Migranten nutzen Fußball-WM zur Flucht in die EU
MOSKAU. Mehrere Marokkaner haben zuletzt versucht, mit ihren russischen Fan-Pässen in den Schengenraum zu gelangen.
Das Dorf Ketrowaara in den Mischwäldern Kareliens hat nach der Volkszählung von 2013 noch 92 Einwohner, es gibt hier kein Lokal, in dem die Spiele der Fußball-WM übertragen werden. Das nächste WM-Stadion in Sankt Petersburg liegt 320 Kilometer entfernt, dort verlor vergangenen Freitag Marokko sein erstes Spiel gegen den Iran.
Aber wie die Agentur "Interfax" meldete, griffen schon eine Woche vorher russische Grenzer bei Ketrowaara vier Marokkaner mit gültigen Eintrittskarten und Fan-Pässen auf. Das Quartett war auf dem Weg zur fünf Kilometer entfernten finnischen Grenze. Sie versuchten wie zahlreiche andere nicht ganz echte Fans, die WM zu nutzen, um via Russland in die EU zu gelangen.
Laut dem finnischen TV-Kanal "Yle" nahmen die Grenzbehörden Finnlands vergangenes Wochenende drei weitere Marokkaner und einen Nigerianer mit einem gefälschten brasilianischen Pass fest, als sie versuchten, die Grenze zu überqueren. Sie alle erklärten, sie wollten um Asyl bitten.
Visafreie Einreise nach Russland
So wie ein weiterer nicht ganz echter Fußballfan ungenannter Nationalität, der sich auf dem Flughafen in Helsinki der Polizei stellte. Er sagte, er habe sich seine Eintrittskarte und den dazugehörigen Fan-Pass nur beschafft, um in Finnland Asyl beantragen zu können. Inhaber von Fan-Pässen können ohne Visum nach Russland einreisen.
Wie ein finnischer Grenzer gegenüber "Yle" sagte, sind Fußballfans als Flüchtlinge neu, beim "Confed Cup" 2017 habe man keine ähnlichen Versuche registriert. Allerdings zitierte "Bild am Sonntag" schon vor Tagen einen Bericht des deutschen Bundeskriminalamtes. Dieser warnt davor, dass Migranten die visafreie WM nutzen könnten, um über Russland illegal in die EU einzureisen.
Laut Europol wurde diese Möglichkeit in einschlägigen sozialen Netzwerken eifrig diskutiert. Mehrere WM-Migranten bemühen sich offenbar auch, über Weißrussland, das die Grenze zu Russland nicht kontrolliert, nach Polen und in die EU zu gelangen. Alexei Sitenkow von der weißrussischen Polizei teilte gestern in Minsk mit, man habe in der Nacht im Grenzgebiet zu Litauen ebenfalls vier Marokkaner festgenommen, weitere Marokkaner in den Tagen davor. "Und sie alle sind große Fußballliebhaber."
27 Euro Strafe und Ausweisung
Anton Bytschkowskij vom weißrussischen Grenzkomitee sagte, Schlepper köderten Migranten mit der Behauptung, der russische Fan-Pass erlaube ihnen auch die Einreise in EU-Länder. Auch wenn laut der russischen Außenamtssprecherin mehr als zwei Millionen Ausländer zur WM eingetroffen sind – eine Flüchtlingswelle wird das Turnier wohl kaum produzieren.
Die vier Marokkaner, die bei Ketrowaara verhaftet wurden, müssen umgerechnet 27 Euro Strafe zahlen und werden ausgewiesen. Ihre Mannschaft, die nach zwei Niederlagen noch gegen Spanien antritt, kommt etwas später heim.