Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Verzicht macht Platz für anderes"

Von Barbara Rohrhofer und Claudia Riedler, 21. März 2016, 00:05 Uhr
"Verzicht macht Platz für anderes"
Michael Fuchs ist Professor für Praktische Philosophie und Ethik an der Katholischen Privatuniversität Linz. Bild: privat

Der Philosoph Michael Fuchs über die Motive für den Verzicht, über den Überdruss im Überfluss und persönliche Erfahrungen mit dem Fasten.

Verzicht: "Wir leben unser Leben nicht nur, wir führen es. Deshalb können wir auch verzichten", sagt Michael Fuchs, Professor für Praktische Philosophie und Ethik an der Katholischen Privatuniversität Linz. Mit den OÖNachrichten sprach er über seine philosophischen Betrachtungen zum Thema Verzicht.

 

OÖN: Selbst wer mit Gott und dem Glauben nichts zu tun hat, ahnt, warum alle Religionen sich mit Fasten beschäftigen. Was bewirkt Fasten in uns?

Fuchs: Es ist nicht alleine das religiöse Gebot, das uns zum Fasten zwingt. Viele leben den Verzicht, auch wenn sie gar nicht religiös sind. Und das ist für einen Philosophen gar nicht so überraschend. Askese spielt eine wichtige Rolle bei den alten Philosophen. Der Körper wird als Gefängnis der Seele beschrieben. Die Askese ist der Weg, zu seinen Neigungen Nein zu sagen oder sie zumindest kritisch zu betrachten. Anders als bei Tieren ist der Geist beim Menschen stärker als sein Körper, jedenfalls haben Philosophen das unterstellt und manchmal auch eingefordert.

Was sind die Motive für den Verzicht?

Das kann natürlich die Sorge um die eigene Gesundheit sein. Es kann aber auch das Bewusstsein sein, dass es Höheres gibt als den leiblichen Genuss. Und es kann die Überzeugung sein, dass Überfluss auf unserer Welt nicht für alle gilt. Verzicht ist in diesem Fall eine solidarische Handlung – symbolisch oder tatsächlich. Allerdings sollte man von Verzicht nur dann reden, wenn ich das, worauf ich verzichte, für gut halte. Nicht dann, wenn ich etwas schlechtrede. Außerdem gilt, dass man Fasten und Diäten auseinanderhalten muss. Abnehmen wäre daher kein Motiv für einen echten Verzicht.

Überdruss im Überfluss – trifft das auf unsere Gesellschaft zu?

Ja und nein. Der Überdruss stellt sich ein, weil vieles leicht zugänglich und selbstverständlich ist. Es gibt keine Wertschätzung für Dinge, die im Überfluss vorhanden sind. Was knapp ist, wird immer schon besonders geschätzt. Der Überfluss gilt aber nicht für alle. Aus moralischer Sicht ist das Gerechtigkeitsproblem das wichtigere.

Warum schaffen wir es oft nicht, mit weniger auszukommen?

Weil wir körperliche Bedürfnisse und Gewohnheiten haben.

Wer mit anderen teilt, gewinnt eigentlich viel dazu. Wie können Sie das erklären?

Man gewinnt Freiheit für sich, eine gewisse Unabhängigkeit von seinen Bedürfnissen. Wir teilen außerdem, weil wir symmetrische Nahbeziehungen suchen. Wir möchten, dass es den Menschen in unserer Nähe gut geht. Das hat auch mit dem Bedürfnis nach Geselligkeit und Gemeinschaft zu tun.

Macht Verzicht glücklich?

Nicht automatisch. Verzicht funktioniert, weil wir dadurch Platz machen für anderes. Das kann dann das sein, was uns glücklich macht. Als Philosoph fühle ich mich aber nicht berufen, zu erklären, wie man sein Glück findet.

Welche Gründe gibt es für den neuen Hang zum Minimalismus?

Es ist das Bedürfnis, in einer lauten, überfüllten Welt die Reduktion herbeizuführen. Dieser Wunsch ist eine Reaktion auf das urbane Leben.

Auch Entschleunigung ist ein Schlagwort unserer Zeit und eine Form von Verzicht. Woher kommt die Sehnsucht der Menschen nach langsamen Leben?

Wer von uns möchte wirklich ein langsameres W-Lan haben? Und wer möchte wirklich auf den schnellen Railjet verzichten? Ich glaube einfach, dass die Entschleunigung nicht so verbreitet ist wie wir glauben. Im Urlaub kann die Langsamkeit bleiben, auch beim Essen. Und es ist gut, sich für wichtige Sachen Zeit zu nehmen. Die Entschleunigung ist aber nicht an sich ein Wert. Tempo ist gut, wenn es funktional ist.

Was bedeutet Fasten für Sie persönlich?

Ich bin sicher kein asketischer Typ. Aber ich verzichte schon manchmal auf Fernsehen oder auf Alkohol. Als junger Erwachsener habe ich einmal an einer Fastenaktion teilgenommen. Wir haben damals so viele Kalorien zu uns genommen, wie das Essen bei der Armenausspeisung in Chile hatte. Wir wollten wissen, wie sich das anfühlt. Das habe ich damals – und auch heute noch – als sinnvoll empfunden.

Wie sinnvoll ist das Fastenbrechen?

Das ist in den meisten Religionen mindestens genauso wichtig wie das Fasten. Das hat mit dem für den Menschen so wichtigen Rhythmus im Leben zu tun. Nach dem Karneval kommt eben die Fastenzeit. Dieser Rhythmus wird von den Religionen gut wahrgenommen.

mehr aus Spezial

Fit im Internet: Das Weiterbildungs-Event für alle, die sich für digitale Technologien interessieren.

Online-Abschlussveranstaltung des OÖN-Börsespiels 2021

Forum für pflegende Angehörige: Diskussion und Tipps zu Recht, Finanzen und Alltag

Schwammerl: Zwischen Genuss und Gefahr

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

7  Kommentare
7  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
fotoeder (340 Kommentare)
am 21.03.2016 08:57

Wenn ich mir anschaue dass die Spenden jetzt eingefordert werde, was den OÖN keine Meldung wert ist, kann man sich ja vorstellen wie es um die Staatsfinanzen bestellt ist. Da wird der Verzicht bald in Mode kommen, ob freiwillig oder gezwungen.

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 21.03.2016 09:59

Der Staat verabschiedet sich von Agenden, die andere genau so gut erledigen können. Nicht erst seit gestern.

(Dass dabei gerade in Österreich WEIT übers Ziel geschossen wird, bzw unhaltbare Härten auftreten, zB Post, steht auf einem anderen Blatt. )

lädt ...
melden
antworten
haspe1 (23.645 Kommentare)
am 21.03.2016 08:27

Ich werde heuer auch wieder verzichten!

Worauf?

Auf das "Verzichten".

Auf das eher banale Blabla des Philosophen kann ich auch locker verzichten.

Wirklich freuen würde mich, wenn sämtliche Beamten-Pensionisten und jene, die kurz vor der Beamtenpension, pardon, vor dem Ruhestand sind (ein Beamter geht ja nie in Pension) auf ihre Pensionsprivilegien zu Ungusten der ASVG-Versicherten verzichten würden.

Pensions-Fasten sozusagen. Das würde nämlich den Staat enorm entlasten, ja sogar "entschlacken" könnte dieser dann.

Auf diese Art von "Verzicht" warte ich aber wohl vergeblich und ich vermute stark, auch Herr Philosoph Fuchs und Konsorten haben Pensions-Regelungen, die weit über das ASVG hinausgehen.

Da lässt sich fein über das "Verzichten" philosophieren. Adalbert Stifter hat auch am besten über das karge und entbehrungsreiche Leben der armen Leute schreiben können, wenn er sich seinen Wanst angefressen hat und wie ein Loch gesoffen hat. Man schaue sich nur an, was Stifter so

lädt ...
melden
antworten
haspe1 (23.645 Kommentare)
am 21.03.2016 08:28

alles zu sich genommen hat. Unglaubliche Mengen an Speisen und Trank (Alkohol). Aber das war wohl auch teils "Ersatzbefriedigung" wegen seiner unglücklichen Liebschaften...

lädt ...
melden
antworten
gerald160110 (5.609 Kommentare)
am 21.03.2016 07:15

Es ist schon ein Unterschied zwischen den Religionen, den im Judentum fassten wir keine Wochen, wie in den anderen beiden Weltreligionen, sondern, jeweils nur fünf einzelne Tage. Wobei nur der Jom Kippur und Tischa beAv zwei strenge Fastentage im Jahr sind, die auch wirklich von beinahe allen Juden begangen werden, bei den anderen sieht es schon etwas anderes aus. Jom Kippur ist nicht nur die Versöhnung mit Gott, sondern vielmehr die Versöhnung zwischen den Menschen, wie auch das Gedenken an die Verstorbenen.

lädt ...
melden
antworten
pepone (60.622 Kommentare)
am 21.03.2016 06:04

im Artikel :

Warum schaffen wir es oft nicht, mit weniger auszukommen?

Weil wir körperliche Bedürfnisse und Gewohnheiten haben.

ja und nein ...
weil wir NICHT bereit sind unseren Wohlstand einzuschränken ...
der Körper gewöhnt sich sehr schnell auf Verzicht , bzw. auf WENIGER !

bsp :
den Körper der Raucher/in gewöhnt sich binnen wenige Tage dass er KEIN Nikotin mehr bekommt ... aber der MENSCH bringt KEIN WILLE auf ...
DER GEIST IST SCHWACH WEIL KEIN WILLE VORHANDEN IST !

lädt ...
melden
antworten
pepone (60.622 Kommentare)
am 21.03.2016 05:54

wenn das Fasten als persönliche sinnvolle Sache angesehen wird ist es OK ..
aber nicht im Zusammenhang mit Religion die ihre Diktatur ausbreiten will !

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen