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Nicht oben ohne

03. März 2018, 00:04 Uhr
Bild 1 von 35
Bildergalerie Wo der Original Ischler Hut gemacht wird
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Seit 1862 bringt die Familie Bittner den Hut nicht nur unters Volk. Ihr Original Ischler Hut krönte schon das Haupt von Kaiser Franz Joseph I. Bernhard Lichtenberger (Text) und Volker Weihbold (Fotos) haben eine der letzten großen Hutmanufakturen Österreichs besucht.

Er sieht schlapp aus. Noch deutet nichts darauf hin, dass er einmal die höchste Ebene des Menschen erreichen wird – den Kopf. Stumpen wird die gefilzte Unscheinbarkeit genannt, deren Form an die Eierschale erinnert, die einst das gezeichnete schwarze Fernsehküken Calimero behütete. Je nach Modell sind 30 bis 60 einzelne Schritte nötig, um den Rohling in ein modisches Accessoire zu verwandeln, mit dem sich die Träger sehen lassen können.

Seit 1862 ist die Hutmacher-Familie Bittner in Bad Ischl darum bemüht, dass niemand oben ohne auf die Straße gehen muss. Damals eröffnete Franz Bittner seine erste Werkstatt in der Schulstraße. Die Walz hatte ihn zuvor von Schleswig-Holstein nach Meran geführt, wo er die Tochter des Bürgermeisters lieben lernte und mit ihr sein Handwerk ins Salzkammergut verlegte. An Aufträgen fehlte es nicht. Was Rang und Namen hatte, traf sich zur Sommerfrische im Kurort mit europaweiter Strahlkraft.

Und dann war da noch Kaiser Franz Joseph I., der in den warmen Monaten die Geschäfte des Regierens, die Jagdleidenschaft und das Lustwandeln mit der Schauspielerin Katharina Schratt unter einen Hut zu bringen hatte. Bittner belieferte den Hof und bedeckte das gekrönte Haupt des Monarchen.

Das Schicksal hängt an der Tracht

In der Hutmanufaktur am Schutzenbichl legt mit Franz Bittner bereits die fünfte Generation Hand an die Kegel-stumpen. In den Regalen stapeln sich tausend Modellformen aus strapazfähigem Lindenholz. Solche, bei denen Kopf und Rand eins sind, und andere, bei denen Kopf und Rand beliebig miteinander kombinierbar sind. In der Werkstatt hat sich über die Jahrzehnte nicht viel verändert – nur die Mitarbeiterzahl. "In den 60ern und 70ern hat mein Vater noch 50 Leute gehabt. Leider ist die Hutmacherei vom Aussterben bedroht", sagt der 56-jährige Firmenchef. Derzeit sind bei Bittner zwölf Menschen beschäftigt. Das Schicksal der Kopfbedeckung hängt an jenem der Tracht. "Da machen wir jeden Wellenbereich mit, nach oben und nach unten." Je nach Auftragslage verlassen jährlich rund 12.000 Original Ischler Hüte die Manufaktur. Der Billigkonkurrenz setzt man Handarbeit und Qualität entgegen.

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Je nach Modell sind bis zu 60 einzelne Arbeitsschritte nötig, bis ein Bittner-Hut einen Kopf schmücken darf. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Seit geraumer Zeit spürt der Hut ein Hoch. "Junge Leute gehen wieder in Tracht und setzen auch den Hut auf", sagt Kathi Bittner. Da ihr älterer Bruder, Franz VI., derzeit mit den Hüten nichts am Hut hat, vertritt die 27-Jährige in der Dynastie die sechste Generation. Nach der Fremdenverkehrsschule im städtischen Tourismus tätig, ließ sie sich im Familienbetrieb zur Modistin ausbilden.

Die junge Frau schnappt sich einen Stumpen. Den Filz aus Wolle oder Hasenhaaren taucht sie in ein Stärkebad, um ihn zu appretieren, zu steifen, "damit er net bazwoach is". Wasserdampf macht den Rohling dann wieder dehnbar genug, um ihn gut über die Form ziehen zu können. Mit einer Schnur bindet Kathi Bittner die Textilie ab und modelliert sie, bevor das Werkstück für ein bis zwei Tage in die 70 Grad warme Trockenkammer wandert. Danach wird mit einem antiken Bügeleisen, das sich die Hitze von einer Herdplatte holt, das Kronendach eingebügelt, mit der Bürste der richtige Strich frisiert, der Rand abgeschnitten und eventuell umgelegt abgesteppt. Schließlich landet der Kopfschmuck in der Obhut der Modisterei, wo er garniert wird – mit Bändern, Loden, Kordeln, Schleifen, Federn oder gar einem Gamsbart. Der Kunst des Schmückens sind keine Grenzen gesetzt.

Ein asiatisches Paar streift bereits zum vierten Mal hintereinander durch das Bittnersche Verkaufsgeschäft am Auböckplatz 3, um die Regale abzuklappern – Huterwerb als Qual der Wahl. Die Urlauber werfen vor allem ein Auge auf die Garnitur. Ein hübscher Deckel mit feinster Federnverzierung darf schließlich die Reise in den Fernen Osten antreten. "Wir leben stark vom Tourismus", sagt Kathis Mutter Ursula. Die Hälfte der Produktion wird in die ganze Welt exportiert. Musikkapellen und Trachtenvereine kommen bei Bittner unter den Hut, selbst Goldhaubenfrauen möchten zum Dirndl zur Abwechslung bisweilen gut behütet sein. Und auch der Waidmann will bei Hege und Pirsch nicht auf seinen Jagdhut verzichten. Der muss allwettertauglich sein, weshalb er, wie eine Pfanne, teflonbeschichtet ist.

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Je nach Auftragslage verlassen jährlich rund 12.000 Original Ischler Hüte die Manufaktur. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Auch Großkopferten wird geholfen

Bei Hüten, an denen die Regentropfen nicht abprallen, sollte der Träger auf der Hut sein. Nur nicht zum Trocknen auf die Heizung legen oder über den Kachelofen hängen, warnt Franz Bittner. "Denn der Hut verhält sich wie eine Strickweste. Wenn die zu heiß gewaschen wird, geht sie ein. Feuchtigkeit und Hitze tun dem Hut nichts, nur beides zusammen ist tödlich." Es genüge, den feuchten Filz an die Garderobe zu hängen. Ein weiterer Rat des Herrn der Hüte: "Weil wir Männer mehr schwitzen als Frauen, sollten wir den Hut um eine halbe Nummer größer kaufen, dann passt er sich an."

Damenmodelle umfassen die Größen 54 bis 58, bei den Herren sind 54 bis 61 Standard. Auch Großkopferten kann geholfen werden. Bei Altlandeshauptmann Josef Ratzenböck etwa schlug das Maß nach oben aus – alles kein Problem. Nicht nur Landesfürsten finden sich auf der Liste prominenter Kunden. Die singende Stimmungskanone Roberto Blanco trägt einen Bittner, und auch Michael Jackson, 2009 verstorbener "King of Pop", wurde mit einem Original Ischler beglückt.

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Tausend Formen lagern in der Werkstatt am Schutzenbichl. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Es ist ein alter Hut, dass einem Hutmacher Menschen unterkommen, die von sich behaupten, kein Hutgesicht zu haben. Das lässt Kathi Bittner so nicht stehen: "Es gibt für jeden Kopf einen Hut – dieser Herausforderung stellen wir uns."

Wer sich für einen Bittner entscheidet, bedeckt sich nicht mit einem namenlosen Etwas. Bei der Taufe ihrer Kollektion lässt sich die Familie gerne von Orten, Anhöhen oder Gipfeln inspirieren. Die Herren greifen dann zum Beispiel zu einem Pötschenpass, grüßen mit einem Schneeberg oder setzen einen Loibichl auf. Am häufigsten geht der Pernecker weg, ein Jagdhut. Die Damenfrisur mag unter einem Traunstein oder einem Ischgl verschwinden. Am besten verkauft sich der Riedau.

Wollhüte sind günstiger als die edleren Haarhüte. Der strapazierfähige Pernecker kostet 85 Euro, für einen feschen Ischgl darf man mit 180 Euro rechnen. Wie so oft gilt: Dem Preis sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt.

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Der vierjährige Simon, schaut – als siebente Generation – dem Opa und der Tante gerne bei der Arbeit zu. Bild: VOLKER WEIHBOLD

 

Kathi Bittner könnte unzählige Hüte ihr Eigen nennen. Tut sie aber nicht. Sie trägt ihre selbst kreierten Unikate meist nur ein Mal, um sie danach weiterzuverkaufen. Für die Kaiserwoche lässt sie sich stets Neues einfallen, "denn da geht es ums Sehen und Gesehenwerden". Auf dem Mountainbike sieht man sie hingegen nicht mehr. Da hat sie ihr Ziel erreicht. Sie ist die Salzkammergut Trophy mit 211 Kilometern und 7049 Höhenmetern durchgefahren. Hut ab! 

 

Dynastie – Die Hutmacher

Die Familie Bittner schaut in Bad Ischl seit 1862 darauf, dass die Menschen etwas auf dem Kopf tragen. Derzeit leitet Franz Bittner (57) die Hutmanufaktur, unterstützt wird er von Tochter Kathi (27). Mit ihrem Neffen Simon ("Nach dem Osterhasen werd’ i fünf") fühlt sich bereits die siebente Generation in der Werkstatt wohl.

Derzeit leitet Franz Bittner (57) die Hutmanufaktur, unterstützt wird er von Tochter Kathi (27)   Bild: (Volker Weihbold)
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