Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Raimund Baumschlager privat: Ein steiniger Weg

Von Helmut Atteneder, 03. Juni 2017, 00:05 Uhr
 Steiniger WEg
Raimund Baumschlager und ein steinernes Überbleibsel seiner Kindheit. Hier begann alles Übel. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Mit aller Brutalität hat das Leben bei Raimund Baumschlager zugeschlagen. Zweimal wurde ihm sein Zuhause genommen, aber aus Rosenau am Hengstpass kann ihn trotzdem nichts und niemand verjagen. Ein steiniger Lebensweg, eingesäumt von der Idylle des Nationalpark Kalkalpen.

Freitag, der 13. August 1982. Raimund Baumschlager steht im Schlafzimmer seiner Eltern. Im Bett vor ihm liegt seine tote Mutter. Erschossen vom Vater, der sich danach eine Ladung Leuchtkugeln ins Gesicht schießt und in den folgenden Stunden qualvoll stirbt. An diesem Tag ist der damals 21-jährige Raimund Baumschlager mit einem Schlag erwachsen geworden. Mundl, wie ihn alle nennen, packt seine Siebensachen und geht. Da, wo es passiert ist, will und kann er nicht mehr leben. Seinen 15-jährigen Bruder nimmt er mit und zieht hinunter, vom stattlichen Gasthof Baumschlager in Windhag in eine finstere Wohnung in Rosenau am Hengstpass, die im Winter zwei Monate lang keine Sonne sieht. Raimund Baumschlager ist ganz unten.

Fast 35 Jahre später nähert sich der Rallyefahrer Baumschlager, der ein Auto so schnell und sicher fahren kann wie kaum ein anderer, im Schritttempo dem Tatort – inmitten der Idylle des Nationalparks Kalkalpen. Gasthof Hubertus ist jetzt auf die Hausmauer gepinselt. Von dort ist der Ausblick großartig, aber dafür hat der 57-Jährige gerade kein Auge. "Da oben beim rechten Fenster ist es passiert. Ich mag bis heute nicht mehr in dieses Haus hinein gehen, es ist noch alles im Kopf abgespeichert. Diese Bilder kriegst nicht heraus. Vor allem der Vater hat wild ausgeschaut."

 Eine Überwindung: Im Zimmer hinter diesem Fenster passierte die Tragödie.   Bild: (Volker Weihbold)

Am meisten hat ihm geholfen, dass er sofort alles in die Hand genommen hat. Auch den Haufen Schulden. Reden über das Ganze hilft ihm auch noch dabei, etwas zu verarbeiten, das nicht zu ändern ist. Jedes Detail erzählt er, und er sagt es so, als würde es ihn wirklich befreien. Nur eines kann er bis heute nicht: "Streiten. Da verzupf’ ich mich sofort." Auf den Vater hat er viel gehalten, und es hat ihn auch nicht gewundert, dass er das getan hat. Ihm ist er nicht böse. Seine Wut gehört der Mutter. "Sie hat ihn so lange provoziert, bis es passieren musste. Er war ein Bauer, ein Jäger und für sein Leben gern im Holz. Aber sicher kein Wirt, das hat er gehasst. Und auf die Mutter war er eifersüchtig. Grundlos." Einmal, als der Mundl mit dem Vater auf der Pirsch ist, sagt der: "Mundl, i bring de Muata um. Euch passiert nichts."

"Dass er es wirklich tut, damit hat keiner rechnen können. Er war keiner, der gern geredet hat, nur im Suff hat er solche Sachen gesagt", erinnert sich Raimund Baumschlager.

Die Fahrt geht weiter – über die grünen, bewaldeten Hügel des Nationalparkgebietes, die er so gut kennt und liebt - hinüber in die Ortschaft Dambach. Das Bauernhaus mit der Nummer 37 steht nicht mehr, nur noch ein Stall und ein Stadl erinnern an gute, alte Zeiten. Dort ist der Mundl aufgewachsen, dort ist der Bauernhof seiner Eltern gestanden, dort hat er die heilige Ruah genossen, hat mitgeholfen am Hof und im Wald, und es war für alle klar, dass der Mundl einmal den Hof übernehmen wird. Es kam anders. Der Stiefvater seines Vaters intrigiert so lange, bis der Streit beim Richter landet. "Wir müssen weg." Mehr sagt der Vater nicht, nachdem der Richter geurteilt hat. Die Baumschlagers bauen sich ein Wirtshaus. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Das Fortfahren ist ein Heimkommen

Trotz aller schicksalhaften Unbill hat Raimund Baumschlager nie einen Gedanken daran verschwendet, seine Heimatgemeinde Rosenau am Hengstpass zu verlassen. Eigentlich im Gegenteil: "Ich bin ein furchtbarer ,Hoamrehrer‘. Fort mag ich überhaupt nicht, und das schönste am Fortfahren ist für mich, wenn es endlich losgeht, weil der erste Schritt weg zugleich auch der erste nach Hause ist." Heimatliebe à la Mundl Baumschlager, der seit Jahren mit seiner Frau Elfriede in einem wunderschön gelegenen Haus in Rosenau wohnt. Sie hat alle Höhen und Tiefen ihres Mundl miterlebt, auch die Katastrophe im Wirtshaus. Diese Liebe pickt. Ebenso wie die dicke Freundschaft zu Hannes Trinkl, dem Abfahrtsweltmeister.

Eine Heimat: Baumschlager mit Frau Elfi vor seinem Haus in Rosenau. Bild: (Volker Weihbold)

Fort hat er allerdings oft müssen, weil sich der – trotz allem – lebensfrohe, sympathische und ehrgeizige einstige Betriebsschlosser bei der Rohol eine Flause in den Kopf gesetzt hatte: Rallyefahrer zu werden. "Bleder Bua", hatten damals der Betriebsrat und der Bürgermeister unisono geantwortet, als ihnen der Mundl seine Visionen präsentiert hat. Widerspruch zwecklos eigentlich, aber Baumschlager begann trotzdem, an Rallyes teilzunehmen. Das Geld dafür besorgte er sich im Wald, wo er heute immer noch gerne laufend an seiner Kondition arbeitet: "Ich war gern im Holz und habe die gefährlichsten Arbeiten übernommen, weil das am meisten Geld gebracht hat." Heute fährt Baumschlager immer noch Rallye. 13 Mal wurde er Staatsmeister, und bis heute ist er kaum zu schlagen. Das bringt ihm viel Neid ein. Das beste Auto habe er, das meiste Sponsorgeld, und überhaupt ganz viel Glück. Baumschlager: "Hinter meinem Erfolg steckt harte Arbeit. Mein brutaler Ehrgeiz ist immer noch voll da." Die große Fanschar liebt ihren Mundl indessen für seine sympathische Geradlinigkeit.

Die ganz große internationale Karriere blieb ihm verwehrt. Die Erklärung ist banal: "Als Bua war immer klar, dass ich Bauer oder Maurer werde. Da habe ich auf die Schule nicht viel Wert gelegt. Acht Jahr Volksschule, Poly, kein Englisch. Ich habe lange nicht gegneißt, dass das ein Riesenfehler war."

Raimund Baumschlager wird sich nicht verbiegen lassen.  Bild: (Volker Weihbold)

Unverbiegbar

Englisch hat er sich längst beigebracht, und mit seiner Firma BRR (Baumschlager Rallye & Racing) in Micheldorf – dort arbeitet auch seine Tochter Lisa (23) – ist er sehr erfolgreich. Eines wird Mundl Baumschlager aber nie – sich verstellen, sich verbiegen lassen: "Ich mag kein Arschloch sein. Ich bin der Mundl, damit bin ich immer am besten gefahren." Und sehr erfolgreich.

Während der gemeinsamen Rückfahrt in die Gegenwart gerät der Mundl ins Schwärmen: "Wie schön wir es hier im Nationalpark haben. Ich könnte nie woanders leben." Egal, was passiert. 

 

Einfach schnell

einfach schnell
Raimund Baumschlager Bild: Illmer

Raimund Baumschlager, geboren am 25. November 1959, beginnt bald, schnell Auto zu fahren. Zunächst bei Slalomrennen, ab 1982 als Rallyefahrer. Gleich bei seiner zweiten Rallye zerstört er sein Auto. Seinen ersten Sieg landet er 1986 mit einem Opel Manta 400. Auch bei WM-Läufen fällt er bald auf, wird unter anderem Fünfter in Korsika (1990) und Sechster bei der Safari-Rallye 1998. 2001 wird er Zweiter der Deutschland Rallye vor Weltmeister Marcus Grönholm.

1993 gewinnt Raimund Baumschlager erstmals die österreichische Rallyemeisterschaft, in den nächsten Jahren wird er Profi, ist Werksfahrer bei VW, Werks- und Testfahrer bei Ford und arbeitet auch als Fahrtechnikinstruktor.
Nur einmal verletzt sich der Rosenauer bei einem Unfall schwer und erleidet einen Schlüsselbeinbruch.

Insgesamt wurde Baumschlager bis heute 13 Mal Rallye-Staatsmeister. Baumschlager hält zwei Weltrekorde: 8 Titel in Serie (2003 bis 2010), den 24-Stunden-Weltrekord mit einem Schnitt von 323 km/h. „Nicht schlecht für einen Bauernbuam aus Dambach“, sagt Baumschlager, der einen dritten Weltrekord anpeilt: „14 Staatsmeistertitel hat noch niemand geschafft.“

 

mehr aus Spezial

Die Rückkehr der Wildtiere

Schwammerl: Zwischen Genuss und Gefahr

Forum für pflegende Angehörige: Diskussion und Tipps zu Recht, Finanzen und Alltag

Ausgebucht! „Der Krieg in der Ukraine: Eine Spätfolge des Zerfalls der UdSSR und ein geopolitischer Konflikt.“

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

3  Kommentare
3  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
LutherBlissett (24 Kommentare)
am 01.09.2017 23:11

Nicht schlecht für eine Bauernbuam, einen Österreicher, einen Mann mit Ehrgeiz, einen Menschen... also einfach generell Hut ab!

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 03.06.2017 08:53

Selber erlebt, bei einer Trainingsfahrt in Freistadt. Vor Mundl ist einer in den Seitengraben geschlittert, ein tschechischer Konkurrent. Mundl bleibt stehen und hilft ihm, das Auto wieder auf die Strasse zu fahren. Ohne Worte. Mundl steigt in sein Auto und fährt weiter. Das nenne ich Sportsgeist. Den hat Mundl.

lädt ...
melden
antworten
mitreden (28.669 Kommentare)
am 03.06.2017 08:26

Schöner Artikel.
Ich hab ihn immer geschätzt. Alles Gute weiterhin, und gsund bleiben, Mundl!

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen