Apple-Chef Tim Cook: Gewinne in Milliardenhöhe, aber Visionen fehlen
CUPERTINO. Eine Bilanz über fünf Jahre Apple unter der Führung von Steve Jobs’ Nachfolger.
In die Fußstapfen eines genialen Egomanen zu treten, ist für niemanden leicht. Tim Cook stellte sich am 24. August 2011 auf Wunsch des todkranken Unternehmensgründers Steve Jobs dieser Aufgabe und führt seit diesem Tag den kalifornischen IT-Konzern Apple – solide, absatzorientiert und wenig visionär.
Eine Bilanz nach fünf Jahren fällt zwiespältig aus. Cook hat bisher das Maximum aus dem Erbe des Gründers herausgeholt: Apple ist das teuerste Unternehmen der Welt vor Google Alphabet und Exxon Mobile und sitzt auf einem Cash-Geldberg von rund 230 Milliarden US-Dollar (203 Milliarden Euro). Diese Reserven waren zur Zeit der Übernahme der Konzernspitze noch nicht vorhanden. Anders als Jobs schüttet Cook Gewinne auch an die Aktionäre aus.
Das vergangene Weihnachtsgeschäft spielte mit 18,4 Milliarden Dollar den höchsten Quartalsgewinn der Geschichte ein. Der Aktienkurs und der Marktwert verdoppelten sich in den fünf Jahren, der Umsatz vervierfachte sich. Cook erschloss viele wichtige Märkte, insbesondere in Asien. Diese Zahlen bestätigen also eine herausragende Manager-Leistung. Unter Cook hat sich Apple als zuverlässige, globale und gut geführte Luxusmarke etabliert.
Worauf die Welt allerdings wartet, sind neue Produkte in der Dimension eines iPhones. Viele vermissen das Genie an der Konzernspitze, das keine Denkgrenzen anerkennt. Welches revolutionäre Produkt kann einen ähnlichen Siegeszug wie das Smartphone antreten und hat die Kraft, ganze Industrien und Lebensweisen zu verändern? Ob Cook in den nächsten fünf Jahren darauf eine Antwort hat, bezweifeln viele. Die smarte Armband-Uhr (Apple-Watch), die er als einzige neue Produktkategorie seiner Amtszeit 2014 einführte, ist jedenfalls alles andere als der große Renner. Von ihr dürften jährlich nur rund sechs Millionen Stück verkauft werden.
Dienste statt Super-Produkte
Der 55-jährige Apple-Boss kommt auch an der iPhone-Front zunehmend unter Druck, denn der Absatz des Flaggschiffs, das bis zu zwei Drittel zum Konzernumsatz (zuletzt 233 Milliarden Dollar) beiträgt, ist rückläufig. Im dritten Quartal wurden 15 Prozent weniger iPhones verkauft als im Vorjahr. Das könnte sich mit dem iPhone7 – vermutlich ab September – wieder ändern. Apple ist auf dem weltweiten Smartphone-Markt die Nummer zwei mit 16,2 Prozent Marktanteil hinter Samsung mit 22,7 Prozent.
Cook hat zwar auch die Forschungsausgaben massiv hochgefahren, doch es gilt als sehr unsicher, ob er es schafft, bald einen echten "Knaller" wie etwa ein Apple-Auto aus dem Hut zu zaubern. Der Konzernchef scheint statt auf neue Super-Produkte auf Dienste wie Apple Music und Apple Pay zu setzen. Er kaufte den Kopfhöreranbieter Beats um drei Milliarden Dollar (der größte Zukauf des Konzerns), um schneller ins Musik-Streaming einzusteigen.
Äh - was war die Leistung des genialen Egomanen?