EU-Innenminister ringen um Flüchtlingspolitik

Von nachrichten.at/apa   25.Februar 2016

"Wir haben keine Linie mehr, wir steuern irgendwie in die Anarchie hinein", sagte Asselborn am Donnerstag in Brüssel. Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere sagte, sollte es bis zum Sondergipfel der EU mit der Türkei am 7. März keine Ergebnisse geben, "muss man andere gemeinsame europäisch koordinierte Maßnahmen" beschließen. Welche das sein könnten, wollte er nicht beantworten: "Das sehen wir dann."

Der Sondergipfel am 7. März sei auch deshalb wichtig, weil "wir einen Anstieg im Frühling der Flüchtlingszahlen" erwarten können, sagte der niederländische Migrationsminister und EU-Ratsvorsitzende Klaas Dijkhoff. Wenn die im Jänner getroffenen Maßnahmen der EU keine Wirkung zeigten, "dann sind andere Maßnahmen notwendig". Allerdings nannte Dijkhoff dazu keine Details.

Die griechische Regierung beorderte am Donnerstag ihre Botschafterin in Wien nach Athen zurück. Alleingänge einzelner Mitgliedstaaten in der Krise könnten "die Grundlage und den Prozess der europäischen Integration unterlaufen", begründete das Athener Außenministerium in einer Erklärung den Abzug des Botschafters.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verteidigte das gemeinsame Vorpreschen Österreichs und der Balkanstaaten in der Flüchtlingskrise mit dem Ziel, die Zahl von Migranten durch ein strikteres Grenzmanagement zu reduzieren. Die Initiative sei "der Anfang vom Ende des Durchwinkens", sagte Mikl-Leitner am Donnerstag vor einem EU-Innenministerrat in Brüssel.

Wien reagierte kühl

Das Außenministerium hat kühl auf den Rückruf der griechischen Botschafterin aus Wien reagiert. "Österreich kann die Anspannung in Griechenland nachvollziehen, nachdem der Druck auf Griechenland steigt, an einer Eindämmung des Flüchtlingsstroms mitzuwirken", hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme. Es sei das gute Rechte jedes Landes, seine Diplomaten zurückzurufen. Man hoffe nun auf ein Umdenken der Griechen, hieß es weiter. "Wir sehen in diesem Fall eine Chance, dass die Botschafterin die griechischen Verantwortlichen über die Situation und Herausforderungen für die Zielländer der Flüchtlingsroute wie Österreich informiert", so die Stellungnahme. Griechenland müsse dazu beitragen, die Zahl der nach Norden reisenden Flüchtlinge zu reduzieren.

Mikl-Leitner: "Offensichtlich kommt Bewegung rein"

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht in der Abberufung der griechischen Botschafterin aus Wien eine Zeichen dafür, dass "offensichtlich Bewegung hinein kommt". Im Flüchtlingsbereich "bleibt es aber bei unseren Maßnahmen, denn als Innenministerin kann ich nicht akzeptieren, dass dauerhaft durchgewunken wird".

Sie sei verantwortlich für die Sicherheit und Stabilität der Republik. Jetzt gebe es aber auch die Möglichkeit, dass direkt in Athen über die Situation in Österreich als auch entlang der Balkanroute informiert werden könne.

Zur Lage in Griechenland, die sich angesichts der Flüchtlinge, die nicht mehr weiterreisen können, stündlich zuspitze, sagte Mikl-Leitner, Österreich komme seiner humanitären Verantwortung nach. Die 37.500 Flüchtlinge "wären ein Vorbild für viele andere EU-Staaten". Aber klar sei auch, dass die Migrationsströme reduziert werden müssten, und zwar massiv. "Das Durchwinken muss ein Ende haben". Wenn alle Staaten, die vor Österreich liegen, ihrer Verantwortung nachkommen würden, "hätten wir kein Problem. Das heißt, die anderen müssen die Frage gefallen lassen, wie sie mit der Situation umgehen".

"Offenes Gespräch"

Mit den Balkanländern, Griechenland, Deutschland und den EU-Institutionen habe es ein "sehr offenes Gespräch" in der Früh gegeben, so Mikl-Leitner. Dabei habe ihr griechischer Kollege wieder betont, dass sein Land kaum die Außengrenze schützen könne. "Wenn Griechenland das nicht kann, liefert es sich das beste Argument, warum andere handeln", so die Innenministerin. Vetodrohungen habe es diesmal aber keine gegeben.

Ziel der Balkan-Initiative sei eine Reduktion der Migrationsströme, bekräftigte Mikl-Leitner. Selbstverständlich dürften Schutzbedürftige die Grenze passieren, dies sei eine internationale Regel. Auf die Frage, ob dies auch für Afghanen gelte, sagte Mikl-Leitner, dies müsse jedes Land selbst entscheiden. Gerade bei Flüchtlingen, die angeben aus Afghanistan zu stammen, habe sich gezeigt, dass viele aus anderen, sicheren Regionen kommen würden.

Italiener hoffen auf Einigung mit Österreich

Der italienische Innenminister Angelino Alfano hofft auf eine Einigung mit Wien über das Vorgehen an der gemeinsamen Grenze. "Hoffentlich können wir die Divergenzen mit Österreich überwinden. Mauern generieren nur Illusionen", sagte Alfano. Der slowakische Innenminister Robert Kalinak hat indes Verständnis für das Vorgehen Österreichs in der Flüchtlingskrise geäußert. De Maiziere betonte "trotz unterschiedlicher Auffassungen" in der Flüchtlingskrise die "gute Zusammenarbeit" mit Österreich.

"Griechenland wird es nicht hinnehmen, Europas Libanon zu werden", sagte indes der griechische Innenminister Ioannis Mouzalas. Er drohte, auch Athen könne in der Flüchtlingskrise nicht abgestimmte Maßnahmen ergreifen.

Eine europäische Lösung wird nicht zuletzt durch die Ankündigung von Ungarns Premier Viktor Orban erschwert, in seinem Land ein Referendum über die Verteilung von Flüchtlingen durchzuführen. Zwar hat die EU im Herbst eine EU-weite Umverteilung von 160.000 Asylbewerbern aus Griechenland und Italien beschlossen, doch wurden de facto erst weniger als 600 in andere EU-Staaten verbracht.

Klärung von Ungarn

Die EU-Kommission wartet auf eine Klärung über das von Ungarn geplante Referendum zu Flüchtlingsquoten. Eine Sprecherin erklärte am Donnerstag in Brüssel, "wir haben über diese Idee gelesen". Sie könne noch nicht sagen, ob dies mit den EU-Verträgen übereinstimme.

Auf der Tagesordnung des EU-Innenministerrats stehen ausschließlich die Migrationsagenda und alle damit zusammenhängenden Fragen. Die Innenminister wollen einen Verordnungsvorschlag für eine Änderung des Schengen-Grenzkodex für systematische Kontrollen an Flughäfen angenommen werden. Dabei werden diese systematischen Kontrollen auch für EU-Bürger aber erst frühestens ab 2017 kommen. Manche EU-Staaten wollen wegen technischer Anpassungen noch eine Verschiebung um sechs bis zwölf Monate - in dieser Zeit sollen zielgerichtete Risikokontrollen weiterhin möglich sein.