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Ein Tag mit Franz Joseph

04. Juni 2016, 00:05 Uhr
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Bildergalerie Ein Tag mit dem Kaiser
Bild: (Landesgalerie Linz)

Franz Joseph sah in Bad Ischl viel mehr als nur eine Sommerresidenz. Das Städtchen war für den Kaiser auch ein privater Rückzugsort. Edmund Brandner begleitete den Kaiser einen Tag lang.

  • Franz Joseph sah in Bad Ischl viel mehr als nur eine Sommerresidenz. Das Städtchen war für den Kaiser auch ein privater Rückzugsort.
  • Edmund Brandner begleitete den Kaiser einen Tag lang.

In den 88 Lebensjahren des Monarchen gab es nur sechs, in denen er die Sommerfrische nicht in Bad Ischl verbrachte. Sonst weilte der Kaiser jeden Sommer im Salzkammergut. Hier spielte er als Kind, hier verlobte er sich, hier ging er zur Jagd, und hier hatte er die eine oder andere Affäre. Denn eigentlich war Franz Joseph auch nur ein Mensch.

 

3:30 Uhr – Der Kaiser erwacht

Mit den Worten "lege mich eurer Majestät zu Füßen" weckt Leibkammerdiener Eugen Ketterl den Monarchen. Ein Leibmasseur badet anschließend den Kaiser. Franz Joseph grantelt, weil Regentropfen über die Fenster der Kaiservilla laufen. Die für Nachmittag angesetzte Jagd wird wohl nasskalt.

Vor dem ersten Frühstück um 5 Uhr steht das Frühgebet an. Wer Kaiser ist von Gottes Gnaden, sollte Dankbarkeit erweisen. Während Franz Joseph auf seinem Betschemel den Rosenkranz flüstert, fragt er sich, welche Büchsen Regen am besten vertragen.

6:00 Uhr – Akten abarbeiten

Auf dem Schreibtisch des Kaisers stapeln sich die Eingänge: Gnadengesuche, Bittschriften, Depeschen, Gesetzesvorlagen. Alles in Schönschrift, versteht sich. Nur Rittmeister von Bülow erdreistete sich, einen maschinengeschriebenen Manöverbericht zu senden. "Wer keine Handschrift hat, hat keinen Charakter", grummelt der Kaiser und weist das Papier zurück.

9:00 Uhr – Heute keine Schratt

Eine Briefbotschaft der Schratt wird überreicht. Sie sei heute unpässlich, lässt sie Franz Joseph wissen, er möge doch morgen oder noch besser erst übermorgen auf einen Gugelhupf zu ihr kommen.

Grimmig geht er im Regen spazieren, unauffällig begleitet von Agenten der "Geheimen". Am Traunufer kommt ihm ein adrettes Mäderl entgegen und errötet wunderbar. "So ein schöner Anblick", sagt er galant und hört nicht, was sie stammelnd antwortet. Morgen ist sie sicher wieder da, denkt er sich.

In Ischl wird laut Polizei gemunkelt, der Kaiser hätte mehr als 80 Kinder in der Gegend. Franz Joseph fühlte sich geehrt, als er das hörte, glaubt es aber nicht. Die Kinder, von denen er weiß, wurden jedenfalls allesamt gut versorgt. Die Buben kamen in die Forstbetriebe, die Mädchen in gute Häuser. 

11:00 Uhr – Diese Ischler

Der Bürgermeister von Bad Ischl erhält Audienz in der Kaiservilla und trägt dem Kaiser die Bitte vor, seine Majestät möge ein Spital im Ort errichten. Man könnte es ja Kaiserin-Elisabeth-Spital nennen, sagt er schlau. Er ist ein Liberaler, vor kurzem wäre er sicher noch ein Umstürzler gewesen. Aber Franz Joseph lässt seinen Ärger nicht erkennen. Das wäre disziplinlos.

Manchmal weiß er einfach nicht, wie er mit der Respektlosigkeit der Leute hier umgehen soll. Vor kurzem flüchtete sich ein Kutscher während eines Regengusses glatt zu ihm in den Wagen. Franz Joseph musste ihn hinauskomplimentieren. Und jetzt verabschiedet sich der Bürgermeister nur mit einer einzigen Verbeugung und dreht ihm beim Verlassen des Raumes auch noch den Rücken zu. Weiß er nicht, dass laut Hofprotokoll drei Verbeugungen Vorschrift sind? Und dass man den Kaiser rückwärts gehend zu verlassen hat? Andererseits gefällt dem Kaiser die Unbekümmertheit und Direktheit der Einheimischen. Manche Salzarbeiter wären schneidig genug für meine Armee, denkt er oft. Man hätte sie bei Manövern in der Vojvodina lieber an der Seite als so manches verweichlichte Bürschlein aus besserem Stand.

13:00 Uhr – Endlich zur Jagd

Nach einem einfachen Mittagessen (Suppe mit Rindfleisch und Spatenbier) geht es endlich zur Jagd. Die Gesellschaft fährt im Sonderzug nach Ebensee, Franz Joseph in seinem Hofwaggon. Weil er seine Ruhe haben will, wurden die Ebenseer zuvor angewiesen, auf jegliche Begrüßung und Jubel zu verzichten, wenn der Kaiser in der Kutsche vom Bahnhof zum Langbathsee fährt.

Franz Joseph liebt es, bei der Jagd einfache einheimische Tracht zu tragen, und es ist ihm wichtig, dass sie abgetragen ist. Obwohl es regnet und kalt ist, hat er die Kurze an und alte Stutzen. Wer seine nackten Knie bedeckt, ist kein richtiger Jäger, sagt er sich. Um so ärgerlicher findet er die langen Unterhosen, die bei Graf Paar, Freiherr von Kulmer und Graf Mensdorf-Pouilly unter der Hirschledernen hervorlugen.

Am Langbathsee hat Franz Joseph das gottgegebene Privileg, als Erster zu schießen und sich die prächtigsten Hirschen auszusuchen, die Förster durch Gatter an seinem Jagdstand vorbeitreiben. Der Kaiser schießt mit einem Stutzen des Ischler Büchsenmachers Wolfgang Leithner. Zum Zielen reicht ihm sein Leibjäger auch eine Brille. Trotzdem erlegt der Kaiser nur neun Tiere und ärgert sich. Auf diese Art komme ich heuer nicht mehr zu meinem 50.000. Abschuss, sagt er sich.

16:30 Uhr – Rückfahrt

Bei der Rückfahrt nach Bad Ischl muss Franz Joseph an das Mädchen am Traunufer denken. Während er schläfrig im Zug sitzt, stellt er sich vor, wie er langsam auf sie zugeht, vorsichtig ihre Tracht aufschnürt, und wie wunderbar sie dabei erröten würde. Zur Strafe betet er ein Ave Maria und fragt sich, was seine selige Mutter zu solchen Gedanken gesagt hätte. Die Schratt wird er morgen jedenfalls nicht besuchen, sondern an der Traun spazieren gehen. Der Schratt kann man auch schreiben, und es schadet gar nicht, sie einmal warten zu lassen.

18:30 Uhr – Wieder Pflichten

Abends ein kleines Familiendiner in der Villa mit 47 Gästen. Herzogin Maria Annunziata und Großherzogin Alexandra von Mecklenburg-Schwerin berichten von einem neuen Stück an der Burg und geraten dabei in Streit. Der Kaiser langweilt sich am Kopfende der Tafel zu Tode. Wen interessieren Theaterstücke, fragt er sich. Franz Joseph sehnt sich zurück zu seinen Jägern. Und noch mehr zu seinen Soldaten. Er weiß: Die Literaten wird man morgen schon vergessen haben. An die stolzen Leistungen der k. u. k. Armee wird man sich hingegen immer erinnern. Der Monarch zündet sich zum Cognac eine Virginia an.

21:00 Uhr – Gute Nacht

Am Abend nimmt Dr. Kerzl die tägliche Visite vor, diagnostiziert Verstopfung und verschreibt dem Kaiser deshalb Rhabarbertropfen. Er erzählt dem Monarchen nebenbei, dass kaiserlichen Jägern in Bad Goisern heute ein Wildschütz knapp entwischt ist, und Franz Joseph ärgert sich ein letztes Mal an diesem Tag.

Vor dem Einschlafen flüstert der Monarch noch ein Vaterunser. Er versüßt seine letzten Gedanken mit der Vorstellung an die Jagd am Offensee am nächsten Tag. Und fragt sich, ob das Mädchen an der Traun sich in der Früh ein wenig herausputzen wird für ihn.

 

Treue Bad Ischler: Kaiserpark, Franz-Josef-Straße, Kaiservilla, Kaiserstandbild und Kaiserfest. Der alte Monarch ist in Bad Ischl bis heute allgegenwärtig. Die Ischler wissen, was ihm ihre Stadt verdankt. Sein Geburtstag am 18. August wird alljährlich groß gefeiert.

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1  Kommentar
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EdwinHemingway (887 Kommentare)
am 04.06.2016 07:58

Der Artikel war sehr schön und hat mich sehr gefreut......

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