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Hirn auf Hochtouren: "Es gibt keine Wunderpille"

Von Valentina Dirmaier, 09. März 2017, 10:30 Uhr

Hirndoping: Über den Mythos, das Gehirn mit Hilfe von legalen oder illegalen Substanzen zu Höchstleistungen zu treiben.

  • Die Wirkung von psychostimulierenden Substanzen im Prüfungsstress
  • Suchtexperte Kurosch Yazdi rät zu Schlaf und lebenslangem Lernen statt Doping. 

Interview

Die letzten Nächte waren kurz, die Arbeit ist zeitintensiv und die anstehenden Aufgaben werden schwer. Um halbwegs durch den Tag zu kommen, bleiben entweder der Griff zum Energydrink oder der zu Kaffee.

Weil ich Ersteres aus Gründen meiner Gesundheit und nach schlechten Erfahrungen verweigere, bleibt nur Zweiteres übrig. Also das schwarze Gold, wie meine Kollegin den Koffeinschock gerne bezeichnet. Weil aber der leere Magen beim Kleinen Schwarzen frühmorgens streikt, wird das Apothekerschränkchen inspiziert. Der Muntermacher in Form einer kleinen, weißen, runden und unscheinbaren Tablette soll mich durch den Tag bringen. 100 Milligramm Koffein auf sechs Millimeter gepresst, und meine Müdigkeit hat Pause. Für Stunden. Dann wird der erste Kaffee fällig.

Drei Tage später hilft auch die Tablette nicht mehr wirklich. Ich bin müde, der Kopf ist schwer, und das Gehirn ist lange nicht auf Hochtouren. Warum, erklärt Primar Kurosch Yazdi, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am Kepler Universitätsklinikum, im Gespräch:

Kurosch Yazdi Bild: (Wakolbinger)

OÖN-Campus: Primar Yazdi, warum funktionieren Koffeintabletten nur bedingt, und fällt die Einnahme schon unter Hirndoping?

Naja, es kommt darauf an. Nehme ich die Tabletten ausschließlich, um die Müdigkeit wegzubekommen, oder auch, um leistungsfähiger zu werden? Trifft Letzteres zu, dann würde die Einnahme theoretisch unter Doping fallen.

Ändert sich durch die Einnahme etwas an der Merkfähigkeit?

Nein. Und wenn ich von Koffeintabletten spreche, dann sind das Aufputschmittel, die machen aber die Merkfähigkeit nicht besser. Mein Gehirn ist ja müde, der Körper glaubt, dass er wach ist. Legale Wachmacher kann ich bei Arbeiten, die keine Denkfähigkeit verlangen, nehmen. Aber nicht, wenn ich mir etwas merken soll.

Also nichts für Studenten, die tagelang rund um die Uhr lernen.

Es bringt überhaupt nichts, weil ich unbedingt Schlaf brauche, um das Gelernte abzuspeichern. Erst im Schlaf wandert das Wissen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis, was wir als Konsolidierung des Gedächtnisses bezeichnen.

Was passiert, wenn ich immerwährend Aufputschmittel nehme und lerne, statt zu schlafen?

Stundenlanges Lernen ist zwecklos. Die Informationen sind nach kurzer Zeit wieder futsch. Das ist sinnlos.

Können Drogen beim Lernen helfen?

Sie können die Angst vor Prüfungen nehmen. Aber ich sollte mir dann eher die Frage stellen, warum ich Angst habe und was mich an der Leistungsfähigkeit hindert.

Sie leiten am Kepler Uniklinikum die Abteilung Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin. Wie häufig sind Studenten bei Ihnen in Behandlung?

Wir haben keine Studien dazu. Aber meinem Empfinden nach haben viele Philosophie-Studenten, die in Wien studieren, aber in Oberösterreich leben und bei uns behandelt werden, Probleme mit Cannabis. Es scheint nach wie vor eine Intellektuellen-Droge zu sein.

Wie verbreitet ist der amerikanische Trend zu "Microdosing", bei dem täglich Kleinstmengen von LSD genommen werden, um produktiver zu sein?

Nicht sehr. Aber so neu ist Microdosing nicht. Hat es nicht früher auch schon geheißen, dass ein Achterl Rotwein gut fürs Herz ist? Was nicht stimmt. In puncto Trend haben wir es aber mit einem neuen Phänomen zutun.

Welchem Trend?

Derzeit boomen bei jungen Leuten Bestellungen von Spices oder Badesalzen übers Internet. Das sind Cannabinoide, die im Labor in China oder Großbritannien künstlich hergestellt werden. Die werden per Post geliefert. Keiner unternimmt ernsthaft etwas dagegen.

Zurück zu den vermeintlichen Hirnboostern. Was ist mit Arzneimitteln wie Ritalin, das Menschen mit Aufmerksamkeits- Defizit-Syndrom verschrieben wird?

Sie wirken ähnlich wie Amphetamine und helfen nur Hyperaktiven, sind aber kein Hirndoping. Und wie bei allem entwickelt der Körper eine Toleranz. Plötzlich wird die Substanz normal, ohne geht’s nicht mehr, wenn ich es nicht nehme, habe ich Entzugserscheinungen und bin süchtig.

Wie lange dauert es, bis ich von Ritalin abhängig werde?

Wochen oder Monate. Bei Heroin oder Crystal Meth dauert es nur Wochen, bei Nikotin und Cannabis länger. Leider ist der Übergang wahnsinnig fließend.

Also zusammenfassend: Ich kann die mentale Leistung mithilfe von Pillen nicht optimieren.

Nein. Es gibt keine Wunderpillen. Und durch keine Medikamente der Welt kann man die eigene Hirnleistung oder die Intelligenz boosten. Aber man kann sie trainieren.

Wodurch?

Durch immerwährendes Lernen. Egal welches Fach, welche Thematik. Mathe, Musik, Wirtschaft. Der Grundstock der Intelligenz ist angeboren, aber das Gehirn funktioniert wie ein Muskel. Wenn ich es nicht verwende, verliert es an Leistung. Das bedeutet, Student sein ist ideal für unser Gehirn, weil es ständig trainiert wird. Das beugt in weiterer Folge auch Demenz vor.

Also ist Lernen Ihrer Meinung nach das beste Doping für unser Gehirn?

Ja!

 

7 Tipps

Wie unser Gehirn ideal genutzt wird
Jörg Krenmayr Bild: (privat)

Wie unser Gehirn ideal genutzt wird

Wie der Mensch seinen Verstand richtig nutzt und die Gehirnleistung steigert, wissen die wenigsten. "In uns schlummert so viel leeres Potential. Unser Gehirn ist wie ein Werkzeug. Wir müssen erst verstehen und lernen, wie man damit umgeht", sagt Jörg Krenmayr. Der Hörschinger ist vehement gegen den Einsatz von Chemie, um die Leistung zu steigern, wie der JKU-Gastdozent in seinen Vorlesungen immer wieder betont. Denn die Wirkung sei nur kurzfristig, das Gehirn stelle sich auf die Wirkung schnell ein, dann müsse man die Dosis erhöhen.

Stattdessen gibt Krenmayr Tipps, die er selbst während seines Studiums befolgte und mit denen er seinen IQ von knapp 100 mit 16 Jahren auf über 145 mit 24 steigerte. "Leider ist Bildung heute Wissensvermittlung, anstatt den Menschen beizubringen, wie das Wunderwerk unter der Schädeldecke tickt und eingesetzt werden kann."

Sieben Tipps
 

  1. Upside down: Sich zuerst einen Überblick über das Lernthema verschaffen, Hauptaussagen finden, sich selbst Fragen zum Thema stellen und auf diese den Inhalt scannen. Die wichtigsten Schlüsselworte aufschreiben. Wenn diese ausreichen, den Inhalt zu behalten, braucht man nur mehr die Schlüsselworte zu wiederholen.
     
  2. Fokus: In einem definierten Zeitfenster alles abschalten, was ablenkt, und die Gedanken, wenn sie abdriften, sofort aufs Thema zurücklenken.
     
  3. Vorsatz: Wir sollten einfach unser Bestes geben und nicht Energie mit Gedanken verschwenden, ob wir durchfallen oder triumphieren.
     
  4. Konzentration: Die Bündelung der Aufmerksamkeitsenergie kann durch Tai-Chi und ähnliche Bewegungslehren verbessert werden.
     
  5. Ausdauer: Leichter Ausdauersport verbessert die Sauerstoffversorgung des Gehirns und erhöht die Dauer hoher Lernintensität.
     
  6. Pausen: Die Regeneration ist ebenso wichtig – entspanne mit gutem Gewissen nach fokussiertem Lernen.
     
  7. Schlaf: Regelmäßige Schlafenszeiten erleichtern dem Gehirn die Verarbeitung des Gelernten. Vor dem Zubettgehen sollte das wiederholt werden, was man sich schwer merkt.

 

Mythos oder Wahrheit

Mythos oder Wahrheit?

 

Lernen Körper und Geist mit Energydrinks, Kaffee oder Tabletten besser für Prüfungen?

Energydrinks

Von den Wachmachern aus der Dose raten viele ab: Trotz des hohen Koffeingehalts – der Marktführer versetzt sein Getränk mit 30 Milligramm auf 100 Milliliter – sind zu viel Zucker und Phosphate, die schädlich für den Magen sind, enthalten.

Eine Alternative, auf die immer häufiger zurückgegriffen wird, ist das Fruchtsaftkonzentrat Headstart. Jürgen Strittl, einst Profi im Bogenschießen, hat dieses Produkt vor 17 Jahren entwickelt, das die Konzentration langfristig erhöhen und gleichzeitig Stress reduzieren soll. Basis seines Getränks, das er keinesfalls als Hirndoping bezeichnen will, ist Fruchtzucker. Abnehmer sind laut Strittl vor allem Profisportler wie Eishockeyspieler, Fußballer und Leichtathleten, auch immer mehr Wirtschaftsunternehmen würden für Headstart Interesse zeigen. "Durch unser Mehrwertgetränk kann man für fünf bis sechs Stunden zusätzlich Energie bereitstellen. Es funktioniert wie Treibstoff, das ein Auto mit leerem Tank wieder zum Fahren bringt. Aber man kann trotzdem keinen Esel zum Rennpferd machen", sagt Erfinder Strittl, der inzwischen auch Studenten und Schüler zu seinem Kundenkreis zählt. Seine Produkte gibt es flüssig oder als Pulver zum Selbermischen.

 

Kaffee
Unmengen an Kaffee und grünem Tee ebenfalls schädlich für den Körper Bild: Weihbold

Kaffee, Tee

Die Dosis macht das Gift. Obwohl legal, sind Unmengen an Kaffee und grünem Tee ebenfalls schädlich für den Körper. Aber was ist ungesund? Suchtexperte Kurosch Yazdi will sich auf keine genaue Menge beziehen. Nur: "Ich warne vor Berichten, die besagen, dass täglich ein bestimmtes Maß an Kaffee gesund ist. Gegen eine Tasse ist nichts einzuwenden, aber gesund ist es nicht."

Manuel Selg, Professor für Molekularbiologie an der FH Wels, hat sich u. a. mit dem Koffeingehalt von grünem Tee befasst. "Es hängt natürlich ganz stark von der Menge ab, aber meistens sind in 100 Milliliter zwischen 25 und 40 Milligramm Koffein enthalten."

(Symbolbild) Bild: colourbox.com

Tabletten

Arzneimittel haben ein hohes Potential für Missbrauch, sagt Christoph Baumgärtel. Der Arzneimittelgutachter von der AGES Medizinaufsicht kann zwar keine genauen Zahlen nennen, weil keine Studien vorliegen, bestätigt aber die Verwendung von Tabletten als Hirndoping. "Ritalin und Modafinil zur Behandlung von Narkolepsie (Anm.: Schlafsucht) sind hochwirksam und weit verbreitet."

Und das, obwohl diese Medikamente apothekenpflichtig sind. Das psychostimulierende Medikament Modafinil, das gegen extreme Schläfrigkeit eingenommen wird und ähnlich wie Amphetamine aufgebaut ist, kann für 116 Euro in der 30-Tabletten-Schachtel erworben werden. Das Mittel ist jedoch nur für Patienten mit einem speziellen Rezept für Suchtgiftmittel erhältlich. In Österreich wird zwischen fünf Abgabearten unterschieden, wie Baumgärtel erklärt. Stufe eins sind harmlose Mittel wie Vitaminkapseln, die in Drogeriemärkten erhältlich sind. Stufe fünf sind Mittel, die mit Drogen gleichzusetzen sind.

Unter diese Abgabeverordnung fällt auch das wesentlich günstigere Präparat Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Eine Packung mit 15 Tabletten à 20 Milligramm des Wirkstoffs kostet lediglich 15 Euro.

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