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Der digitale Weg zum Gipfel

Von Von Gabriel Egger, 24. Februar 2018, 02:30 Uhr
Der digitale Weg zum Gipfel
Absturzgefahr: Selbstverantwortung und Empathie gehören in den sozialen Medien immer gut gesichert. Bild: OÖN

Soziale Medien verändern den Zugang zum Bergsport. Facebook und Instagram ersetzen die Tourenplanung, die Selbstverantwortung bleibt oft im Tal.

Keine Gesichter, dafür handgefertigte Skizzen. Das Buch, das in Christoph Preimesberger die Lust nach Abenteuer weckte, hatte auch kein Passwort. Es war ein Bergführer aus dem Rother-Verlag, 100 Seiten, knifflige Beschreibungen versehen mit persönlichen Notizen. Aufgebrochen ist er erst, wenn er sie verinnerlicht hatte, die Routen, die Wegvarianten und die Schlüsselstellen, die ihn zum Gipfel bringen sollten. Und wenn er’s dann geschafft hat, gab es ganz oben einen Handschlag für den Partner und neuen Gesprächsstoff für die Bergsteigerrunde.

Und vielleicht wurde dabei auch ein bisschen übertrieben, oder die eigene Leistung geschmälert. Dann gab es Fragen, wenn etwas unklar war, oder nicht ganz richtig erschien. Man kannte sich und die Fähigkeiten ja schließlich. Ein persönlicher Austausch, vor mehr als 35 Jahren. Seitdem hat sich das Bergsteigen grundlegend verändert. Noch mehr aber der Umgang damit.

Alpinisten? Keine Randgruppe

Bessere Ausrüstung, mehr Informationen und Sicherheit, weniger Widerstand. Alpinisten sind keine verrückten Eroberer des Nutzlosen und schon längst keine Randgruppe mehr. Bergsteigen ist zur Trendsportart geworden.

Anfänger, Kenner, Könner, Profis und jene, die sich selbst gerne so bezeichnen. Sie alle vereinigt noch immer ein Buch: Facebook. Und wer nur schöne Bilder schauen will, der klickt sich durch Instagram. Die Zahlen sind eindeutig: Mehr als eine halbe Milliarde Menschen haben "Berge" als Interesse auf Facebook ausgewählt, unter dem Hashtag "Wandern" finden sich auf Instagram mehr als 1,2 Millionen Beiträge. Gesprochen wird nicht mehr am Stammtisch, sondern auf der Startseite. Dort ist dann jeder sein eigener Experte, hinterfragt wird kaum, Gefahren werden dafür gerne ausgeblendet.

Der Orkan ist dann "ein ziemliches Lüfterl", der hüfthohe Neuschnee, durch den man sich zuvor stundenlang gequält hat, "feinster Powder". Die Realität verschwimmt genauso schnell, wie das Urteilsvermögen derer, die nur die Bilder der sonnenbeschienenen Gipfel, der rassigen Abfahrten und der ausgesetzten Klettereien sehen, aber nicht die Entbehrungen auf dem Weg dorthin. Denn es geht bei vielen Beiträgen hauptsächlich um die richtige Positionierung des eigenen Ichs. Und das wird für gute Bilder auch gern an die äußerste Bergkante gestellt. Wenn das gut klappt, viele Herzen und Daumen durch die virtuelle Bergwelt fliegen, fühlt man sich geschmeichelt und bestätigt, gleichzeitig steigt die Lust auf mehr. Man will sich steigern, sich selbst oder die anderen, die da aus der Vertikalen in die Kamera lächeln, übertrumpfen. Der Berg steht nicht mehr im Fokus, das Abenteuer wird ohne ihn erschaffen und schließlich auf ihn angewendet. Spannend soll es sein, spektakulär, vielleicht gefährlich. Googeln wir das mal. Moment. "Spannend, spektakulär, gefährlich". 73.000 Ergebnisse. Matterhorn. Hm, schaut gut aus. Das machen wir.

"Mehr Selbstverantwortung"

Der Post ersetzt die Tourenplanung, der Blogeintrag den Nachdenkprozess. "Ich kann nur immer wieder an die Selbstverantwortung appellieren. Wenn jemand etwas veröffentlicht, muss ich nicht gleich losrennen, um das nachzumachen. Ich muss mir überlegen: Kann ich das? Bin ich mir da auch wirklich sicher?", sagt Christoph Preimesberger.

Der digitale Weg zum Gipfel
"Für viele Sportler ist es schwer geworden, aus der Flut an Informationen das Richtige herauszulesen." – Christoph Preimesberger, der Leiter der Bergrettung Oberösterreich hält sich mit Postings zurück

Seit einem Jahr ist er Chef der oberösterreichischen Bergrettung – und kein Gegner der sozialen Medien. "Ich finde es gut, wenn sich die Leute gegenseitig zeigen, wie toll die Berge sein können. Man erfährt auch sehr viel über die aktuellen Verhältnisse. Die sozialen Medien nutzen wir als Bergrettung genauso. Aber für viele Sportler ist es schwer geworden, aus dieser Flut an Informationen das Richtige herauszulesen", sagt er.

Er habe selbst schon Bergsteiger gerettet, die nur den Ausdruck eines Internetbeitrags bei sich hatten. "Weil auf den normalen Routen durch das steigende Interesse am Bergsport schon so viel los ist, wollen viele auf schwierigere Alternativen ausweichen, denen sie noch nicht gewachsen sind", sagt Preimesberger. Und wenn dann etwas passiert, tritt ein weiteres Wetterphänomen der sozialen Medien auf: der Shitstorm. "Selbst schuld", "kein Mitleid" und "wegen solchen Leuten muss wieder die Bergrettung ausrücken" gehören unter Beiträgen alpiner Einsatzorganisationen zu den meistgelesenen Sätzen. Warum? Weil sich viele Menschen unmöglich vorstellen können, dass jemand freiwillig die gesicherte Zone verlässt.

Der Absturz der Empathie

Wenn dann noch andere Menschen in ihrer Freizeit helfen müssen, um Personen, deren Risikobereitschaft größer als die eigene ist, wieder zurück in diese gesicherte Zone zu bringen, verliert das Fass den Boden. Die Bergrettung ist aber eine Organisation, die genau dafür geschaffen wurde. Um Menschen, die in Not geraten sind, zu helfen. Die Retter machen keinen Unterschied zwischen "verschuldet" und "unverschuldet". Auch wenn sie bestimmt nicht immer eine Freude daran haben, sie retten und helfen aus Überzeugung. Nur ausnützen darf man dieses Privileg, eine Organisation zu haben, die im Notfall alle(s) in Bewegung setzt, um Leben zu retten, nicht. "Vollkaskomentalität", nennt das der Bergrettungschef. Schwierige Bergtouren sind nichts, wofür man sich vor der Öffentlichkeit rechtfertigen muss. Man muss ihnen nur gewachsen sein.

Aber: Fehler können immer passieren, Unfälle leider auch. "Selber schuld, hätte er das doch nicht gemacht", kann man sich zwar dann denken, muss es aber nicht unbedingt den Angehörigen unter die Nase reiben. Denn die lesen mit. Nachdenken hilft. "Wie würde ich mich fühlen, wenn ein Freund, ein Verwandter, ein Bekannter abstürzt und ich dann lesen müsste, dass "dieser Trottel eh selber schuld ist"?

Soziale Medien sind ein Gewinn

Die sozialen Medien haben in der Darstellung des Bergsports vieles verändert. Vieles zum Negativen, aber noch mehr zum Positiven. Es ist wieder "in", sich zu bewegen, durch die Natur zu streifen, ein Auge für Flora und Fauna zu haben und sich selbst vor körperliche Herausforderungen zu stellen. "Es ist der falsche Weg, davon abzuraten, dass man diese Erlebnisse veröffentlicht, sagt Preimesberger.

Er selbst habe zwar keinen Mehrwert davon, seine Touren der Öffentlichkeit zu präsentieren, verstehe aber, dass viele stolz darauf sind. Dass sich Menschen im Internet stärker und mutiger darstellen wollen, sei für ihn kein Bergsport-Phänomen. "Das gibt es überall und hat auch immer etwas mit dem Selbstwert zu tun", sagt er. Es sei viel wichtiger, den eigenen, ganz persönlichen Weg zu gehen. Ob der steil ist oder nicht, ist dann auch völlig egal. Am Ende des Bergtages zählen nicht die Anzahl der Likes, auch nicht die bewundernden Kommentare. Nur die Reichweite. Die, der eigenen Zufriedenheit.

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