"Wir müssen alle mit dem Unglück fertig werden"
SANKT GEORGEN/GUSEN. Flugpsychologe erklärt die Hintergründe.
Alois Farthofer arbeitet seit 27 Jahren im Fachbereich Luftfahrtpsychologe. Der 52-Jährige erzählt ihm Gespräch mit den OÖN, warum Piloten nach einem Burn-out weiterfliegen dürfen und wie streng Piloten kontrolliert werden.
OÖN: Wie wird festgestellt, ob Piloten psychisch in der Lage sind, ein Flugzeug zu steuern?
Farthofer: Die körperliche und geistige Eignung muss für den Erwerb der Fluglizenz gesetzlich überprüft werden. Die flugpsychologische Untersuchung wird erst in vollem Umfang gemacht, wenn ein Arzt Auffälligkeiten bemerkt. Die Fluglinien gehen sorgsam mit der Auswahl ihrer Piloten um und haben zusätzlich ihre eigenen Testprogramme. Die Lufthansa hat einen der anspruchsvollsten. Bei solchen psychologischen Überprüfungen geht es einerseits um die Denkleistung, aber auch um die Koordinationsfähigkeit und am Wichtigsten: die Persönlichkeit. Dabei wird abgeklärt, ob der angehende Pilot etwa gewissenhaft oder emotional belastbar ist und mit der Verantwortung, die er hat, umgehen kann.
Wie konnte der bewusste Absturz dennoch passieren?
Wenn man merkt, dass es jemandem nicht gut geht, ist das noch nichts Außergewöhnliches. So kann es jedem gehen. Dieses Handeln, der bewusste Sturzflug, ist ein Restrisiko. Es gibt kaum Berufsgruppen, die strenger körperlich oder geistig kontrolliert werden. Und im Zweifelsfall wird einem Piloten der Flugschein auf Zeit oder für immer entzogen.
Andreas L. soll ein Burn-out gehabt haben. Warum durfte er dennoch fliegen?
Das ist kein automatischer Ausschließungsgrund. Die Mittel und Therapiemethoden lassen eine erfolgreiche Behandlung zu. Ein Pilot sollte nach der Genesung die Chance haben, seinen Beruf weiter auszuüben. Er ist sicher nicht leichtfertig ins Cockpit gelassen worden. Die Botschaft ist: lieber früher fluguntauglich melden, als ein Risiko zu sein.
Warum riss der Co-Pilot 149 Menschen mit in den Tod?
Es gab sicher schon vorher konkrete Überlegungen. Dieses Vorhaben war keine unmittelbar entstandene Handlungsabsicht. So, wie es eingetreten ist, waren in diesem Moment die Bedingungen, die er brauchte, da. Vermutlich hat er bedacht, dass 149 Menschen mit ihm sterben, aber das hat ihn nicht abgehalten, war ihm vielleicht gleichgültig. Das gibt es auch im Straßenverkehr.
Was halten Sie davon, dass künftig immer eine Stewardess im Cockpit sein muss, wenn es einer der Piloten verlässt?
Diese erste Reaktion ist verständlich, weil es eine sichtbare Handlung ist, die scheinbar die Sicherheit hebt. Ob es sich bewährt, muss man langfristig sehen und auch, ob es bessere und durchhaltbarere Maßnahmen gibt.
Die Angst nach diesem Unglück ist groß. Ist Fliegen sicher?
Jetzt erleben wir leider alle unmittelbar mit, dass so etwas passieren kann. Damit müssen wir fertig werden. Es ist etwas passiert, das man versucht hat zu vermeiden. Die Luftfahrt ist aber ein abgesichertes System, auf das man vertrauen kann. (mpk)