ostmark-Wirtschaft vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine normale Phase wirtschaftlichen Aufbaues nicht mehr erlebt“, schreibt Slapnicka. Im „Altreich“ läuft es nicht besser, denn Hitler hat schon 1936 verkündet, die Wirtschaft habe in vier Jahren kriegsbereit zu sein. Wohin das „Tausendjährige Reich“ steuert, ist längst an den Staatsausgaben ersichtlich: Gehen 1933 elf Prozent in die Rüstung, so sind es 1938 60 Prozent.

Facharbeiter ins „Reich“

In der Ostmark fehlen schon 1939 Arbeitskräfte. 100.000 Facharbeiter werden, teils unter Protest, den Betrieben entzogen und in die deutsche Industrie beordert, weil diese wiederum Männer in die aufrüstende Wehrmacht abgeben muss. 15.000 Facharbeiter verlassen allein Oberösterreich.

Schon Ende 1939 wird es in Oberdonau Arbeitskräftemangel geben: 2300 offenen Stellen stehen nur noch 900 Arbeitssuchende gegenüber. Ein halbes Jahr später sollen der Wirtschaft bereits 14.000 Köpfe fehlen, weil ein weiterer Jahrgang für den Frankreich-Feldzug eingezogen wird.

Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit sei ein „Faktum“ gewesen, schreibt Historiker Kurt Tweraser, „aber doch überwiegend nur ein Nebeneffekt der wirtschaftspolitischen Kriegsvorbereitungen und kein eigenständiges Ziel.“ („Nationalsozialismus in Linz“, 2002)

Zentrales Projekt: Stahlhütte

Im August 1939 läuft in Linz der Bau der Stahlhütte auf Hochtouren. Es hat auch Pläne für die Welser Heide, St. Valentin und den Raum Asten-Enns gegeben. Gauleiter August Eigruber setzt sich mit seinem stadtnahen Wunsch in St. Peter-Zizlau durch, auch wenn dort 4000 Menschen abgesiedelt werden müssen.

Zeitweise arbeiten bis zu 8000 Mann auf der Baustelle. Die Bauleitung hat 1939 die englisch-amerikanische Firma Brassert. Mit Kriegsbeginn wird sie überraschend abgezogen. Das bringt Schwierigkeiten. Im heutigen Sinne wäre es längst ein Bauskandal gewesen. Tweraser: „Mangelhafte Planung, metallurgische Probleme, exorbitanter Kostenanstieg, Mangel an Arbeitskräften und Material… machten es unwahrscheinlich, dass der Termin zur Inbetriebnahme eingehalten werden konnte.“

Die Roheisenproduktion soll 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr betragen, ein beachtliches Zehntel der damaligen reichsdeutschen Fertigung und ein Drittel der heutigen Voest. Linz verdankt den Nazis trotz der Kriegsschäden eine Infrastruktur und Kompetenz, die eine Weichenstellung für die Nachkriegszeit bedeuten. Von den Industrieanlagen seien 1945 nur acht bis zehn Prozent zerstört gewesen, so Tweraser.

August Eigruber hat mit seinem Beharren die heutige Struktur geprägt, mit allen Vor- und Nachteilen, von Wertschöpfung und Einkommen bis zu Verkehrs- und Umweltproblemen.

Auf den Krieg ist die NS-Bürokratie gut vorbereitet. Gleich am 1. September tritt die Kriegswirtschaftsverordnung in Kraft: Kriegszuschläge auf Steuern und Genussmittel, Preis- und Lohnstopp. Der baldige Siegesjubel in Polen bessert aber rasch die Stimmung.