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Die Gipfel der Gefühle

Von Gabriel Egger, 27. August 2016, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Bergsommer
Bergsommer  Bild: Gabriel Egger

Gemeinsam über den Dingen stehen, Sorgen und Ängste vergessen, glücklich sein. Die Liebe zu den Bergen verbindet. Doch sie kann auch trennen.

  • Die Berge geben alles und nehmen viel. Vor allem Zeit.
  • Müssen für eine harmonierende Partnerschaft beide am selben Seil hängen, oder reicht das Glück bis auf den Talboden?

Qual der Wahl

Sie hat ihn verlassen. Ganz still, aber nicht heimlich. "Es ist vorbei, ich will das nicht mehr", hat sie gesagt. So bestimmt, dass kein Raum für Zweifel blieb. Mit ihren braunen Augen, ganz glasig von den Tränen, die sie nicht zeigen wollte. Genauso wie sie es immer mit Wut und Trauer gemacht hat, wenn einmal wieder alles andere wichtiger war. In Gedanken ist er gefallen. Zuerst aus den Wolken, dann auf den Boden der Tatsachen. Fünf Jahre ist alles gut gegangen. Oder ist nur er gut gegangen? Vor der Arbeit, nach der Arbeit, am Wochenende sowieso, und wenn irgendwo dazwischen Zeit blieb, war der Griff zum Rucksack schneller als der auf die Kurzwahltaste. Das Wetter war schließlich schön, "das musst du doch verstehen". Hat sie. Die ersten paar Wochen lang. Bis es Monate wurden und der Egoismus die Gemeinsamkeit überflügelte. "Selber schuld, wenn sie so unsportlich ist."

Die Qual der Wahl

Prioritäten zu setzen ist schwer. Gerade in unserer von Hektik geplagten Gesellschaft. Freizeit ist Luxus, und Luxus kann sich nicht jeder leisten. Der Bergsport ist so zeitintensiv wie kaum ein anderer. Es besteht ein großer Unterschied zwischen "Schatz, ich laufe eine Runde um den Block" und "Schatz, ich besteige den Großglockner. Komme in drei Tagen wieder." Das ist spätestens bei der Reaktion ersichtlich. Bei Ersterem wird man sich kaum böse Blicke einfangen, Zweiteres wird zumindest eine Diskussion hervorrufen.

Die Gipfel der Gefühle
Wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, ist das Gefühl in den Bergen am intensivsten.

 

Wer die Ungezwungenheit der Bergwelt nicht fühlt, kann das nicht verstehen. Da kann der Bergsteiger auch niemandem einen Vorwurf machen. Aber an diesem Punkt beginnt die innere Zerreißprobe. Wo stecke ich zurück? Will ich überhaupt zurückstecken? Tue ich mir selbst leid, wenn draußen die Sonne scheint und ich händchenhaltend durch die Gassen der Stadt spaziere? Die Körper vereint, die Geister getrennt. Der Partner merkt die innere Unruhe. Wie unangenehm muss es sein, gegen einen Haufen Steine zu verlieren? Der Teufelskreis endet dort, wo der eine dem anderen nachgibt, um ihn nicht zu verlieren, und sich dabei selbst ein Stück weit aufgibt. Dann sind schnell beide einsam – gemeinsam. Jemanden zu seinem Glück zwingen? In den meisten Fällen ganz schlecht. Sich verstellen und gute Miene zum bösen Spiel machen? Auch nicht besser.

Und wenn alles vorbei ist, fühlt man sich im besten Fall frei. Von jeglichen Zwängen, von schlechtem Gewissen, von der Maßregelung. Aber war es das wert? Berge werden den Menschen niemals Zuneigung zeigen. Man sitzt am Gipfel, fühlt sich von allem befreit. Minutenlang, vielleicht eine Stunde. Doch das wirkliche Leben spielt sich unten im Tal ab. Davor flüchten wir, um genau dorthin wieder zurückzukehren. Mit anderen Perspektiven, anderen Gefühlen, anderen Gedanken. Das Schönste am Bergsteigen ist das Nachhause-kommen. Umso schöner, wenn dort jemand auf einen wartet, der nach einem kalten Tag auf dem Gletscher mit einer Umarmung die Wärme zurück in den Körper bringt. Noch schöner, wenn das bereits am Gipfel passiert ist.

Liebe auf höchster Stufe

Liebe auf höchster Stufe

Wie bei Daniela und Philip. Die Linzerin und der Ischler haben sich dort kennen und lieben gelernt, wo sie auch jetzt die meiste Zeit miteinander verbringen: im Gebirge. Zuvor waren beide, trotz Partnerschaften, alleine durch die Berge gestreift. War es eine Suche nach dem Glück? "Nein, ich habe einfach das gemacht, was mich erfüllt hat", sagt Daniela. Auf dem Großen Barmstein im Salzburger Land ist Philip in ihr Herz geklettert. Ganz zufällig, kein Date, nur eine gemeinsame Leidenschaft. Jetzt sind die beiden ein dynamisches Duo. Auch weil der Ischler nicht lockergelassen hat, um die Gunst der 32-Jährigen kämpfte.

Die Gipfel der Gefühle
Die Linzerin und der Ischler blicken in dieselbe Richtung. Auch Entspannung gehört zum Alltag.

Eine unzertrennliche Seilschaft, die nicht nur in den Bergen vereint ist. Sightseeing, kulturelle Reisen, gemeinsame Besuche bei Freunden oder ein verregneter Sonntag auf der Couch gehören genauso zum Freizeitprogramm. Einen Zwang, auf Berge zu steigen, spüren sie nicht. Ausgewogenheit sei das Geheimnis. Der eine fängt den anderen auf, wenn er fällt. Nicht nur beim Klettern in den Wänden der Alpen. "Erlebnisse mit jemandem zu teilen, ist grundsätzlich schöner. Es sind Erinnerungen, mit denen wir Emotionen verbinden", sagt Daniela, die mit ihrem Philip an den Fuße des Untersberges nach Grödig gezogen ist. Dort können die beiden auch ganz spontan aufbrechen, um einen Sonnenuntergang auf dem Gipfel zu erleben – Umarmung inklusive.

Die Gipfel der Gefühle
Daniela und Philip auf dem höchsten Gipfel des "Wilden Kaiser", dem Ellmauer Halt.

Flucht nach vorne

Die Flucht nach vorne

Johannes Leeb umarmt niemand, wenn er nach einer langen Bergtour erschöpft seine Schuhe ins Eck stellt. Seit 25 Jahren lebt der 49-Jährige alleine in einer kleinen Wohnung in Linz. Immer nur sporadisch, denn bis vor kurzem war der gebürtige Steyrer auch im Berufsleben ein Wandervogel. Zeit für ernsthafte Beziehungen blieb nicht. Anfangs war das kein Problem, mit der Zeit aber machte sich Ernüchterung breit. "Spaß macht das nicht unbedingt. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Irgendwann wird es normal", sagt der passionierte Bergsteiger. Um aus dem selbstproduzierten Kokon auszubrechen, schulterte er den Rucksack, schnürte die dicken Bergschuhe und machte sich auf zu seiner ersten Wanderung. Das war vor mehr als fünf Jahren. Ihm wuchsen Flügel. Auch wenn er in den Bergen immer noch alleine war, kehrte das Lebensgefühl zurück. "Die Berge waren ein Anker, etwas, an dem ich mich festhalten konnte", erzählt er. Immer öfter, immer intensiver trat er die Fahrt ins Gebirge an. "Ich glaube man kann das gut mit einer Sucht vergleichen. Dieses Gefühl auf dem Gipfel will ich immer wieder haben." Dafür würde er auch auf vieles verzichten. Zum Beispiel auf eine Partnerschaft.

Die Gipfel der Gefühle
Johannes Leeb steigt zumindest zweimal wöchentlich in die Höhe – meist alleine.

 

Das Wochenende ist immer noch für die Felsen des Landes reserviert. Das werde auch so bleiben. "Ich denke, es ist nur wirklich sinnvoll, wenn jemand in diese Richtung tickt", verwirft er den Gedanken an eine Frau Leeb nicht sofort. Ob er alleine loszieht oder mit einem seiner Bergfreunde, sei ihm "ziemlich egal". Und beim Heimkommen? "Lasse ich die Gedanken im Gebirge." EIne Flucht nach vorne, die ihn nicht immer vor einsamen Momenten bewahrt. Die Berge sind nur zum Puffer geworden. Für Johannes sind sie Schale und Inhalt des Lebens. Bei möglichen Beziehungen gibt es für ihn nur mehr einen Dreier. Mann, Frau, Bergliebe.

Das Leben ist ein Kompromiss

Auch wenn die perfekte Beziehung zum Berg schmackhaft wäre, ein Rezept gibt es nicht. Doch mit den Bergen und Hügeln unseres Landes verhält es sich nicht anders als im gesellschaftlichen Alltag. Kompromisse sind unausweichlich, auch wenn wir sie lange hinauszögern können. Niemand wird mit Felsen glücklich, dafür sind sie zu gefühlslos. Auf der anderen Seite ist auch Verzicht keine Option. Die Lösung liegt in der goldenen Mitte. Gemeinsame Unternehmungen stehen dabei an vorderster Stelle, egal ob auf dem Sandstrand an der Adria oder in den eisigen Flanken der Westalpen. Der Augenblick schweißt zusammen, die Erinnerungen verstärken das Band. Bergsteigen ist kein Mannschaftssport, und dennoch ist Egoismus fehl am Platz. Sonst geht es talwärts – in der Wand und in der Partnerschaft. Genau dort – auf dem Talboden – muss eine Beziehung aber zuerst funktionieren, bevor sie den Gipfel der Gefühle erreichen kann.

Die Gipfel der Gefühle
Intensive Erlebnisse mit jemandem zu teilen, ist ein Privileg. Nicht jeder hat die Chance dazu.
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4  Kommentare
4  Kommentare
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il-capone (10.334 Kommentare)
am 28.08.2016 09:56

der Rapport kommt so rüber, als wenn Berge ein steriles Disney-Stadion wären ...

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jago (57.723 Kommentare)
am 27.08.2016 14:10

Miar khomman die Tränän bei so viel Gäfühl grinsen

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MitDenk (29.558 Kommentare)
am 28.08.2016 09:21

mei liab!!

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Puccini (9.519 Kommentare)
am 27.08.2016 02:42

"Die Linzerin und der Ischler " ist wohl nur symbolisch gemeint.. grinsen
Ganz frauenfrei ist auch Ischel nicht... grinsen

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