"Auch in den nächsten Jahren kein Wachstum"

Von Christoph Kotanko   14.Juni 2016

Wolfgang Hesoun, Generaldirektor der Siemens AG Österreich, sieht die Lage der heimischen Industrie nicht so schlecht. Bei den Rahmenbedingungen für die Wirtschaft habe die Regierung aber durchaus noch Verbesserungspotenzial, sagte er im Gespräch mit den führenden Bundesländerzeitungen.

 

OÖNachrichten: Waren Sie überrascht, dass Christian Kern erst von New Deal und Start-ups gesprochen hat und eine Woche später von Maschinensteuer und Arbeitszeitverkürzung?

Hesoun: Ich glaube, beide Themen haben ihre Berechtigung. Die Produktionsbedingungen verändern sich, dem können wir uns nicht entziehen. Da muss man natürlich darüber nachdenken, wie sich langfristig das Sozialsystem finanzieren lässt. Die Lohnsumme zu besteuern, wird dafür nicht ausreichen. Aber nur über das Schlagwort Maschinensteuer zu reden, wäre verkürzt. Wir brauchen ein ausgewogenes Gesamtsystem, das den Industriestandort nicht zusätzlich belastet.

Einige Ihrer Kollegen aus der Industrie waren vor allem über den Punkt Arbeitszeitverkürzung erschrocken.

Auch das lässt sich nicht generalisieren. Man kann nicht einfach sagen, so viele Stunden Arbeit habe ich und die verteile ich auf beliebig viele Menschen. Das weiß auch die Gewerkschaft. Hier wird versucht, das Problem Arbeitslosigkeit mathematisch zu lösen. Das greift zu kurz. Die Regierung kann keine Arbeitsplätze schaffen. Sie kann Rahmenbedingungen festlegen, die Jobs schafft die Wirtschaft.

Und wie sehen die Rahmenbedingungen aus? So dramatisch, wie sie Voest-Chef Wolfgang Eder schildert oder gar nicht so schlecht, wie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner findet?

Ich bin da eher bei Mitterlehner. Wir haben uns auf einem ansehnlichen Niveau durch eine der schwersten Krisen seit Kriegsende bewegt.

Den Unternehmen geht es also gar nicht so schlecht, wie sie immer behaupten?

Man muss sich ja nur die Zahlen anschauen. Aktuell werden Sie ganz wenige finden, die zu Recht über Einbrüche klagen. Das findet so nicht statt. Die Nachfrage ist in vielen Bereichen wirklich gut. Aber natürlich kann man mit den richtigen Rahmenbedingungen aus gut auch besser machen. Dazu gehört natürlich das Thema Bürokratie. Wir sind in vielen Bereichen überadministriert. Es würde uns das Leben wesentlich erleichtern, wenn wir unkompliziert Spitzenkräfte auch aus dem Ausland rekrutieren könnten. Vieles, was von der öffentlichen Hand auf uns einprasselt, ist ineffizient, teuer und lästig. Ich warne davor, untätig zu bleiben.

Was geben Sie der Regierung noch mit?

Die Sorge, die Eder und andere Wirtschaftsvertreter zu Recht äußern ist, dass die öffentliche Hand ein Ausgabenniveau erreicht hat, das der Regierung jeden Spielraum raubt, im Ernstfall Maßnahmen zu setzen. Zum Beispiel ein kurzfristiges Investitionsprogramm zu finanzieren. Wie Finanzminister Hans Jörg Schelling sagt, wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Auch die Bevölkerung spürt, dass es derzeit zwar nicht so schlecht läuft, aber jede Beweglichkeit fehlt. Das ist für das Land ein Problem. Wir werden in den nächsten Jahren auch kein nennenswertes Wachstum haben.

Wie sehen Sie die Zukunft Europas? Manche sagen, Europa wird eine Art Welfare-Museum und die Zukunft liegt in Südamerika und Asien.

Das halte ich für unwahrscheinlich. Europa stand immer für technologischen Vorsprung. Im Maschinenbau, in der Autoindustrie waren wir immer vorne mit dabei. Ich sehe Europa wirklich mit Zukunft ausgestattet. Aber wir müssen unsere Chancen auch wahrnehmen. Wir müssen die Wirtschaftspolitik in der EU viel enger abstimmen. Da müssen wir unsere Kraft besser bündeln und dürfen uns nicht im Inneren zerfleddern.

Wie würde sich der Brexit aus Sicht der Industrie auswirken?

Wo es mit Sicherheit Verschlechterungen geben wird, ist in England selbst. Gerade für die Briten mit ihrem Finanzmarkt war die EU als Hinterland sehr wichtig. Aber natürlich würde jede Form von zusätzlicher Unruhe die vorhandenen Probleme verstärken. Ich wünsche es mir nicht.

Teile der Regierung und zuletzt auch der Bundespräsident äußerten große Bedenken bezüglich TTIP. Besorgt Sie das?

Der aktuelle Verhandlungsstand ist, glaube ich, allen noch zu wenig bekannt, um darüber zu urteilen. Grundsätzlich bin ich für Freihandel, weil er Barrieren abbaut. Aber er muss unter fairen Rahmenbedingungen stattfinden. Unternehmen, die international tätig sind, profitieren davon.

Warum ist ausgerechnet in Österreich die Ablehnung so groß?

Ich glaube, der Österreicher hat in der Vergangenheit ein sehr hohes Augenmerk auf seine Feinkostkultur gelegt. Wir haben auch gegen Kernenergie gestimmt und sind gegen gentechnisch verändertes Saatgut. Das ist ein Grundzugang. Österreich sieht sich als Höhenkurort, wo alles natürlich und schön ist. Das ist im Grunde gut, der Tourismus lebt davon. Wenn dann jemand mit Schlagwörtern wie Chlorhuhn kommt, stößt das eben auf großen Widerstand.

 

Hesoun im Interview

Wolfgang Hesoun, Generaldirektor der Siemens AG Österreich, sprach mit Journalisten der führenden Bundesländerzeitungen (Kleine Zeitung, OÖNachrichten, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten) und der Presse. Für die Oberösterreichischen Nachrichten nahm Christoph Kotanko an dem Gespräch teil.