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Neue Medien: Die zerhackte Zeit

Von Dietlind Hebestreit, 09. Dezember 2015, 00:04 Uhr
Symbolbild Bild: colourbox

Digitaler Teufelskreis: Hohe Schlagzahl bei der Nutzung von WhatsApp, Facebook, Twitter und Youtube. Kinder und Jugendliche können sich nur noch kurz konzentrieren. Deshalb werden auch die Meldungen im Internet immer knapper.

Das offene Fenster mit dem Deutschaufsatz ist am Computer nur eines von vielen: Daneben quakt ein Youtube-Video, via Facebook tröpfeln Nachrichten herein, Wikipedia spuckt Fakten für die Hausübung aus, und am Handy blinkt die jüngste WhatsApp-Nachricht. Nicht zu reden von der Lieblingsmusik, die aus dem Kopfhörer plätschert. "Alle paar Minuten switcht die Aufmerksamkeit von einer Aktivität zur nächsten", erklärt Psychiatrie-Primar Kurosch Yazdi von der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Linz. Dass Burschen und Mädchen heutzutage nur kurze Zeit bei einer Sache bleiben können, ist wissenschaftlich bewiesen. "Früher war Konzentration vor allem in der Schule gefragt", sagt der Spezialist für Neue Medien. Da reichte die Konzentrationsspanne über eine halbe bis eine Dreiviertelstunde. Heute hat sich dieser Zeitraum auf oft nur wenige Minuten verkürzt.

Nur drei Minuten aufpassen

"Der Musiksender MTV hat festgestellt, dass junge User bereits nach wenigen Minuten wegschalten – sogar wenn ihnen die Musik gefällt", sagt Yazdi. Die Folge: MTV zeigt nur noch Beiträge, die maximal drei Minuten lang sind. "Das ist ein Teufelskreis. Weil Menschen immer kürzer aufmerksam sind, werden die Beiträge immer kürzer; und weil die Beiträge immer kürzer werden, können sich die Menschen nur noch kurz konzentrieren", so der Psychiater. Übrigens überträgt sich diese rasante Taktung auch auf das reelle Leben: Jugendliche nehmen sich zum Beispiel fürs Essen nur noch ein paar Minuten Zeit oder finden Aktivitäten nach wenigen Augenblicken langweilig.

Multitasking hält Yazdi übrigens für einen Mythos. Dabei stützt er sich unter anderem auf eine deutsche Studie, an der junge Menschen teilnahmen. Die eine Gruppe umfasste Probanden, die extrem viel in verschiedenen Neuen Medien unterwegs sind und dementsprechend oft Dinge gleichzeitig tun. Im Fahrsimulator gleichzeitig Auto fahren und telefonieren – das konnten diese Jugendlichen aber nicht besser, sondern sogar weniger gut als Burschen und Mädchen, die nicht so internetaffin sind.

Einseitige Interessen

"In meiner Praxis erzählen Eltern oft, dass sich ihr Kind beim Spielen von ,World of Warcraft’ oder ,League of Legends’ zehn bis zwölf Stunden lang konzentrieren kann. Geht es aber um die Hausübung, ist die Aufmerksamkeit bereits nach wenigen Minuten dahin", sagt Yazdi. Das sei ein Verhaltensmuster, das sonst nur von Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom) bekannt ist: nämlich dass sie sich bei Themen, die sie interessieren, gut konzentrieren, oft sogar auszeichnen können, während sie bei anderen Aufgaben unkonzentriert sind.

Problematisch sei heutzutage auch, dass sich Kinder und Jugendliche im Internet lange Zeit nur auf Dinge konzentrieren, die sie interessieren. "Das ist im Unterricht oft genauso wenig der Fall wie auch später in der Berufsschule, an der Universität oder im Job", sagt der Primar. Um bei der Ausbildung und im Beruf Erfolg zu haben, sei es aber genauso wichtig, Dinge zu lernen und zu tun, die einem keinen Spaß machen. Sich auf Uninteressantes zu konzentrieren, sei später jedoch kaum mehr erlernbar.

Warum Häppchen lesen zu können, zu wenig ist

Kurz und bündig: So müssen Informationen heute daherkommen, wenn sie ankommen sollen. Sogar bei Schulbüchern wird Wert darauf gelegt, Inhalte zu portionieren, sagt Christian Schacherreiter. Der Direktor des Linzer Georg-von-Peuerbach-Gymnasiums sieht diese Entwicklung kritisch: „Die Herausforderung, längere Texte zu lesen, ist oft unerwünscht. Komplexe Themen sind jedoch nicht in einfachen Hauptsätzen und Häppchen darzustellen.“

Vorbereitung auf die Uni

Besonders Schultypen, die auf die Universität vorbereiten sollen, müssten deshalb entsprechende Lesekompetenz über Jahre hin aufbauen. „Sprache funktioniert nicht nur konkret, sondern auch abstrakt“, sagt Schacherreiter. Ein gewisses Abstraktionsvermögen, das etwa für wissenschaftliche Abhandlungen notwendig sei, könne bei durchschnittlicher Intelligenz durchaus erlernt werden.

Doch auch wer nicht nach höherer Bildung strebt, sollte längere zusammenhängende Texte lesen können. „Das ist für jeden mündigen Staatsbürger notwendig. Informationen aus dem Internet werden oft unkritisch aufgenommen. Kritikfähigkeit hat etwas mit Lesekompetenz zu tun“, sagt Schacherreiter. So sei es etwa nur möglich, eine politische Analyse zu verstehen, wenn man gut lesen gelernt hat. 

„Internet macht den Horizont enger, nicht weiter“

„Wenn eine Information wirklich wichtig ist, wird sie mich finden.“ Das ist laut Meinungsforscher Paul Eiselsberg vom Linzer IMAS-Institut der Tenor bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Eine Untersuchung zeigt, dass diese Zielgruppe nicht einfach von der Zeitung aufs Internet umgestiegen ist, wenn es um Nachrichten geht, sondern dass sie sich generell weniger informieren als früher.

Auch die Rechnung, dass die ungeahnten Möglichkeiten im World Wide Web zu höher gebildeten Menschen führen wird, geht nicht auf. „Die Jungen holen sich nur Informationen über das, was sie ohnehin interessiert. Das Internet macht den Horizont enger, nicht weiter“, sagt Primar Kurosch Yazdi von der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg.

Maßgeschneiderter Konsum

Für verschiedene Zielgruppen maßgeschneiderte Informationen verführen dazu, immer mehr zu konsumieren. Weil es immer wieder Rückmeldungen aus dem Netz gibt, bergen die Sozialen Medien hohes Suchtpotenzial. Übrigens ist es ein Irrtum, dass sich Kinder und Jugendliche vor dem Computer oder dem Smartphone entspannen: Untersuchungen zeigen, dass der Cortisolspiegel, der Stress anzeigt, vor dem Bildschirm ansteigt. „Es könnte aber sein, dass wir uns mit der Zeit an die Neuen Medien anpassen“, sagt Yazdi. Schließlich hätte auch das Fernsehen in seiner Anfangsphase die Menschen extrem aufgeregt; und heute können sich Zuseher durchaus vor dem TV-Gerät entspannen.

 

 

 

 

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