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Als Machtspiele den AMF-Konzern zerstörten

Von Josef Lehner, 28. Juli 2016, 00:04 Uhr
Als Machtspiele den AMF-Konzern zerstörten
Bauer und Unternehmer Aichinger heute vor seinem Hof in Marchtrenk Bild: APA

Heute wünschen sich die Agrarpolitiker für Österreich einen mächtigen Milchkonzern. Es hat ihn bereits vor 20 Jahren gegeben, doch er ist mutwillig von seinen Eigentümern zerstört worden. Wie es dazu gekommen ist, lesen Sie hier.

Die AMF ist aus Machtinteressen und Politinteressen gescheitert", sagt der letzte Generaldirektor der Austria Milch- und Fleischvermarktung, Gerald Aichinger, im Rückblick. Der Bauer und Unternehmer aus Marchtrenk, heute 72, hatte zuerst die "ungeliebte" Fleischsparte der AMF geleitet (Schlachthof Linz, Landhof, Schlachthöfe in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten). "Außer dem Landhof waren alle defizitär", sagt Aichinger: "Wir hatten viel zu viele Mitarbeiter und überalterte Betriebe."

1993 trat er als Generaldirektor in die Fußstapfen des betagten AMF-Gründers Hermann Zittmayr. Da sei die Euphorie der Molkereifunktionäre, mit der AMF gemeinsam auf dem Markt mehr zu erreichen, schon im Verfliegen gewesen: "Die Herausforderung war, die Stärken der rund 160 Primärgenossenschaften, die eigentlich unsere Eigentümer waren, aber operativ unabhängig agierten, zu bündeln", sagt Aichinger.

Front gegen Oberösterreich

Das sei nur in zwei Ansätzen gelungen. Die niederösterreichische Molkereigruppe sollte die weiße Palette produzieren, Schärdinger die gelbe (Anm.: weiß = Milch, Butter, Obers...; gelb = Käse). Die Niederösterreicher seien jedoch von Anbeginn gegen die AMF gewesen, weil sie als oberösterreichisch dominiert gegolten habe.

Daher habe wieder jeder alles selbst produziert. Der Todesstoß war, als eine Molkerei nach der anderen wieder einen eigenständigen Vertrieb startete.

Aichinger: "Der Lebensmittelhandel war nicht interessiert an einer starken AMF und hat den Molkereidirektoren gesagt: Bleibt selbstständig, dann kaufen wir bevorzugt bei euch ein!" Statt die Kräfte zu bündeln, sei sinnlos investiert worden. "Da ist unheimlich viel Geld verbraten worden", sagt der Ex-Manager.

Als Machtspiele den AMF-Konzern zerstörten
Aichinger, Partner Mayer 1995 Bild: APA

Aichinger, Partner Mayer 1995

Weil die AMF in der Folge sinkende Vertriebserlöse hatte und hohe Restrukturierungskosten für die zu schließenden faulen Betriebe, lief 1995 ein Rekordverlust von mehr als einer Milliarde Schilling auf. Die Funktionäre entschieden, mit den Molkereien allein weiterzumachen. Die bereits geformte niederösterreichische Gruppe (heute NÖM AG) machte sich selbstständig, ebenso die oberösterreichisch-steirische als Berglandmilch (Schärdinger). "Alle haben wieder die gleichen Produkte gemacht und haben sich am Markt bekriegt. Die hatten nicht einmal ordentliche Marken. Hätten wir unser Ziel erreicht, wäre die AMF heute ein starker europäischer Konzern mit mehr als drei Milliarden Liter Milchverarbeitung. Sicher kein ganz großer, aber ein wettbewerbsfähiger." Vergleich: Der deutsche Marktführer Milchkontor hat heute 6,5 Milliarden.

So erhielt die AMF-Führung von den Funktionären 1996 den Auftrag, die Fleischbetriebe und Handelsfirmen zu verkaufen. "Das war die härteste Zeit meines Lebens", erinnert sich Aichinger an das Aus vor 20 Jahren. Hunderte Mitarbeiter mussten gekündigt, Sozialpläne erstellt, Anlagen geschlossen, Betriebe abgestoßen werden. Rund acht Milliarden Schilling Schulden lasteten auf der AMF.

Das Sterben begann 1996

Die überlebensfähigen Betriebe (Landhof, Maresi...) holte Generaldirektor Ludwig Scharinger für die Raiffeisen Landesbank OÖ (sie kamen in die Vivatis AG). Den unverkäuflichen Rest – Exportfirmen, Spezialprodukte, Milchtrockenwerke – kauften schließlich Aichinger und sein Finanz-Vorstand Walter Mayer. "Wir haben nichts bezahlt, sondern nur unsere Pensionsverträge abgegeben dafür. Es war riskant, aber ich gestehe ein: Es hat sich gelohnt." Das Duo liquidierte 1998 die AMF und gründete seine private Artax-Holding. Sie ist bis heute im Agrar- und Lebensmittelgeschäft erfolgreich.

Als Machtspiele den AMF-Konzern zerstörten
Scharinger griff zu. Bild: APA

Scharinger griff zu. 

In Österreichs Milchwirtschaft ging der Strukturwandel trotzdem weiter. Die regionalen Molkereidirektoren und Genossenschaftsobmänner hatten vorerst erfolgreich "um ihr Leiberl gekämpft". Als das Geld aus war, mussten sie sich unterordnen. In Oberösterreich schlossen 1996 die ersten Molkereien: Peuerbach, Münzkirchen, Baumgartenberg, Bad Leonfelden, Ried i. I. Andere überlebten noch ein paar Jahre. Berglandmilch und Gmundner Milch schluckten sie.

 


AMF: 1990 als Bollwerk für EU-Wettbewerb gegründet

Die Molkerei-Landesverbände haben sich 1990 zur AMF (Austria Milch- und Fleischvermarktung) zusammengeschlossen: Schärdinger Verband (OÖ, ca. 47 % der Anteile), Agrosserta Steiermark-Kärnten (25 %) NÖ Verband (14), Alpi Salzburg-Tirol (13). Die AMF sollte die Produkte der rund 160 operativen Genossenschaften, die die AMF-Eigentümer waren, vertreiben und die Kräfte des bäuerlichen Milch- und Fleischsektors bündeln.

Gründungsvater war der legendäre Schärdinger-Generaldirektor und VP-Nationalratsabgeordnete Hermann Zittmayr.

30 Milliarden Schilling (2,2 Mrd. Euro) erlöste die AMF 1994 mit mehr als 4000 Mitarbeitern. Ab 1995 zerfiel das Konstrukt.
 

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12  Kommentare
12  Kommentare
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utarefson (178 Kommentare)
am 28.07.2016 12:12

Als ob jemals Raiffeisen für die Bauern gewesen wäre. Diese Nostalgie ist völlig daneben. Jede Firma, jede Genossenschaft, jeder Verein wird zwangsläufig zum Selbstzweck.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 28.07.2016 11:23

im Artikel :

Aichinger: "Der Lebensmittelhandel war nicht interessiert an einer starken AMF und hat den Molkereidirektoren gesagt: Bleibt selbstständig, dann kaufen wir bevorzugt bei euch ein!" Statt die Kräfte zu bündeln, sei sinnlos investiert worden. "Da ist unheimlich viel Geld verbraten worden", sagt der Ex-Manager.

hört sich so an wie die EU Strukturen wo der egoistischen Nationalismus die EU ruiniert statt sie zu stärken !

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jago (57.723 Kommentare)
am 28.07.2016 16:56

Zentralistenbüffel und Zentralistenwidder - wer gewinnt?

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Freifalk (37 Kommentare)
am 28.07.2016 10:55

... und „Das Sterben begann 1996“. Stand da 1997 nicht eine Wahl in OÖ an und war da 1995 nicht die Konsumpleite? Die Dimension einer AMF-Pleite wäre zu groben Sand im Wahlgetriebe der ÖVP geworden. Also hielt Ludwig die Finanzstange dagegen - das Problem war für die Politik gelöst. Vivatis sind also Gelder der RLB OÖ, die man sich ins Trockene holte. Und die Artaxbetriebe - die Verträge waren gut vereinbart - „vom Tellerwäscher zum Millionär"? Bergland musste sich die Marke "Schärdinger" von Vivatis herauskaufen.
Und vor 1996: Die Idee, die Milchwirtschaft für die EU fit zu machen, war eine richtige Orientierung. Der Kantönligeist (Molkereien, damalige Landesverbände, Funktionäre und auch einige im AMF-Vorständ) und ganz massiv die Giebelkreuzgeldsektoren (OÖ u. NÖ) stellte sich massiv gegen Veränderungen. Es wäre billiger gekommen, die Herren hätten bei vollen Bezügen sich in die Sonne gelegt - das Konzept "Maier, Eichinger und vieler Angestellte" wäre wohl aufgegangen.

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Superheld (13.119 Kommentare)
am 28.07.2016 09:16

"Als Machtspiele den AMF-Konzern zerstörten"

War der Konzern nicht selbst ein einziges Machtspielchen?

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sonnigbisheiter (106 Kommentare)
am 28.07.2016 08:13

Mitarbeiter einer Firma aus dem Artax-Reich wurden rechtskräftig verurteilt wegen "Verstoßes gegen das Lebensmittelsicherheitsgesetz (fahrlässige Inverkehrbringung von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln)" (lt. OÖN vom 18.9.2014) - Stichwort Listerienskandal, sieben Menschen starben, ein Linzer Arzt sitzt im Rollstuhl. Soviel dazu wie "erfolgreich" die Holding Artax und ihre diversen Firmen agierte.

Mit den Aktivitäten eines pensionierten Linzer Bankdirektors werden sich jetzt (endlich) - im Zuge der geplanten Gerichtsverhandlung bezüglich BUWOG und Terminal Tower - die Gerichte und Staatsanwälte eingehender beschäftigen. Wahrscheinliche Verteidigungsstrategie: In Russland im Zuge eines Kellertreppensturzes auf den Kopf gefallen (es gilt die Nüchternheitsvermutung - Russland ist ja bekannt für seine betont nüchternen Jagdgesellschaften) und daher nicht prozessfähig.

So schaut es aus in diesem Bereich - super sauber alle Involvierten. Oder Leichen und Betrug pflasterten ihren Weg...?

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franzmichael (1.654 Kommentare)
am 28.07.2016 13:02

sonnigbisheiter68

jakob auer habens vergessen ,
der glorreiche bauernvertreter,.......................

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gegenstrom (16.154 Kommentare)
am 28.07.2016 05:36

wieder ein Beweis für die Narretei der 9 Landesregierungen und 9 x Unterschiede innerhalb Österreichs. Auch hier haben die 9 Landeskaiser gegen eine Gemeinsamkeit innerhalb Österreichs gearbeitet, was uns Steuerzahler nur schadet.
Schafft endlich die 9 Landeskaiser mitsamt den 9 Landesverwaltungen und 9 x Landwirtschaftkammern- und alles was wir 9 x umsonst durchfüttern, ab!

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il-capone (10.363 Kommentare)
am 28.07.2016 07:23

Schaffen wir die unnötigen Kleinhäusler-Vereine, sprich Gemeinden unter 10 000 Bewohner auch gleich ab...

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jago (57.723 Kommentare)
am 28.07.2016 02:14

"Mutwillig von seinen Eigentümern zerstört worden" halte ich für eine missglückte Umschreibung für "Bau'nschädln sind eben undiszipliniert und keine Teamspieler".

Was ich für vorteilhaft halte, weil ich mit großer Freude einen, jeden Zentralismus mit Bomben und Granaten scheitern sehe.

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Biobauer (6.035 Kommentare)
am 28.07.2016 09:02

Mein lieber Jago, das haben nicht nur die Bauern zusammengebracht, das Kirchturmdenken hat auch den Konsum ruiniert.

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jago (57.723 Kommentare)
am 28.07.2016 16:59

Das war jetzt gut gemeint aber ein Schuss in den Ofen grinsen

Aber ich habs verdient. Meine Relativierung (so gemeint "auch die Bau'nschädln") sollte das Zentralisieren angreifen, nicht euch Bauern.

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