Die Aliens sind schon lange hier
Die biologische Vielfalt ist bedroht. Der Mensch transportiert (un)absichtlich zahlreiche Pflanzen- und Tierarten in andere Gegenden. Manche der neuen Arten verdrängen einheimische und verändern das Ökosystem nachhaltig. Ein Überblick von Klaus Buttinger.
Der Edelkrebs ist schon fast verschwunden aus den heimischen Flüssen, dem Feuersalamander droht ebenfalls letales Ungemach, ausgehend von einem nach Europa eingeschleppten Pilz (Neomyzet). Wissentlich oder unwissentlich nach Österreich importierte Pflanzen (Neophyten) oder Tiere (Neozoen) bringen das ohnehin angeschlagene ökologische Gleichgewicht zusätzlich durcheinander. Was die mehr oder weniger neu angekommenen Arten (Neobiota) eint, ist die Tatsache, dass der Mensch für ihre Verbringung verantwortlich ist.
"Durch die Globalisierung rückt die Welt nicht nur für die Menschen zusammen, sondern auch für die Tiere", sagt Zoologe Wolfgang Rabitsch, zuständig für biologische Vielfalt und Naturschutz im Umweltbundesamt. Sein Kollege, Franz Essl, Ökologe mit botanischem Schwerpunkt, erklärt: "Jeder Kontinent hat eigene Arten entwickelt, der Mensch hat das absichtlich und unabsichtlich aufgehoben. Die allermeisten dislozierten Arten haben aber keine negativen Auswirkungen."
Einige aber doch. Das UN-Übereinkommen über biologische Vielfalt fordert auf, die Einbringung solcher nichtheimischer Arten, die Lebensräume oder Arten gefährden, zu verhindern und sie zu kontrollieren oder zu beseitigen. Hier ein beispielhafter Überblick über die Problemzonen.
Neozoen (Tiere)
Waschbär: Die pfiffigen Allesfresser breiten sich heimlich über Europa aus. Sie stammen ursprünglich aus Nordamerika. Die meisten Waschbären in Europa gehen auf zwei Pärchen zurück, die 1934 in Hessen ausgesetzt wurden, "um die heimische Fauna zu bereichern". Im Vorjahr wurde der nachtaktive Räuber in die EU-Liste der "unerwünschten Spezies" aufgenommen. In Österreich sind keine groben Probleme mit dem Kulturfolger Waschbär bekannt, da er noch nicht so gehäuft auftritt wie in nordamerikanischen Metropolen.
Laubholzbockkäfer: Der Asiatische Laubholzbockkäfer steht stellvertretend für die hunderten Arten der holzbewohnenden Organismen. Er wurde über Holzverpackungen eingeschleppt. Einheimische Bäume besitzen gegen den Käfer, der die Leitungsbahnen durchfrisst, keine Abwehrkräfte. In Braunau wurde er 2001 zum ersten Mal in Europa nachgewiesen. Seitdem wird der Käfer bekämpft, jüngst in Gallspach. Zum Aufspüren der Larven wurden Hunde ausgebildet. Befallene Bäume werden umgeschnitten und gehäckselt. Mittlerweile gibt es Regelungen, wie Holzverpackungen gegen blinde Passagiere behandelt werden müssen (mit Wärme oder Insektiziden).
Asiatischer Marienkäfer: Anfang der 1980er-Jahre wurde der Asiatische Marienkäfer als Nützling in Glashäusern in den Niederlanden eingesetzt, ohne an die möglichen Folgen zu denken. Ein Käfer kann pro Tag 100 bis 270 Blattläuse vertilgen. Das erste freilebende Exemplar des Käfers wurde 2001 in Belgien gefunden, seit 2006 findet er sich in Österreich. Seitdem verdrängt er den heimischen Siebenpunkt-Marienkäfer.
Neophyten (Pflanzen)
Ragweed: Der Wilde Hanf, auch Ambrosia genannt (engl. Ragweed), zählt zu den 1200 nicht-heimischen von insgesamt 3000 Pflanzenarten in Österreich. Seine hochallergenen Pollen machen Allergikern im Hochsommer zu schaffen. Die einjährige Pflanze stammt aus Nordamerika und wurde hierzulande erstmals 1883 nachgewiesen. In den 1960er-Jahren tauchten größere Bestände auf. Die über Saatgut importierte Pflanze verbreitet sich auf gestörten Böden, entlang von Bahntrassen und Straßen. Im Luftkurort Bad Radkersburg müssen Landwirte ihre Felder umackern, wenn Ragweed darin auftaucht.
Staudenknöterich: Der Japanische Staudenknöterich kommt aus Ostasien und wurde als Solitär-Gartenpflanze im 19. Jahrhundert eingeführt. Seit 30, 40 Jahren verwildert die zwei bis drei Meter hohe Pflanze. Sie bildet dichte Bestände entlang von Bächen und Flüssen. In ihrer Nähe kommen keine heimischen Schattenarten auf. Der Staudenknöterich verbreitet sich über Rizome und ist ähnlich schwer in Schach zu halten wie Bambus. Mähen bringt ihn auf Dauer um, aber grundsätzlich hilft nur Ausgraben.
Robinie: Im 19. Jahrhundert wurde die Robinie (Silberregen) bewusst eingeführt, da der Baum widerstandsfähiges Holz liefert, trockenheitsresistent ist und über Stickstoffbakterien bodenverbessernd wirkt. Wandert die Robinie in nährstoffarme Refugien ein, wo die Artenvielfalt üblicherweise hoch ist, verschwinden die seltenen Arten, Brennnesseln übernehmen. Stacheln schützen die Robinie vor Verbiss. Will man sie entfernen, helfen nur Geduld und das Ablösen der Rinde. Oder die Robinienminiermotte greift durch. Das spezialisierte Insekt, ein Neozon, setzt der Robinie seit Mitte der 1980er-Jahre zu.
Neomyceten (Pilze)
Feuersalamander: Den Feuersalamander, von dem es besonders im Mühlviertel noch große Vorkommen gibt, bedroht der Pilz Batrachochytrium salamandrivorans, auch Salamanderfresser genannt. In den Niederlanden hat der Pilz den Feuersalamander fast ausgerottet, in Belgien ist die Population zusammengebrochen, in der Eifel setzt sich der Pilz fest. „Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Pilz in Österreich auftaucht“, sagt Zoologe Wolfgang Rabitsch vom Umweltbundesamt. Ob deshalb die bei uns heimischen Feuer- und Alpensalamander aussterben werden, lasse sich noch nicht sagen, Vorsorge sollte jedenfalls getroffen werden. Die Einschleppung könnte über den Tierhandel erfolgen, den es zu kontrollieren gelte.
Signalkrebs: Die nach Europa eingeführten Amerikanischen Krebse (Signalkrebs, Kamberkrebs, Roter amerikanischer Sumpfkrebs) sind allesamt resistent gegen die Krebspest. Die für heimische Krebse (Edelkrebs, Steinkrebs) tödliche Krankheit wird über Sporen des Fadenpilzes Aphanomyces astaci übertragen. Da heimische Krebse keine Co-Evolution mit dem Mikropilz durchmachten, besteht kaum Hoffnung, dass sie eine Resistenz entwickeln. Falls überhaupt, wird der Edelkrebs nur in abgelegenen Gewässern an den Oberläufen von Flüssen überleben. Was tun mit Signalkrebsen? Kulinarisch verwerten.
Esche: Das in weiten Teilen Europas stattfindende Eschentriebsterben wird vom Falschen Weißen Stengelbecherchen, einem Schlauchpilz ausgelöst, der 1992 erstmals in Polen nachgewiesen wurde. Der aus Ostasien eingeschleppte Pilz wächst in die Leitungsbahnen der Europäischen und der Schmalblättrigen Esche ein und verstopft sie. Der Baum reagiert mit der Ausbildung von Trieben, was ihm aber nichts mehr nützt. Der Baum stirbt. Die Sporen des Pilzes werden über den Wind verbreitet und sind mittlerweile fast überall in Europa zu finden. Die Forstwirtschaft sucht resistente Bäume, um neue Eschenpopulationen auszubilden. Es wird Jahrzehnte dauern, bis das Programm Erfolge zeigt.
Ein Kommen und Gehen, der Lauf der Evolution.
Wenn schon keine Veränderung gewünscht wird, warum wird dann trotzdem den angeblichen Tierschützern so viel Spielraum gelassen? Beim Eindämmen von "Schädlingspflanzen" wird hier viel rigoroser vorgegangen....