Das Gedränge um den Frisörberuf ist Geschichte
WELS. 2010 besuchten noch 166 angehende Frisöre die 1. Klasse der Berufsschule, jetzt sind es nur noch 115 Jugendliche.
Veränderung ist die einzige Konstante im Leben: Aber diese Entwicklung bereitet Sigrid Lechner, Direktorin der Berufsschule 2 in Wels, Sorgen: Die Zahl der Lehrlinge im angeblichen Modeberuf Frisör sinkt seit Jahren kontinuierlich. Vor fünf Jahren drängten noch 166 junge Menschen in den ersten Jahrgang für angehende Frisöre. Im laufenden Schuljahr sind es nur noch 115. Längst ist dieses Gewerbe auch zu einer reinen Frauendomäne geworden: "Vor 25 Jahren hielten sich Burschen und Mädchen noch die Waage", weiß Lechner.
Was ist der Grund für diese Entwicklung? "Die Lehrbetriebe finden nicht mehr jene Leute, die sie wollen: Den jungen Leuten mangelt es an Deutschkenntnissen, ihnen fehlt die Gabe zur Kommunikation und einige sagen, um dieses Geld stelle ich mich nicht in einen Salon", sagt die Direktorin.
32 Pädagogen und fünf Berufe
Sie bricht jedenfalls eine Lanze für den Frisörberuf und glaubt, dass diese Entwicklung auch eine Folge der Marketingmaßnahmen "Frauen in technische Berufe" ist.
Freilich bildet Lechner mit ihren 32 Pädagogen an der Schule in der Linzer Straße 68 auch Techniker aus: Glasbautechniker, Vermessungstechniker, bautechnische Zeichner und angehende Müller, die jetzt allerdings unter der sperrigen Berufsbezeichnung "Verfahrenstechniker für die Getreidewirtschaft" firmieren. Für diese Berufsausbildung kommen Lehrlinge aus ganz Österreich nach Wels.
Insgesamt werden im Lauf eines Schuljahres etwa 600 Lehrlinge unterrichtet. Die besondere Herausforderung für die Pädagogen ist der kontinuierliche Wechsel: "Ich habe alle acht, zehn oder zwölf Wochen neue Schüler, einen neuen Stundenplan, und muss jedes Jahr bis zu 15 Konferenzen durchführen", sagt Lechner.
Das Zusammentreffen der kreativ-künstlerisch veranlagten Frisöre mit Technikern und den durchwegs sehr geerdeten Müller-Lehrlingen funktioniere perfekt.
Wer glaubt, dass nur Junge die Schulbank drücken, irrt. "Unser ältester Schüler war ein 46-jähriger Tiroler: Nach einem Arbeitsunfall konnte der Mann den Zimmerer-Beruf nicht mehr ausüben und sattelte auf Vermessungstechniker um", erinnert sich die Schulleitern. Immer wieder sind in Wels auch Berufsschüler mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Studium anzutreffen – die aufgrund einer brotlosen Profession einen Lehrberuf lernen wollen.
Keine Kuschelpädagogik
Die oberste Prämisse von Direktorin Sigrid Lechner lautet: "Wir an der Schule sind ein Team, aber wir sind keine Kuschelpädagogen." Sie fordert ihre Schützlinge und bedauert allerdings: "Alle wollen ausgezeichnete Facharbeiter, aber leider ist die Qualität der Lehrlinge nicht mehr so wie früher." Das sei natürlich Folge des Strebens nach einem Schulabschluss mit Matura, dem auch als Lehrling nichts im Wege steht – Lehre mit Matura.
Die 58-jährige Pädagogin hat freilich Ideen, wie sie dieser Entwicklung entgegenwirken kann: "Wir haben hierzulande viele dreijährige Fachschulen: Diese Schüler sollten ins Berufsschulsystem integriert werden", sagt Lechner. "Dadurch würde in den berufsbildenden höheren Schulen das Bildungsniveau wieder steigen. Ob diese Idee realisiert wird, bleibt natürlich abzuwarten.
Noch eine Entwicklung bereitet Lechner Sorgen: "Die Zahl jener Lehrlinge, die ihre Ausbildung abbrechen, steigt seit Jahren kontinuierlich." Dass Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung am Arbeitsmarkt schwer Fuß fassen, ist bekannt. Auch die Kontinuität lässt nach: "Immer öfter wechseln die jungen Leute während der Lehrzeit den Lehrbetrieb."
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