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München: 16-Jähriger als möglichen Mitwisser festgenommen

Von nachrichten.at/apa, 24. Juli 2016, 22:18 Uhr
Blumenmeer vor dem Einkaufszentrum Bild: (Reuters)

MÜNCHEN. Zwei Tage nach den Schüssen von München hat die Polizei einen 16-jährigen Afghanen unter dem Vorwurf der Mitwisserschaft festgenommen.

Der Freund des 18-jährigen Amokschützen soll von dessen Plänen gewusst, diese aber nicht der Polizei gemeldet haben, teilte die Münchner Polizei am Sonntagabend auf Facebook mit.

 

Er habe sich unmittelbar nach dem Amoklauf bei der Polizei gemeldet. Deren Ermittlungen deckten am Sonntag Widersprüche in den Aussagen des 16-Jährigen auf. "Es besteht der Verdacht, dass der 16-Jährige ein möglicher Mitwisser der Tat ist", so die Polizei. Er sei dann um 18.15 Uhr von einem Sondereinsatzkommando der Polizei festgenommen worden. Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der Nichtanzeige einer geplanten Straftat (§ 138 StGB) gegen den Jugendlichen.

Geprüft werde auch, ob der 16-Jährige für einen Facebook-Aufruf zu einem Treffen in einem Kinokomplex in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofes verantwortlich sei. Der Amokläufer soll Jugendliche vor seiner Tat per Facebook zu jenem McDonald's-Restaurant gelockt haben, wo er dann zu schießen begann. Die Polizei betonte, dass sie "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln" gegen Trittbrettfahrer vorgehen werde und vor Nachahmungstaten warne.

Der Amoklauf von München ist nach Einschätzung eines Experten nicht durch eine mögliche Depressionserkrankung des 18 Jahre alten Täters ausgelöst worden.  "Mit großer Sicherheit kommt eine Depression des Täters als Ursache für den Amoklauf in München nicht in Frage", erklärte Professor Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, in einer Mitteilung vom Samstagabend.

"Wir sehen es mit großer Sorge, wenn Depressionen mit Gewalttaten in Verbindung gebracht werden", sagte der Experte am Sonntag. Das sei vom Krankheitsbild her nicht gerechtfertigt.

Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch bestätigte Sonntag bei einer Pressekonferenz, dass der 18-Jährige wegen einer psychiatrischen Erkrankung behandelt wurde. In der Wohnung habe man ärztliche Behandlungsunterlagen gefunden, die auf eine Angststörung und Depressionen hindeuteten. Er habe sich sowohl in stationärer und ambulanter Behandlung befunden. Wie am Sonntagnachmittag bekannt wurde, war der Attentäter wenige Wochen vor der Tat in psychiatrischer Behandlung. Zudem habe man Medikamente gefunden.

Der Amokläufer von München hat seine Opfer nach den bisherigen Ermittlungen nicht gezielt ausgesucht. Die Tat dürfte er schon rund ein Jahr lang geplant haben. Dies teilte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch von der Staatsanwaltschaft München am Sonntag bei einer Pressekonferenz mit. Einen politischen Hintergrund der Tat schloss er klar aus.

Schriftliches Manifest zu Taten

Der Amokläufer von München habe ein eigenes schriftliches "Manifest" zu seinen Taten verfasst, sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamts, Robert Heimberger. Der Täter habe sich seit einem Jahr mit dieser Tat befasst und Winnenden besucht, den Ort eines früheren Amoklaufs. Nach Angaben der Ermittler hat der Täter auch intensiv gewaltverherrlichende Videospiele wie "Counterstrike" gespielt.

Bei der Bluttat am Freitagabend erschoss der Deutsch-Iraner vor einem Einkaufszentrum neun Menschen, sieben davon mit Migrationshintergrund. Bis auf ein 45-jähriges Opfer waren alle zwischen 15 und 20 Jahre alt. Drei Menschen schwebten am Sonntag noch in Lebensgefahr. Insgesamt gab es laut Landeskriminalamts 35 Verletzte. Der Amoklauf sorgt weltweit für Entsetzen und Anteilnahme.

In Winnenden Fotos gemacht

Der Amoktäter hat sich nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bei seiner Tat stärker am norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik und dem Amokläufer von Winnenden orientiert als bekannt. Er war nach Informationen des Blattes selbst nach Winnenden gefahren, hatte sich dort umgesehen und Fotos gemacht. Außerdem hatte er demnach das "Manifest" Breiviks auf seinem Rechner.

Am Freitag, dem Tag des Münchner Amoklaufs, hatte sich die norwegische Bluttat zum fünften Mal gejährt. Bei der Tatwaffe vom Typ Glock 17 und einem Kaliber von neun Millimetern, mit der der 18-jährige Münchner Einzeltäter am Freitagabend neun Menschen und dann sich selbst erschoss, handelt es sich dem Bericht zufolge um eine Theaterwaffe, die zunächst unscharf und später wieder gebrauchsfähig gemacht wurde.

Die Waffe trage ein Prüfzeichen aus der Slowakei, der Täter habe sie sich aus dem Darknet beschafft, wo sich Internetnutzer fast unerkannt bewegen können. Die "SZ" berief sich dabei auf Informationen aus Ermittlerkreisen.

Politische Debatte beginnt

Nach dem Amoklauf (der Liveticker vom Freitagabend zum Nachlesen) setzt nun die politische Debatte ein, wie solche Bluttaten künftig verhindert werden können. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sprach sich dafür aus, die Einsatzkonzepte der Polizei noch einmal unter die Lupe zu nehmen. "Das wird sicher jetzt noch einmal überprüft werden müssen", sagte der CDU-Politiker am Samstagabend in der ARD.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte in der "Welt am Sonntag", dass "wir in extremen Situationen" wie Terroranschlägen "auch in Deutschland auf die Bundeswehr zugreifen können".

In den Blickpunkt rücken zudem die Waffengesetze: De Maiziere sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", zunächst müsse ermittelt werden, wie der Amokläufer an die Tatwaffe gelangt sei. "Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt." Die bestehenden Waffengesetze seien bereits sehr streng, so de Maiziere. Auf europäischer Ebene sollten mit der zur Verabschiedung bevorstehenden Waffenrichtlinie weitere Fortschritte erreicht werden.

Auch der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Waffenkontrolle ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren." Der SPD-Politiker sagte zudem, Staat und Gesellschaft müssten bei psychisch instabilen Menschen "hinsehen und intervenieren - gerade bei Jugendlichen".

Keine islamistischen Verbindungen

Der 18-jährige Todesschütze von München war den Ermittlungen zufolge ein Amokläufer ohne islamistische Verbindungen. Der Deutsch-Iraner hatte am Freitagabend vor und im Olympia-Einkaufszentrum mit einer Pistole neun Menschen und schließlich sich selbst mit einem Kopfschuss getötet.

Die Waffe besaß er illegal. Er hatte nach Behördenangaben noch 300 Schuss Munition übrig. In der Wohnung des jungen Mannes wurde nach Aussage de Maizieres Material gefunden, das Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vor genau fünf Jahren vermuten lasse. Einen zunächst befürchteten Bezug der Bluttat zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) schlossen die Behörden aus.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich schockiert. Zugleich lobte sie - wie Politiker aller Parteien - die Einsatzkräfte für ihre "hoch professionelle" Arbeit. Nun gehe es darum, die Morde vollständig aufzuklären. Deutschland trauere "mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden", sagte Merkel. Sie fügte an die Adresse der Angehörigen hinzu: "Wir denken an Sie, wir teilen Ihren Schmerz, wir leiden mit Ihnen."

Blumenmeer für Opfer

Nahe dem Tatort in München legten zahlreiche Menschen zum Gedenken an die Opfer Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Der Eiffelturm in Paris erstrahlte am Samstagabend in den deutschen Nationalfarben Schwarz, Rot und Gold. Präsidenten und Regierungschefs sowie Prominente und Sportler weltweit drückten den Hinterbliebenen ihr Beileid aus und verurteilten den Amoklauf scharf.

Auf Hass dürfe nicht mit Hass reagiert werden, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller der "Welt am Sonntag". Außerdem könne eine Großstadt wie Berlin nicht an jede Ecke einen Polizisten stellen. "Ebenso wenig können Sozialarbeiter überall einen Blick hineinwerfen", sagte der SPD-Politiker.

Der Täter war für die Sicherheitsbehörden ein unbeschriebenes Blatt. "Gegen ihn waren bisher keine polizeilichen Ermittlungen bekannt", sagte de Maiziere. "Und es gibt auch keine Erkenntnisse der Nachrichtendienste über diese Person." Möglicherweise sei der junge Mann gemobbt worden. De Maiziere machte brutale Internetvideos und Computerspiele für Gewaltexzesse wie in München mitverantwortlich.

Bessere Ausstattung für Polizei

Bayerns Landesregierung will nach dem Amoklauf die Polizei besser ausstatten, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Münchensagte. "Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir als politisch Verantwortliche alles Erdenkliche tun werden, um unsere Bevölkerung zu schützen." Seehofer ließ durchblicken, dass es mehr Geld für die Polizei geben soll - sowohl für zusätzliche Stellen als auch neue und bessere Ausrüstung. Am Freitagabend waren etwa 2.300 Polizisten im Einsatz gewesen, darunter auch die Spezialeinheit GSG 9 der deutschen Bundespolizei und österreichische Cobra-Beamte.

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