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Wenn der Computer Wellen schlägt

22. Oktober 2011, 00:04 Uhr
Wenn der Computer Wellen schlägt
Darstellung der Wellenausbreitung des Tsunamis von 2004 auf einem »adaptiven Gitter«. Ein solches Gitter verfeinert »intelligent« genau dort, wo sich die Welle gerade befindet. Die Wellenhöhe ist als Abweichung von einem mittleren Wasserstand wiedergegeben. Bild: Jörn Behrens/Widodo Pranodo, Uni Hamburg/KlimaCampus/Ausserhofer

Er rechnet mit Tsunamis: Jörn Behrens (47), Leiter der Arbeitsgruppe „Numerische Methoden in den Geowissenschaften“ am KlimaCampus der Universität Hamburg. Wie’s geht, erklärt er am 27. Oktober, 17.15 Uhr, an der Universität Linz.

Behrens folgt einer Einladung des an der Kepler-Universität beheimateten „Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics“ (RICAM) der Akademie der Wissenschaften. Was wissenschaftliches Rechnen zur Frühwarnung vor Tsunamis beitragen kann, steht im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Für den Mathematiker ist jeder Tsunami berechenbar. Worauf die Riesenwelle „hinausläuft“, welche Gefahr sie für Küstengebiete heraufbeschwört, lässt sich mit Computer-Simulationen annähernd vorhersagen.

Meist sind es heftige Erdbeben unter dem Ozeanboden wie zuletzt im März 2011 an der japanischen Nordostküste, die einen Tsunami auslösen. Dabei entstehen aufeinanderfolgende, langperiodische Meereswellen. „An der Küste stößt die Welle dann auf verschachtelte, kleinere Strukturen wie Buchten oder Felsen“, sagt Behrens.

Hinzu kommt, dass der flache Wellenberg aus der Tiefe nun gegen die bereits abgebremsten Vorgängerwellen drückt und sich auftürmt. Sein Verhalten wird sehr komplex und lässt sich nur noch mit einem speziellen Computerprogramm berechnen, das die Wechselwirkung zwischen langer Welle aus dem Ozean und nicht-linearer Welle in Küstennähe berücksichtigt (= Skalen-Interaktion).

Zehn Millionen Dreiecke

So kann man Szenarien simulieren. Der Computer muss dabei nicht nur die einfachen Gleichungen lösen, mit denen Ausbreitung und Verhalten der Wellen im freien Wasser beschrieben wird, sondern auch die viel komplexeren, die sich aus der Bewegung an den Randbereichen ergeben. Möglich macht’s die „Finite-Elemente-Methode“.

Dabei unterteilt man den Ozean in gut 10 Millionen Dreiecke, wie ein Raster über seine Oberfläche gespannt. Diese Rasterelemente sind unterschiedlich groß: „Am kleinsten sind sie in Randbereichen, wo sich die Welle besonders kleinskalig verhält“, so Behrens. Kleinskalig heißt, dass dort jede Welle für ihr An- und Abschwellen viel kürzer braucht und dabei auch viel höher schwappt als im offenen Wasser: bis 30 Minuten im Ozean, drei Minuten in Küstennähe.

Für jedes Dreieck wird mit dem numerischen Verfahren die zu erwartende Geschwindigkeit und Höhe der Welle berechnet. In einem schematischen Rechenvorgang kann der Computer dann nach ca. drei Stunden die voraussichtliche Wellenbewegung simulieren. Dazu braucht er genaue Oberflächendaten. Die liefert ihm die Radar-Höhenkartierung des Space Shuttles, ergänzt von lokalen Radarmessungen von Flugzeug oder Schiff.

Tausende solcher „synthetischen“ Tsunamis sind im Warnsystem GITEWS in Jakarta gespeichert, das die deutschen Experten im März nach einer langen Testphase an Indonesien übergeben haben. Darunter auch solche, die eine Riesenwelle vor der Millionenstadt Padang an der Westküste Sumatras simulieren. „Dort wird es in den nächsten 30 Jahren zu einem Mega-Beben mit folgendem Tsunami kommen“, sagt Behrens. Denn im 200-Jahre-Takt brechen vor der Küste die verhakten Kontinentalplatten auseinander – zuletzt 1797 und 1833.

GITEWS ermöglicht binnen fünf Minuten nach dem Erdstoß eine Tsunami-Prognose. Mehrere Messwerte gehen dabei laufend in die Berechnungen ein: GPS-Daten informieren über die Verschiebung der Erdkruste, Richtung und Verhalten der Welle lassen sich an Messbojen und Küstenpegelständen ablesen. So können die Behörden aus ihrem Vorrat an Computer-Szenarien das jeweils aktuelle auswählen und die Gefahr abschätzen.

Wenn das Eis schmilzt

Modelle gibt es jetzt auch für die Nordsee. Ausgelöst werden Tsunamis dort durch Abrutschen des Kontinentalhanges, wenn das stabilisierende Methan-Eis schmilzt. „Für Hamburg ergaben unsere Berechnungen Entwarnung“, sagt Behrens. Denn die Nordsee sei zu flach für Riesenwellen, sie würden durch Bodenreibung verebben.

Nicht so im Rutschungsbereich selber: Vor Norwegen und den Shetland-Inseln gab es vor 8000 Jahren einen Tsunami, der bis zu hundert Meter hoch gelegenes Festland überflutete.

Die hohe Schule der Mathematik

Seine Vorlesung hält Jörn Behrens beim „Special Radon Semester on Multiscale Simulation and Analysis in Energy and the Environment.“ Seit 2005 hält das Johann Radon-Institut (RICAM) der Akademie der Wissenschaften Spezialsemester ab. „Internationale Forscher entwickeln dabei neue Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Semesterleiter Robert Scheichl. Das RICAM ist nach dem Mathematiker Johann Radon benannt. Es betreibt anwendungsorientierte Grundlagenforschung und betreut Post Docs aus aller Welt, von denen viele Professuren im In- und Ausland erhalten haben. Geleitet wird es vom Linzer Industriemathematik-Professor Heinz W. Engl, Rektor der Uni Wien.

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