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Warum der Fall Dutroux Belgien nicht loslässt

Von nachrichten.at/apa, 13. August 2016, 09:58 Uhr
Marc Dutroux
Marc Dutroux Bild: (Reuters)

CHAERLEROI. Sechs Mädchen und junge Frauen hatte der Belgier Marc Dutroux in den 90er Jahren bei Charleroi entführt, in einem Kellerverlies gefoltert und vergewaltigt. Vier von ihnen starben.

  • Vor zwanzig Jahren, am 13. August 1996, wurde Marc Dutroux verhaftet. Mit seiner Festnahme ging der Polizei einer der grausamsten Kindermörder der vergangenen Jahrzehnte ins Netz.
  • Die Affäre Dutroux traumatisiert Belgien bis heute, vor allem das Versagen von Polizei und Justiz trieb die Menschen auf die Barrikaden.

 

Sechs Mädchen und junge Frauen hatte der Belgier in den 90er Jahren bei Charleroi entführt, in einem Kellerverlies gefoltert und vergewaltigt. Vier von ihnen starben.

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"In dieser Affäre ist er, schlimm genug, zur Hauptrolle verurteilt."

Julien Pierre, Dutroux' ehemaliger Anwalt

Nach Angaben eines seiner früheren Anwälte hatte Dutroux eine "riesige Zahl" von Kindern in seine Gewalt bringen wollen. Dutroux habe ihm einmal erzählt, dass er in stillgelegten Bergwerksstollen bei Charleroi eine "unterirdische Stadt" für seine Opfer einrichten wolle, wo sie in "Harmonie und Sicherheit" leben sollten, sagte Julien Pierre. Der Anwalt hatte Dutroux nach seiner Festnahme im Jahr 1996 und bis ein Jahr vor seiner Verurteilung im Juni 2004 vertreten. Pierre hatte die These von hochrangigen Hintermännern in der Affäre stets zurückgewiesen. Nach seiner Darstellung handelte Dutroux allein: "In dieser Affäre ist er, schlimm genug, zur Hauptrolle verurteilt", sagte der Anwalt.

2004 bekam der heute 59-Jährige eine lebenslange Freiheitsstrafe. Immer wieder versucht er, vorzeitig freizukommen - bisher vergeblich. Selbst seine Mutter sprach sich in einem Interview gegen eine vorzeitige Entlassung aus. Seine Komplizin und Ex-Frau ist mittlerweile frei.

 

Dutroux
2004 - Dutroux mit Halskrause vor Gericht Bild: EPA

Chronologie

24. Juni 1995: Eine Entführungsserie beginnt. Die vier Mädchen Julie (8) und Melissa (8) verschwinden spurlos, am 22. August auch An (17) und Eefje (19). Sie sterben in Dutrouxs Kellerverlies.

28. Mai 1996: Die zwölf Jahre alte Sabine verschwindet in Kain, ungefähr 85 Kilometer südwestlich von Brüssel.

9. August 1996: Die 14-jährige Laetitia wird in ihrem Heimatort Bertrix im Süden von Belgien entführt.

13. August 1996: Dutroux, seine Frau und ein Komplize werden festgenommen.

15. August 1996: Nach Geständnissen des Komplizen und von Dutroux werden Laetitia und Sabine aus Dutrouxs Keller befreit.

20. Oktober 1996: In Brüssel bekunden fast 300.000 Teilnehmer beim "Weißen Marsch", der größten Demonstration in der Geschichte Belgiens, ihre Solidarität mit den Eltern der entführten Mädchen.

23. April 1998: Dutroux flüchtet bei einem Gerichtstermin in Neufchateau und wird drei Stunden später in einem Wald gefasst.

1. März 2004: Der Mordprozess gegen Dutroux und drei Mitangeklagte beginnt in Arlon.

22. Juni 2004: Das Gericht verurteilt Dutroux zu lebenslanger Haft. Seine damalige Frau erhält als Mittäterin 30 Jahre Gefängnis.

15. Dezember 2004: Dutroux scheitert mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Prozesses. Seine Verurteilung ist rechtskräftig.

17. Jänner 2005: Aus Protest gegen seine Haftbedingungen tritt Dutroux in den Hungerstreik, den er nach zwei Tagen beendet.

31. Juli 2012: Ein Gericht entscheidet, dass Dutrouxs Frau vorzeitig freikommt und künftig in einem Kloster leben darf.

28. August 2012: Ein Berufungsgericht lehnt den Widerspruch von Opferfamilien ab. Die Frau kommt nach 16 Jahren vorzeitig frei, steht aber weiter unter Aufsicht der Justizbehörden.

14. September 2012: Dutroux stellt einen Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis.

18. Februar 2013: Die Brüsseler Haftprüfungskammer lehnt Dutroux Antrag ab, seine restliche Strafe mit einer elektronischen Fußfessel im Hausarrest abzusitzen.

 

Weißer Marsch Brüssel 1996
Im Oktober 1996 erinnert ein "Weißer Marsch" an das Schicksal der Opfer. Bild: Reuters

Sumpf an Schlamperei

Der Fall beschäftigt Belgien auch deshalb so sehr, weil es zahlreiche Justiz-Pannen gegeben hat. In den 80er Jahren saß Dutroux schon einmal wegen Vergewaltigung von fünf Frauen im Gefängnis. Nach drei Jahren kam er wegen guter Führung frei - dabei hatten Experten vor dem Mann gewarnt. Sie sollten recht behalten.

Später, nach seiner Verhaftung, gelang ihm bei einem Gerichtstermin für ein paar Stunden die Flucht. In der Verhandlung gestand Dutroux nur, was ihm nachzuweisen war.

Der Journalist Piet Eekman recherchierte in der ZDF-Reportage "Die Spur der Kinderschänder", dass mehr als zwanzig Zeugen unter mysteriösen Umständen gestorben waren. Verschwörungstheorien ließen da nicht lange auf sich warten.

 

 

Ermittlungen behindert?

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"Ich denke jeden Tag an das, was er diesen armen Kindern angetan hat."

Marc Verwilghen, ehemaliger belgischer Justizminister

Hundertprozentig ist der Fall auch heute nicht aufgeklärt. Immer wieder wurden die Ermittlungen von Justiz-Pannen geplagt. Im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" behaupteten der ehemalige belgische Justizminister Marc Verwilghen und der früher Chefankläger Michel Bourlet, während der Ermittlungen behindert worden zu sein. "Ich wurde immer wieder gestoppt", sagt Verwhilgen, der zwei Untersuchungsausschüsse zum Thema geleitet hatte.

So seien die Verbindungen von Dutroux zu einem großen internationalen Kinderschänder-Netzwerk bis heute nicht abschließend geklärt. "Ich verstehe nicht, warum die Ermittlungen, die ich gefordert habe, nicht geführt wurden", sagt Bourlet. Auch Ex-Justizminister Verwhilgen habe nach eigener Aussage immer wieder neue Ermittlungen gefordert – ohne Erfolg. "Ich denke jeden Tag an das, was er diesen armen Kindern und auch meinem Land angetan hat", sagt der Ex-Justizminister.

Aufarbeitung im TV und Theater

In Belgien wird die Affäre zu einer der "dunklen Episoden der jüngeren Geschichte" gezählt, wie etwa die Nachrichtenagentur Belga schreibt. Dieses "Dunkle" reizt aber nicht nur die Medien - die belgische Auseinandersetzung findet längst auch im Serienprogramm und auf der Bühne statt.

Eine Geschichte eines Sexualstraftäters, der Nachbarn in Schrecken versetzt und Ermittler an ihre Grenzen bringt, können sich die Belgier zu Hause im Fernsehen anschauen. Die Macher der von Kritikern gelobten Serie "Ennemi public" - Staatsfeind - des Senders RTBF haben sich von dem Fall Dutroux inspirieren lassen.

Eine ungewöhnliche Form der Auseinandersetzung, mit der er sich nicht nur Freunde machte, fand der Schweizer Theater-Regisseur Milo Rau. Er inszenierte die Geschichte von Dutroux im Mai für ein Festival in Brüssel. Seine Schauspieler waren bis auf einen Erwachsenen ausschließlich Kinder.

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