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Streng geheim! Das Geschäft mit dem Verrat

Von Martin Dunst, 27. Juli 2013, 00:04 Uhr

Meisterspione, Doppelagenten Geheimdienst-Affären: Das Tarnen und Täuschen hat eine lange Geschichte. Vom chinesischen Heerführer über Mata Hari bis Watergate.

Alle Nationen tun es. Niemand redet freiwillig darüber. Die Rede ist vom zweitältesten Gewerbe der Welt – der Spionage. Der älteste überlieferte Geheimbericht ist 4000 Jahre alt. Per Tontafel informierte ein Kundschafter seinen Herrscher, dass feindliche Truppen an der Grenze Feuerzeichen austauschen würden. Die Pharaonen in Ägypten webten engmaschige Spitzel-Netze. Ihre Kundschafter meldeten Aufruhr genauso wie den aktuellen Wasserstand des Nils. Die alten Griechen wiederum tätowierten Sklaven Geheimbotschaften auf glattrasierte Häupter und ließen nicht Gras, sondern Haar über die Sache wachsen.

Ob Brieftauben als Kuriere bei den Babyloniern oder moderner Hackerangriff auf den Iran: Nachrichtendienste operieren in der Regel leise und unauffällig. Spähen, jagen und – wenn es sein muss – töten. Die großen Spieler im internationalen Informations- und Manipulationswettlauf wie etwa Central Intelligence Agency (CIA) oder Bundesnachrichten-Dienst (BND) sind hochgerüstet mit Technik. Von der Drohne über Satelliten bis zur Hacker-Software. Doch ohne den Faktor Mensch geht damals wie heute nichts. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Diese Fehler sind in diesem sensiblen Metier wie so viele andere Daten „top secret“. Wer singt, wird zum erklärten Staatsfeind. Nicht nur in den USA.

Ob Lebemann, femme fatale oder stilles Wasser – Agenten müssen damit leben, dass sie vom Verrat leben, gleichgültig ob im Dienste ihrer Majestät oder einer guten Sache. Die gängigen Motive, warum aus Männern und Frauen Spione und Geheimnisverräter werden, sind im Englischen unter den vier Buchstaben. „MICE“ zusammengefasst: Geld, Ideologie, Zwang und Ego. So unterschiedlich die jeweilige innere Triebfeder von Spionen, sind auch deren Schicksale: Vom Nationalheld über den Kettensägenverkäufer bis zum Todeskandidaten.

Sun Tsu

Wer Stärken und Schwächen seiner Feinde genau kennt, kann sie auch besiegen. Zu dieser Erkenntnis gelangte der chinesische General Sun Tsu bereits vor mehr als 2500 Jahren. Seine 13 Gebote zur Kriegsführung beherzigen seine Nachfolger bis heute. Die älteste bekannte Strategie-Abhandlung wurde einst auf Bambusstäbe geschrieben und enthält auch ein Kapitel zum Thema Spionage. „Spione sind ein äußerst wichtiges Element des Krieges, denn von ihnen hängt die Fähigkeit der Armee ab, sich zu bewegen.“ Bei Sun Tsu steht zudem zu lesen:

Ein Spion muss ein Mann von überragendem Verstand sein, doch mit der äußeren Erscheinung eines Narren; von schäbigem Äußeren, doch mit einem eisernen Willen. Er muss ein Mann der Tat sein, voller unsichtbarer Kraft, widerstandfähig und mutig, gewohnt an alle Sorten Arbeit, vertraut mit Schmutz und edlen Laken, fähig, Hunger und Kälte zu ertragen und Schmach auf sich zu laden.

 

Streng geheim! Das Geschäft mit dem Verrat
Bild: PRESS ASSOCIATION FILES

Mata Hari

Die berühmteste aller Spioninnen zog bestimmt die bei Sun Tsu erwähnten edlen Laken dem Schmutz und harter Arbeit vor. Bis heute ist umstritten, wie gehaltvoll ihre geheimen Informationen gewesen sind, welche Rolle sie auf der europäischen Spionagebühne spielte. Ihre Herkunft verschleierte die Doppelagentin, die sich als Tochter eines indonesischen Königs ausgab. Tatsächlich war sie das Kind eines Hutmachers und wurde 1876 in Holland als Margareta Zelle geboren. Mit ihren Tanzkünsten, Seidenschleiern, die mehr von ihrem reizvollen Körper zeigten, als sie verhüllten, betörte die bestbezahlte Tänzerin Europas die Männerwelt von Paris bis Wien.

Minister, Millionäre und Offiziere lagen Mata Hari (malaiisch für „Auge der Morgenröte“) zu Füßen. Obwohl derart umschwärmt, plagten die Diva chronische Geldnöte. Sie pflegte nämlich einen aufwendigen Lebensstil. Da kam ihr das Angebot eines deutschen Konsuls während des Ersten Weltkriegs gerade recht: „Reisen Sie, bringen Sie uns Neuigkeiten!“ Als Mata Hari ihre Dienste auch den Franzosen angeboten hatte, brachte ihr das doppelte Spiel kurzfristig doppeltes Gehalt, kam ihr wenig später aber teuer zu stehen. Mata Hari wurde enttarnt und 1917 in Paris verhaftet. In einem geheimen Prozess wurde das Todesurteil verkündet. Da halfen auch Gnadengesuche aus höchsten Kreisen nichts. Es ist überliefert, dass Mata Hari dem Exekutionskommando ohne Augenbinde gegenüber trat.

 

Oberst Redl

Ähnlich dramatisch endete das Leben von Alfred Redl, dem österreichischen Jahrhundert-Spion. Am 25. Mai 1913 um zwei Uhr früh erschoss sich der Oberst des Generalstabs mit einer Browning Pistole im Wiener Hotel Klomser. Der ehemalige Chef des k.u.k Geheimdienstes hatte über Jahre hinweg eiskalt und berechnend wichtige militärische Geheimnisse an Russland, Frankreich und Italien verkauft.

Manche Historiker schreiben ihm deshalb eine kriegsentscheidende Rolle im Ersten Weltkrieg zu. Getrieben wurde Redl von Habgier und Lust. Mit dem Geld seiner Auftraggeber hielt er seinen jungen Liebhaber, einen Leutnant, bei Laune, pflegte einen Lebensstil wie er sonst nur Aristokraten möglich war. Mit Hilfe des deutschen Geheimdienstes und wegen einer nicht behobenen Geldsendung aus Russland, kam man Redl auf die Schliche. Die Verantwortlichen des österreichischen Geheimdienstes versuchten zunächst die Affäre zu vertuschen. Das gelang nicht.

Das Schicksal Redls ist nämlich eng mit jenem des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch verknüpft. Kisch bekam 1913 Wind von dem Fall, brachte die Sensationsmeldung auf dem Titelblatt der deutschsprachigen Prager Zeitung „Bohemia“. Wegen der Zensur musste Kisch seinen Bericht in Form eines Dementis bringen. Er schrieb: „Von hoher Stelle werden wir um Widerlegung der speziell in Militärkreisen aufgetauchten Gerüchte ersucht, dass der Generalstabschef des Prager Korps, Oberst Alfred Redl, der vorgestern in Wien Selbstmord verübte, einen Verrat militärischer Geheimnisse begangen und für Russland Spionage getrieben habe.“

 

Thomas E. Lawrence

Der britische Gelehrte, Archäologe Soldat und Spion ist besser bekannt als „Lawrence von Arabien“. Der 1888 in Wales geborene Sohn eines irischen Adeligen war ein Bilderbuch-Agent, von dem sich sogar James Bond eine Scheibe abschneiden hätte können. Der promovierte Archäologe sprach mindestens sechs Fremdsprachen, beherrschte mehrere arabische Dialekte fließend. Getarnt als arabischer Scheich wiegelte der britische Geheimagent die Araber gegen die Türken auf. Bei dem Feldzug stand der 28-jährige, nur 165 m große Oberst immer an vorderster Front. Er war ein Meister der Guerilla-Taktik und fügte den Osmanen viele Nadelstiche zu. Nach dem erfolgreichen Krieg war Lawrence enttäuscht darüber, dass die Briten das Versprechen ein unabhängiges Arabien zu unterstützen gebrochen hatten. Er verweigerte Titel, Orden und hohe Ehren, tauchte als einfacher Soldat in der Royal Air Force unter. Lawrence starb am 13. Mai 1935 bei einem Motorradunfall im Alter von 46 Jahren. Bereits zu Lebzeiten war er ein Mythos. Zu einem Klassiker wurde das Wüstenepos „Lawrence von Arabien“ von David Lean aus dem Jahr 1962 mit Peter O’Toole in der Hauptrolle.

Fritz Kolbe

Über diesen Mann gibt es keine Filme, er wäre als Held eine glatte Fehlbesetzung gewesen. Ein unscheinbarer Mensch, mehr Beamter denn Topspion. Doch innere Größe besaß dieser Mann auf jeden Fall. „Ich bin ein deutscher Patriot mit einem menschlichen Gewissen. Mein Wunsch ist, den Krieg zu verkürzen.“ Mit diesen Worten heuerte Kolbe während der NS-Diktatur bei den Alliierten an. Er lieferte brisante Informationen: Wo die Nazis die alliierte Invasion erwarteten, oder welche Militärbasen die Japaner in Asien betrieben. Kolbe hasste die Nazis, ging unter Einsatz seines Lebens gegen das Hitler-Regime vor.

Nach 1945 wurde er in seiner Heimat nicht gefeiert, sondern geächtet. Kolbe musste sich als Vertreter für Kettensägen durchschlagen. 1971 starb der bei der CIA hochgeschätzte Topspion im Alter von 70 Jahren an Krebs.

Richard Sorge

Dieser Mann war der Gegenentwurf zum braven Beamten Kolbe. Der Draufgänger und Schürzenjäger kämpfte allerdings auch gegen die Nazi-Diktatur. Sorge war gebürtiger Deutschrusse und überzeugter Marxist. In Hitler-Deutschland mimte Sorge den überzeugten Nazi. Hohe NSDAP-Funktionäre fraßen ihm aus der Hand.

Seine so gewonnenen Erkenntnisse funkte der Agent nach Moskau. Sorge war laut, lebensfroh und lässig. Er fiel auf mit seinem vorlauten Mundwerk, Liebschaften, Sauf- und Motorradtouren. Diskretion war für ihn ein Fremdwort. Am 30. Mai 1941 hatte er nach Moskau telegrafiert, dass der deutsche Angriff auf die Sowjetunion in der zweiten Junihälfte erfolgen werde. (Angriff erfolgte am 22. Juni 1941, Anm.) Geglaubt wurde ihm nicht. 1944 wurde Sorge enttarnt und von den Japanern ermordet.

Die Rosenbergs

Julius und Ethel Rosenberg mussten ihre Spionage-Aktivitäten ebenfalls mit dem Leben bezahlen. Das Schicksal des amerikanischen Paares offenbart einmal mehr die dunkle Seite der Geheimmächte. Die Rosenbergs sollen den Sowjets wichtige Informationen zum US-amerikanischen Atombomben-Projekt zugespielt haben. Sie wurden dafür verurteilt und mit dem Tod auf dem elektrischen Stuhl bestraft.

Der Prozess gegen die beiden erregte Anfang der 1950er Jahre weltweites Aufsehen. Papst Pius, Jean-Paul Sartre, oder Albert Einstein waren prominente Fürsprecher der Rosenbergs. Das Urteil wurde dennoch vollstreckt. Heute sind die Gerichtsakten von damals öffentlich. Aus den Zeugenaussagen geht hervor: Julius Rosenberg war zwar Spion, hat aber keine entscheidenden Daten für den Bau der sowjetischen Atombombe geliefert. Seine Frau war lediglich Mitwisserin. Der eigene Bruder und Schwager hatte, um seinen Kopf zu retten, das Paar schwer belastet. Aus den Gerichtsakten lässt sich ersehen, dass der Prozess stark politisch motiviert war, echte Beweise weitgehend fehlten.

 

Watergate

Stichwort dunkle Seiten der Geheimdienstarbeit: Manipulation und Missbrauch sind prägende Wörter im Watergate-Skandal, der Mitte der 1970er Jahre ein politisches Erdbeben in den Vereinigten Staaten ausgelöst hat. Zum Höhepunkt des Falls musste am 9. August 1974 Richard Nixon als bisher einziger US-Präsident von seinem Amt zurücktreten. Die Affäre ist nach einem Gebäudekomplex in Washington benannt, in dem Anfang der 1970er Jahre die Demokraten ihr Hauptquartier hatten. Ein Wachmann erwischte fünf Einbrecher dabei, wie sie Dokumente fotografierten und Wanzen installierten. Die Ermittlungen führten rasch bis ins nahe Umfeld des Republikaners Nixon.

Der Präsident weigerte sich lange Zeit die Konsequenzen zu ziehen, wurde letztlich doch seines Amtes enthoben. Berühmt wurden mit diesem Fall zwei Reporter der Washington Post. Bob Woodward und Carl Bernstein. Sie wussten viele Details über die Ermittlungen. Ihr Informant war Mark Felt, der unter dem Decknamen „Deep Throat“ bekannt geworden ist und als stellvertretender Direktor des FBI mit dem Stand der Watergate-Ermittlungen bestens vertraut war.

Die beiden Journalisten wurden mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Ihr Engagement gilt als Sternstunde des amerikanischen Aufdecker-Journalismus.

Unter dem Titel „Watergate-Affäre“ sind ein ganzer Katalog an Verfehlungen und Straftaten zusammengefasst, unter anderem der Missbrauch von Regierungsbehörden durch das Weiße Haus, der eigentliche Watergate-Einbruch oder die Behinderung der Justiz bei den Watergate-Untersuchungen.

 

Anna Chapman

Von Anna Chapman ist zwar nicht bekannt, ob sie eine besonders begabte Tänzerin ist, dennoch gilt wie bei der einst berühmt-berüchtigten Mata Hari: Die russische Agentin profitierte sicher mehr von ihrem guten Aussehen als von ihren Fähigkeiten in Sachen Geheimdienst-Arbeit. Von der Presse erhielt sie Beinamen wie „006“.

Gemeinsam mit neun anderen Agenten flog Chapman 2010 auf. Sie hatte als Immobilien-Maklerin in New York gearbeitet. Im Zuge eines Austausches zwischen Russland und den USA auf dem Flughafen Wien, kehrte Chapman in ihre Heimat zurück. Über Twitter ließ die Fernsehmoderatorin jüngst verlauten, sie wolle Aufdecker, Ex-Geheimdienst-Mitarbeiter Edward Snowden heiraten. Der 30-Jährige hatte öffentlich gemacht, dass die NSA mittels spezieller Software bei Bedarf alles und jeden überwachen kann. Snowden wird von den US-Behörden als „Verräter“ bezeichnet, befindet sich auf der Flucht. Snowden saß zu Redaktionsschluss immer noch im Transit-Bereich des Moskauer Flughafens fest. Vielleicht bekommt er dort ja bald Besuch von Chapman. Das wäre ihm bestimmt lieber, als ein Treffen mit seinen ehemaligen Geheimdienst-Kollegen.

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