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Gehasst, geliebt, gelesen: 150 Jahre gelbe Literatur

11. November 2017, 00:04 Uhr
Gehasst, geliebt, gelesen: 150 Jahre gelbe Literatur
Reclams Universalbibliothek, mit 150 Jahren die älteste Reihe auf dem deutschen Buchmarkt. Mehr als 3500 Bücher stehen darin. Bild: Archiv

Grellgelb, klein gedruckt und manchmal schwer verdaulich: So mancher hat sich in den vergangenen 150 Jahren an den "Reclam-Heftln" verschluckt, so mancher hat sie geliebt.

Goethe, Schiller, Lessing, Storm. Generationen von Schülern definieren ihren – nicht selten erzwungenen – Zugang zu den Klassikern der Weltliteratur auch über eine Farbe: Gelb. Grellgelb. Wie diese schmucklosen, aber günstigen Büchlein des Reclam Verlags, um die kein Jugendlicher im deutschsprachigen Raum seit etlichen Jahrzehnten herumgekommen sein dürfte. In diesem Jahr feiert das Unternehmen in Ditzingen bei Stuttgart das 150-jährige Bestehen seiner so gehassten wie geliebten Universalbibliothek, der ältesten Reihe auf dem deutschen Buchmarkt.

Die Initialzündung für den Verlag fällt schon am 9. November 1867. Damals trat eine Änderung der Urheberrechtsregelung in Kraft. Autoren wurde eine Schutzfrist für die Veröffentlichung ihrer Werke 30 Jahre über ihren Tod hinaus gewährt. Also wurden die wichtigsten Klassiker gemeinfrei, allen voran Goethe. Sein "Faust" wird Nummer 1 von "Reclams Universalbibliothek". Mit 4,9 Millionen verkauften Exemplaren belegt das Buch in der Top-10-Liste seit 1948 nach Verlagsangaben heute noch Platz zwei. Ganz vorn steht Schillers "Wilhelm Tell" mit 5,4 Millionen Exemplaren. Die Schulklassiker eben, genauso wie Kellers "Kleider machen Leute" und Lessings "Nathan der Weise" mit jeweils 4,4 Millionen Büchern auf den Plätzen drei und vier.

Hinter der Marke Reclam stehen lange zwei Verlagshäuser – eins in Leipzig, eins in Stuttgart –, die aber weder miteinander arbeiten noch miteinander kommunizieren. Die doppelte "Reclams Universalbibliothek" ist auch eine deutsch-deutsche Geschichte: Viele Verleger zieht es nach dem Zweiten Weltkrieg in den Westen. Doppelexistenzen in Ost und West gibt es bei Brockhaus oder Insel. Auch der alte Reclam-Verlag bekommt in der sowjetischen Zone eine Lizenz, es erscheinen Titel von Goethe, Schiller, Puschkin. In Ernst Reclams Neugründung in Stuttgart beginnt der Wiederaufbau mit acht Titeln für württembergische Schulen. 1970 entsteht hier das Markenzeichen: der grell leuchtende Umschlag.

"Das macht die Reclam-Heftln so schräg, dass es unter jüngeren Menschen als lässig gilt, in ihnen zu lesen", sagt Diplompädagoge Wolfgang Lanzinger, Geschäftsführer von "Buch.Zeit", dem Kompetenzzentrum Lesen-Schreiben-Rechnen. In der Schule seien die Reclam-Bücher nicht mehr so präsent, wie sie schon einmal waren, da die Klassenlektüre nur mehr selten vorkomme. Die Leseangebote kämen eher über die Schulbibliothek. "Denn nicht jeder ist an jedem Text zur selben Zeit interessiert. Ein gemeinsames Herunterleiern von Text würde heißen, nicht auf die Schüler in ihrer Unterschiedlichkeit einzugehen. Da hat sich viel verändert."

Auch der Preis. Nur zwei Silbergroschen kosten die ersten Reclam-Büchlein im 19. Jahrhundert. Pro Jahr erscheinen 140 Nummern – neben Klassikern der deutschen und europäischen Literatur bald auch antike Texte, philosophische Werke, Unterhaltungsliteratur, Gesetzesausgaben oder Operntexte. 1912 stellt Reclam erstmals Verkaufsautomaten auf, bis 1917 sind fast 2000 von ihnen in Betrieb. Dann kommen die Restriktionen: Die Nazis setzen den Verlag ab 1933 unter Druck, Werke jüdischer oder politisch missliebiger Autoren müssen raus aus dem Programm.

Nach dem Krieg druckt Reclam im Osten wie im Westen. Die Anziehungskraft zum Publikum hier wie dort bleibt konstant. "Wenn ich auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig bin", erzählt Lanzinger, "dann sehe ich, dass der Reclam-Stand immer heftig umlagert ist." Das dürfte so bleiben. "Wir machen weiter wie bisher", antwortet Claudia Feldtenzer, Pressesprecherin des Reclam-Verlags, auf die Frage nach der Zukunft: "Die Universalbibliothek wird gepflegt und ausgebaut. Heuer kommt dazu, weil gemeinfrei geworden, Dramatiker Gerhart Hauptmann." (but)

 

Chronologie

1867: Goethe: Klassiker werden gemeinfrei. Erster Titel der Universalbibliothek (UB) in Leipzig wird Goethes „Faust“.

1905: Umzug: Der Verlag, 1828 vom 21-jährigen Anton Philipp Reclam gegründet, übersiedelt in einen Neubau mit
42 Schnellpressen.

1912: Automaten: Reclam setzt erstmals Verkaufsautomaten ein. Zwei Jahre später sind es 2000. Preis pro Büchlein: 20 Pfennig.

1933: NS-Zeit: Auf Druck der Nazis muss der Verlag Werke jüdischer oder politisch missliebiger Autoren aus dem Programm nehmen.

1947: Westen: Die UB wird in Stuttgart in Westdeutschland neu aufgebaut.

1970: Gelb: Die UB mit mehr als 1200 Nummern erhält ihr Markenzeichen, das gelbe Cover.

 

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