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"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia

Von Peter Grubmüller, 21. Oktober 2017, 00:04 Uhr
"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia
Shania wurde ausgewählt. Bild: Grubmüller

Mit "Afrika! Afrika!" brachte André Heller 2003 eine mitreißende Verbindung von Eleganz und Lebensenergie des Schwarzen Kontinents auf die Bühne. Von 8. bis 16. März 2018 wird die verbesserte Neuauflage dieser Produktion in der Linzer Tipsarena zu Gast sein. Die OÖN begleiteten die "Afrika! Afrika!"-Produzenten bei deren Talentsuche in Südafrika und Tansania.

Wir waren die Ersten, die mit HIV-positiven Kindern und Jugendlichen gearbeitet haben", sagt Brent van Rensburg. Und das in Südafrika, wo jeder fünfte Mensch zwischen 15 und 49 Jahren mit dem HI-Virus infiziert ist. Der Mann aus Kapstadt erzählt das nicht, um sich ein Schulterklopfen seines Zuhörers abzuholen, sondern er bemüht sich sogar, den Ton von Enttäuschung zu verstecken. Es ist selten, dass der 56-Jährige nicht breit grinst, als gäbe es jeden Moment etwas zu feiern. "Mit Freude geht alles", sagt er den Jugendlichen und sich selbst mantrartig vor.

Ab den späten 70er-Jahren flog van Rensburg als einer der besten Trapezartisten der Welt in den berühmtesten Zirkuszelten durch die Luft. Den Weltrekord für die höchste Trapeznummer (in 55 Meter Höhe für den Werbespot einer Versicherung) hält er heute noch. 1992 gründete er zusammen mit seiner Frau Laurence die "ZIP ZAP"-Zirkusschule in Kapstadt. Früher wäre es gar nicht möglich gewesen, weil in Südafrika bis dahin die Rassentrennungsgesetze der Apartheid-Politik in Kraft waren - und van Rensburg wollte Schwarz und Weiß genauso vereint unterrichten wie Arm und Reich. Van Rensburg: "Es ist dumm genug, wenn sich Erwachsene über Standesunterschiede den Kopf zerbrechen, Kinder sollen frei davon aufwachsen."

Afrika! Afrika! vom 8. bis 16. März 2018 in Linz
"Afrika! Afrika!"-Erfinder André Heller mit Regisseur Georges Momboye Bild: Kanizaj

Während er spricht, ist er von Spielfreude eingekreist. Um ihn herum jonglieren Dutzende Jugendliche, überschlagen sich auf dem Trampolin, turnen an Ringen oder holen wie einst er selbst auf dem Trapez Schwung. Vermutlich würde es die "ZIP ZAP"-Zirkusschule nicht mehr geben, hätte nicht vor zwei Jahren der deutsche Industrielle Curd Engelhorn (Urenkel von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn) nicht ein Haus nach van Rensburgs Plänen hingestellt, das die Zirkusschule in den kommenden zehn Jahren mietfrei bewohnen kann. Van Rensburg: "Nach diesen zehn Jahren können wir das Haus um einen vereinbart günstigen Preis kaufen - und Engelhorn wollte bis dahin keine Miete, damit wir die Eintrittsgelder unserer rund 80 Shows im Jahr für diesen Kauf sparen können." 1500 Kinder waren seit 1992 beim "ZIP ZAP", niemand braucht etwas zu bezahlen, vom Staat gibt es nur Unterstützung, wenn van Rensburg projektbezogene Förderungen bewilligt werden. Um den Betrieb am Laufen zu halten, bettelt er sich bei privaten Mäzenen pro Jahr acht Millionen Rand (505.000 Euro) zusammen. "Welche Alternative habe ich? Wenn ich nicht weitermache, landen die meisten dieser Kinder auf der Straße." Dann steigt van Rensburg in einen seiner zwei klapprigen Minibusse und chauffiert acht seiner Jugendlichen nach Hause. Dieser Kerl ist ein Voll-Service-Schutzengel.

"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia
Diesen Herrn wird man in der Linzer Tipsarena sehen können. Bild: Grubmüller
"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia
Jamila möchte in ein, zwei Jahren bei „Afrika! Afrika!“ dabei sein. Bild: Grubmüller

"Afrika! Afrika!"-Produzent Hubert Schober wollte van Rensburg besuchen, um die sinnstiftende Wirkung des Zirkus in Afrika nicht hartnäckig erklären zu müssen. Bei "ZIP ZAP" findet er keine geeigneten Artisten, auf die Ausbildung von weltweit reüssierenden Profis ist das Sozialprojekt auch nicht spezialisiert. Umso mehr veranschaulicht das hinreißende Unternehmen, wie gut die körperliche Ausbildung in einem Milieu von Drogen, Krankheit und Kriminalität zur Prävention taugt.

Einzige Chance, Europa zu sehen

Geeignete Tänzer findet er in dem eine halbe Autostunde westlich, inmitten von Townships gelegenen Tanzzentrum "Dance for all". 48 junge Frauen und Männer haben sich für die Audition am Nachmittag angemeldet. Die meisten zeigen herausragende Breakdance-Moves und Zulu-Tänze, drei, vier singen, jeder wird auf Video aufgenommen, damit sich Regisseur Georges Momboye, der schon 2003 André Hellers ersten "Afrika! Afrika!"-Entwurf als herausragender Tänzer und Choreograph begleitet hat, später selbst ein Bild von den Bewerbern machen kann. "Jeder, der genommen wird, kann seine Familie mit dem Geld, das wir in Europa verdienen, für längere Zeit unterstützen. Außerdem haben wir keine andere Chance, jemals Europa zu sehen", sagt Shania mit der Startnummer 23. Ob sie die Kultur des Schwarzen Kontinents in dieser Produktion auf irgendeine Weise verkitscht vermittelt sieht? "Warum? Ich habe ein Video der Produktion gesehen, und die Tänze der afrikanischen Kultur kommen genauso in der Show vor, wie sie seit Generationen pflegen – natürlich ist alles in eine Geschichte und in eine Show verpackt, aber sehen Sie Ihre europäischen Wurzeln verkitscht, wenn in Kapstadt ein sinfonisches Orchester spielt?" Shania ist unter den Elf dabei, sie wird Georges Momboye empfohlen.

Über Johannesburg geht der Flug nach Daressalam, der mit 4,5 Millionen Einwohnern größten Stadt Tansanias. Hier hat Winston Ruddle, der ehemalige Clown und Drahtseilkünstler, nach seinem Engagement bei André Heller die "Hakuna Matata"-Zirkusschule gegründet.

"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia
In der „ZIP ZAP“-Zirkusschule in Kapstadt steht der soziale Aspekt im Mittelpunkt. Bild: Grubmüller

Das einst gravierende Malaria-Problem des prächtigen Landes am Indischen Ozean, dem jährlich rund 60.000 Menschen zum Opfer fielen, hat die Regierung mit einer Putzaktion halbwegs in den Griff bekommen: "An jedem letzten Samstag im Monat wird das Land sauber gemacht. Jede Familie muss gegen Strafandrohung das eigene Haus reinigen und den Müll entsorgen – dadurch sind die meisten Moskitos verschwunden", sagt Tumaini, der aus der Stadt Moshi am Fuße des Kilimandscharo nach Daressalam gezogen ist und für die "Afrika! Afrika!"-Produktion die Kostüme schneidert.

Platz 151 der Reichtumswertung

30 Prozent der Tansanier sind arbeitslos. Wer einen Job hat, der verdient kaum mehr als umgerechnet 450 Euro im Monat, bei Preisen von etwa einem Drittel des mitteleuropäischen Niveaus. Von 187 gelisteten Ländern der Vereinten Nationen liegt Tansania in der Reichtumswertung auf Platz 151, dennoch hat die ostafrikanische Republik in den vergangenen drei Jahren 249.000 Flüchtlinge aus dem von blutigen Auseinandersetzungen geschundenen Burundi aufgenommen.

"Hakuna Matata" ist Suaheli und hat sich in der industrialisierten Welt mit dem gleichnamigen Lied aus Elton Johns "König der Löwen" als Gute-Laune-Hymne durchgesetzt. Übersetzt bedeutet der Text: "Es gibt keine Sorgen" – und obwohl die rund 70 Artisten in Ruddles gleichnamiger Schule allesamt bis zur Aufhebung von physikalischen und physischen Gesetzmäßigkeiten schuften, sieht jeder wie bei der Erfüllung eines Herzenswunsches aus.

"Afrika! Afrika!" ist wie Olympia
Die Schwerkraft spielt auf dem BMX-Fahrrad keine Rolle. Bild: Grubmüller

Einer turnt akrobatisch auf seinem abgewetzten BMX-Fahrrad herum, zehn junge Männer formieren sich zur Menschen-Pyramide. Zum Aufwärmen klettern sie an Stangen bis zur Decke der zehn Meter hohen, mit Einsenstäben vergitterten Halle, die früher ein Lager war. Zum Schutz vor Sturzverletzungen sind dicke Decken ausgelegt, "wer sich wehtut, hat nicht gut genug aufgepasst", sagt Jamila und zeigt ihren rechten Fuß mit einem schief verheilten Knochenbruch: "Ich war selbst schuld." Mit ihrem Freund veredelt sie gerade eine hinreißend poetische Trapeznummer zur Perfektion. "Ich weiß, diesmal sind wir noch nicht dabei, wir müssen noch üben. Aber in ein, zwei Jahren sind wir gut genug."

Neben einer unnachahmlichen Akrobatik-Tanz-Truppe ist auch die Menschen-Pyramide vom Fleck weg engagiert. Maisho, der sich als Pyramiden-Fundament in den Boden verkeilt, grinst: "Ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich mich als Turner für die Olympischen Spiele qualifiziere. ,Afrika! Afrika!’ ist so ähnlich."

 

Afrika! Afrika! vom 8. bis 16. März 2018 in Linz

Von 8. bis 16. März wird die neue Produktion „Afrika! Afrika!“ insgesamt zehn Mal in der Linzer Tipsarena zu erleben sein. Seine Initialzündung für dieses 2003 gestartete Projekt beschrieb „Afrika! Afrika!“-Erfinder André Heller einmal so: „1972 bin ich auf einem Marktplatz am Rand der Sahara auf ein unvergessliches Fest gestoßen, wo sich Tänzer, Musiker, Gaukler und Akrobaten aus den unterschiedlichsten Regionen Afrikas gegenseitig gezeigt haben, was sie können. Es war die Begegnung mit einer anderen, liebevolleren Wirklichkeit, und ich fühlte mich gut beraten, mich ihr anzuvertrauen.“

Von Beginn an war Georges Momboye an Hellers Seite. Der Ivorer zählt weltweit zu den renommiertesten Experten für afrikanischen Tanz. Er studierte im Nationalballett der Elfenbeinküste neben traditionellen Tänzen auch Ballett und Tanzformen des Jazz. Das Verschmelzen afrikanischer Einflüsse mit der westlichen Moderne führte ihn zunächst nach New York und später nach Paris, wo er heute überwiegend lebt. Produzent Hubert Schober holte Momboye nun auch für die aktuelle Ausgabe von „Afrika! Afrika!“ als Regisseur ins Team. Winston Ruddle aus Mozambique, einst von Heller als Artist zur Company geholt, ist nun Talent-Scout und künstlerischer Chef der Produktion.

„Afrika! Afrika!“, 8. bis 16. März 2018, Tipsarena Linz, Kartenpreise ab 29,90 Euro (Kinder bis 14 ab 19,60 Euro), OÖN-Tickethotline unter Tel: 0732/ 7805-805 sowie in den OÖN-Verkaufsstellen in Linz, Wels und Ried. www.showfactory.at

 

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