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Auto, Radio, Film: Alltag zwischen den Kriegen

Von Roman Sandgruber, 17. Februar 2018, 00:05 Uhr
Als in Steyr das „Baby“ vom Band lief, war es ein fast unerreichbares Luxusgut, das den späteren Volkswagen „Käfer“ vorwegnahm. Das Auto, das Radio, der Film waren die wichtigsten Innovationen der Zwischenkriegszeit. Bild: privat

Während der Zwischenkriegszeit wurde in Oberösterreich der Vorgänger des "Käfers" entwickelt, Radio und Fernsehen veränderten allmählich den Alltag. Ein Bericht von Roman Sandgruber.

Es gab zwischen den beiden Weltkriegen drei Innovationen, die den Alltag wirklich tiefgreifend veränderten: das Automobil, das Radio und der Film. In den USA wurden alle drei für die Kultur der zwanziger Jahre stilbildend. In Österreich schafften das zwischen den Kriegen nur Radio und Film. Das Automobil hingegen blieb in der Ersten Republik weiter ein ausgesprochenes Luxusprodukt ...

Die goldenen Autojahre

Die zwanziger Jahre gelten als das goldene Zeitalter des Automobils. Im Jahr 1924 wurden in den USA schon 3,5 Millionen Autos erzeugt. Und bis 1930 war die Zahl der dort angemeldeten Pkw schon auf über 25 Millionen angestiegen. In Oberösterreich hingegen gab es nach der Kraftfahrzeugzählung vom 30. September 1934 insgesamt nur 3500 Kraftfahrzeuge, davon 1630 Personenautos, verglichen zu den fast 1,3 Millionen Motorfahrzeugen, die es in Oberösterreich heute gibt. Das Bundesland beherbergte zwar mit der 1931 zur Steyr Daimler Puch AG fusionierten Steyr-Waffen-Fabrik die größte Automobilfabrik Österreichs, die mit genialen Automobilkonstrukteuren wie Hans Ledwinka, Ferdinand Porsche und Karl Jenschke technisch bahnbrechende und konstruktiv hochwertige Produkte auf den Markt bringen konnte.

Das von Karl Jenschke konstruierte Steyrer „Baby“. Bild: OÖN

Ein wirklicher kommerzieller Erfolg aber wollte sich nicht einstellen. Insgesamt wurden zwischen 1920 und 1941 in Steyr nur 56.448 Personenautos und etwa 4800 Lastkraftwagen erzeugt. Man produzierte in einem viel zu hochpreisigen Segment. Der Steyrer Volkswagen, der Typ 50/55, das sogenannte "Steyr-Baby", kam zu spät. Mit seiner käferähnlichen Karosserie und seiner Ausstattung mit einem robusten Boxer-Motor war das "Baby" zweifellos der "Onkel" und Vorläufer des Volkswagens. Man konnte vom "Baby" von 1935 bis 1940 insgesamt etwa 13.000 Stück absetzen: immerhin der einzige Volkswagen im nationalsozialistischen Deutschen Reich, den man tatsächlich kaufen konnte.

Die Radiozeit

Radio und Film hingegen verbreiteten sich auch in Österreich ziemlich gleichzeitig mit der internationalen Entwicklung. Am 1. Oktober 1924 nahm nach einem kurzen Versuchsstadium die "Radio Verkehrs AG" (RAVAG) mit einem Sendeanlagen- und Rundspruch-Monopol offiziell den Programmbetrieb auf. Das Radiogeschäft boomte: "Vom Hausknecht bis zum Direktor, ein jeder sitzt jetzt beim Detektor", tönte es aus den Lautsprechern, oder: "Die schöne Adrienne hat eine Hochantenne ..."

Röhrenradio „Ingelen Geographic“ aus dem Jahre 1936 Bild: OÖ. Landesmuseum

Man sprach vom "Radiofieber" als dem inmitten der Trostlosigkeit des wirtschaftlichen Niedergangs einzigen Gebiet, wo die Krise überwunden schien. Beim Radio handelte es sich um ein Produkt, dessen Nützlichkeitswert für Empfänger niedriger Einkommen höher war als für solche mit hohen Einkommen. Für diejenigen, denen aufgrund ihrer finanziellen Situation ohnehin viele Unterhaltungs- und Zerstreuungsmöglichkeiten offenstanden, stellte das Radio nur ein weiteres und zusätzliches, wenn auch bedeutsames Mittel der Unterhaltung dar. Für Personen in ärmeren Verhältnissen hingegen wurde es rasch zur wichtigsten Abwechslung und Unterhaltungsmöglichkeit. Daher zeigte sich die Nachfrage gegenüber konjunkturellen Einflüssen nahezu unempfindlich und hing viel stärker von der Reichweite der Sender ab als vom Einkommen der Konsumenten. Arbeiter gehörten zu den ersten Radiohörern.

Bis alle Dörfer allerdings am Radiokonsum teilhaben konnten, dauerte es in Österreich länger als in anderen Ländern, weil das alpine Terrain die Empfangsbedingungen schwierig machte. Der Anteil der Wiener Hörer betrug im ersten Jahr fast 90 Prozent und 1929 immer noch zwei Drittel. Die Aufwärtsentwicklung in den einzelnen Bundesländern setzte erst parallel mit der Errichtung von Regionalsendern ein, welche die Empfangssituation im Land verbesserten.

1930 gab es bereits in 400.000 österreichischen Haushalten Radioapparate. Sehr rasch wurde der Rundfunk zu einem Medium, dem hohe politische Bedeutung zukam, vom abgewehrten nationalsozialistischen Anschlag auf die RAVAG im Juli 1934 bis zur berühmten Rundfunkrede Kurt Schuschniggs am 11. März 1938, die er mit "Gott schütze Österreich" schloss.

Das Kinozeitalter

Im Jahr 1896 hatte es in Wien die erste Filmvorführung gegeben: Ein in einen Bahnhof einfahrender Zug wurde gezeigt. Bald wurden die Szenen und Inhalte anspruchsvoller und die Filme immer länger. 1903 gab es in Wien drei Kinolokale, 1912 bereits 113 und 1918 nicht weniger als 155. Im Jahr 1927 existierten in ganz Österreich bereits 762 Kinos.

Aus der anfänglichen Jahrmarktunterhaltung war eine mächtige Industrie entstanden. Der Film war zum wichtigsten Medium der Unterhaltung und Information geworden. Der Pionier des Kinos in Oberösterreich war Johann Bläser, der in Paris die Brüder Lumière kennengelernt hatte und schon 1895, nahezu gleichzeitig mit Paris und Wien auch in Linz in einem Zelt erste Vorführungen arrangiert hatte. 1898 nahm Bläser seinen ständigen Wohnsitz in Linz und baute noch vor dem Krieg das Hotel zum Goldenen Schiff auf der Landstraße zu einem Kino aus. 1920 verkaufte er Hotel und Kino an den Verein Arbeiterheim, der dort das Zentralkino schuf, das 1922 mit "Othello" eröffnet wurde. Das Zentralkino erlangte schnell den Ruf eines Uraufführungskinos. Berühmte Stummfilme waren zu sehen: Panzerkreuzer Potemkin, der Nibelungenfilm oder Ben Hur.

Der Kinobesuch wurde dem Theaterbesuch immer ähnlicher. Die Namen änderten sich. Als 1908 von Karl Lifka das erste ständige Linzer Kino im Gebäude des ehemaligen Theater-Varietés eingerichtet wurde, erhielt es den Namen "Grand Théâtre electrique". Die Kinonamen signalisierten den Wandel von der Jahrmarktsensation zu luxuriös ausgestatteten Kinopalästen: von "Bioscop" oder "Vitagraph" zu "Imperial", "Maxim", "Colosseum", "Odeon" oder "Excelsior". Die Kinos der Zwischenkriegszeit waren Paläste der Zerstreuung. Man ging hinein wie in ein vornehmes Theater und zog sich festlich an. Es war ein Ort entstanden, der – zumindest für wenige Stunden – die Klassengrenzen aufzulösen schien. Der durchschnittliche Preis für eine Kinokarte lag in den 1920er-Jahren bei 50 bis 80 Groschen, auf dem Land bei 30 bis 60 Groschen, je nach Lage und Sitzplatz. Das war vergleichsweise billig, gemessen an den Lebenshaltungskosten, und extrem günstig verglichen mit Theaterkarten. 1 Kilogramm Mehl kostete 1929 im Konsum 64 Groschen, 1 Kilogramm Zucker 90 Groschen. Im Burgtheater kostete 1926 eine Karte in der zehnten Reihe Parkett 13 Schilling, 16 mal mehr als die teuerste Kinokarte. Das machte es möglich, das Kino nicht nur wöchentlich zu besuchen.

Die Jahre 1918 bis 1927 waren die große Zeit des Stummfilms. Doch die Kinos waren nicht stumm. Live-Orchester und Orgeln untermalten das Geschehen mit Musik, Erklärer kommentierten die Handlung mit viel "Wiener Schmäh". Die Zeit der Hyperinflation war die wirkliche Glanzzeit der österreichischen Filmproduktionen: Monumentalfilme wie "Sodom und Gomorra", "Der junge Medardus" und "Die Sklavenkönigin" wurden in Wien gedreht. Tausende Statisten wurden eingesetzt, die größten Bühnenbauwerke der Filmgeschichte errichtet.

1928 entstand der erste österreichische Tonfilm, ein Jahr nach Beginn der neuen Film-Ära in den USA. 1929 eröffnete mit dem "Schwedenkino" das erste eigentliche Tonfilmtheater Wiens. Bis 1931 waren praktisch alle Groß- und Mittelkinos in Wien umgestellt, von den 22 Kleinkinos mit weniger als 200 Plätzen aber erst zwei. Auch in Linz wurde das Kolosseum-Kino schon 1930 auf Tonfilm umgestellt, das Lifka-Kino 1931.

Im Jahr 1930 waren unter den insgesamt 569 in Österreich laufenden Filmen bereits 158 Tonfilme, 1931 überwog bereits der Tonfilm, und 1932 wurden praktisch nur mehr Tonfilme produziert und gezeigt. Der Tonfilm veränderte den Filmmarkt. Kannte der Stummfilm keine Sprachgrenzen und waren in den späten 1920er-Jahren die USA mit Hollywood übermächtig geworden, so wurde dies mit dem Tonfilm noch einmal anders: Er bot nationalen Produktionen eine neue Chance.

Der österreichische Tonfilm feierte in den dreißiger Jahren wieder große Erfolge. Aber gleichzeitig wurde er fast vollständig vom deutschen Markt abhängig. Es war faktisch unmöglich, in Österreich einen Film zu produzieren, ohne sich am deutschen Publikum und bald auch an der deutschen politischen Gesinnung und an den dortigen Rassengesetzen zu orientieren. Das Kino wurde zum wichtigsten Freizeitvergnügen der NS- und Kriegszeit, aber auch zum wichtigsten Propagandainstrument.

Das Fernsehen

Als der amerikanische Schriftsteller Mark Twain von 1896 bis 1898 fast zwei Jahre in Österreich verbrachte, berichtete er nicht nur von wilden Raufszenen im Parlament, sondern auch von dem österreichischen Polen Jan Szczepanik, der mit einer merkwürdigen Erfindung ein neues Wort geprägt habe: nämlich "Fernsehen" oder englisch "Television".

Im Jahr 1934 konnten die Österreicher im Wiener Messepalast erstmals auf einem 18 x 24 cm großen Bildschirm in einer abgedunkelten Empfangskoje eine Fernsehübertragung bestaunen. Es war der erste öffentliche Fernsehversuch in Österreich. Aber bis zum ersten Fernsehabend Österreichs am 1. August 1955 mit einer Programmdauer von etwas über einer halben Stunde war es noch weit.

 

Jugend einst und jetzt: Zeitensprünge

Dem Jungsein zwischen den Kriegen ist eine Ausstellung im Sumerauerhof gewidmet.

Wie hat man sich verabredet, wie seine Freizeit gestaltet, und überhaupt: Wie war das mit dem Jungsein vor 70, 80 und 90 Jahren?

Auf dem Schulhof Bild: OÖ. Landesmuseum

„Mir hat der Holzknecht das Tanzen gelernt. Damit ich beim Fortgehen auch etwas Besonderes hatte, hob i zum Tauzn da Muata ihre Hochzeitsschuach gfladat.“ – „Wir gingen hauptsächlich barfuß in die Schule, da wir nur ein Paar hatten, und dieses zog man nur zu besonderen Anlässen an. Wenn es in der Früh schon gereift hat, gingen wir noch immer barfuß.“ Sätze wie diese bekamen die Mädchen und Burschen der OÖ. Landjugend zu hören, als sie sich in den vergangenen Monaten auf die Spuren der Jugend von einst hefteten. Sie befragten ihre Großmütter und -väter, Bekannte vergangener Generationen zu ihrem Alltag, als sie jung waren.

Geschichten von Zeitzeugen, die mit Objekten, Fotos und Zitaten unterlegt ab Mai im Sumerauerhof erzählt werden. „Wir haben die Ausstellung Zeitensprünge genannt, weil wir gemeinsam mit der OÖ. Landjugend neben den Aspekten der erforschten Alltagskultur der Zwischenkriegszeit auch einen Zeitensprung in die Gegenwart machen“, sagt Thekla Weissengruber, Leiterin der Sammlung Alltagskultur im OÖ. Landesmuseum.

So findet etwa das einzige Paar Schuhe einer Zeitzeugin in Dutzenden von Schuhen eines Jugendlichen von heute, der einzige Teddybär in den zahlreichen Spielsachen von heute oder die Unterrichtsmaterialien von einst in einem Laptop ein Gegenüber.

„Wir versuchen möglichst alle Bereiche des Alltags einst und jetzt abzudecken: Essen, Wohnen, Arbeit, Schule, Ausbildung, Spielsachen, Freizeit, Fortgehen“, sagt Weissengruber. (rofi)

 

Öffnungszeiten: Die Ausstellung „Zeitensprünge. Jugend einst & jetzt“ im Freilichtmuseum Sumerauerhof in St. Florian kann ab 6. Mai besucht werden. Di-So 10-12 und 13-17 Uhr, Eintritt, 2,50 Euro, ermäßigt einen Euro.

 

 

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