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„Das sind ja Märchen. Sie sind ein verstockter Sünder“

12. Februar 2009, 00:04 Uhr
Anton Bulgari Repro: Reiter Bild: unbekannt

LINZ. Ein dramatisches Zeitdokument über die Justiz des Jahres 1934 ist der Standgerichtsprozess gegen Anton Bulgari vom 21. Februar 1934 in Linz. Es ist die Mitschrift eines Gerichtsredakteurs, der Akt ist verschollen.

Vorsitzender Adolf BAYER: Bekennen Sie sich schuldig?

Anton Bulgari: Nein. Ich hab’ auf das Auto nicht geschossen, sondern nur einen Schuss abgegeben.

Vorsitzender: Nur? Das werden wir beurteilen. Erzählen Sie, wie war es?

Bulgari: Ich hab’ am 12. Februar ganz normal in der Poschacher-Brauerei zu arbeiten begonnen. So um neun hat’s plötzlich geheißen: Generalstreik.

Vorsitzender: Aus heiterem Himmel kommt kein Generalstreik. Wer hat ihn angeordnet?

Bulgari: Das weiß ich nicht, es haben alle davon gesprochen.

Vorsitzender: „Es“. Dieses „es“ wird in diesem Prozess eine große Rolle spielen.

Bulgari: Wir haben die Arbeit liegen gelass’n und und san umanand g’standen. Aussi kommt kaner mehr. S’ Tor war g’sperrt und Posten san davor gestanden. Vül Fremde waren im Hof.

Vorsitzender: Was waren das für Leute?

Bulgari: Eisenbahner in der Uniform, gemischt mit Zivil. Ich habe auch vom Betriebsrat Wurmböck nicht erfahren, was los ist. Schließlich sind wir gegen 14 Uhr zur Reichsstraße abmarschiert.

Vorsitzender: Also Sie haben sich durch Stunden hindurch für nichts interessiert. Etwas müssen Sie sich aber doch gedacht haben?

Bulgari: Dass a Einfall bevorsteht und dass wir deshalb die Brauerei besetzen.

Vorsitzender: Wer sollte einfallen? Wenn Sie sich gar so dumm stellen, dann werden Sie die Folgen tragen.

Bulgari: Weil die Eisenbahner Gewehre gehabt haben, hab’ ich auf einen Überfall gedacht. Durch die Heimwehr.

Vorsitzender: Warum denn gerade die Heimwehr?

Bulgari: Das weiß ich nicht. Wir waren überhaupt schlecht unterrichtet.

Vorsitzender: Sie reden die Unwahrheit. An Ihrem langen Nachdenken merkt man schon, dass Sie nichts verraten wollen. Was wollten denn die Eisenbahner bei euch?

Bulgari: Sie ham sich halt alles ang’schaut.

Vorsitzender: Mit Waffen, der reinste Schülerausflug. Das sind ja Märchen.

Bulgari: Schießscharten ham’s g’macht in der Planken. Einer mit an Lederrock, einer mit an Gamsbart haben g’sagt, wir brauchen euch. Spioniert ham’s gegen die Straßen. Dann sind wir alle hinaus wegen einer Schießerei mit der Volkswehr. Dann haben die beiden Herren mit dem Lederrock und Gamsbart das Beziehen einer Stellung befohlen. Ich bin bei der Tür des Tramwayhäusels stehen geblieben und man hat mir angeschafft, vorwärts zu schauen, weil jedes Auto aufgehalten werden sollte. Ich hab’ mich deckt. Auf was ich eigentlich gewartet hab’, das weiß ich selber nicht.

Vorsitzender: Sie sind ein verstockter Sünder.

Bulgari: Dann ist stadtauswärts ein Auto gekommen, wir haben es auf Befehl des Herrn mit dem Gamsbart und des Wurmböck ausgelassen, weil es keine Waffen und keine Besatzung hatte.

Vorsitzender: Nun kam das Auto von Wels.

Bulgari: Ja, ein militärisches. Unsere Leut’ ham „Halt“ geschrien. Einer im Auto hat dem Chauffeur den Revolver an die Brust gesetzt, damit er weiterfährt. Der Wagen ist aber doch stehen geblieben und da wurde aus dem Auto geschossen, und da hat es bei uns auch angefangen.

Vorsitzender: Umgekehrt! Ihr habt auf das noch fahrende Auto geschossen und da haben die von Banditen, Wegelagerern, Überfallenen sich gewehrt. Zu ihrer Verteidigung gegen eine Horde.

Bulgari: Sie haben angefangen, da hat es geheißen „schießen tuans“ und da ist es bei der Arbeiterschaft losgegangen.

Vorsitzender: Nehmen Sie das Wort Arbeiterschaft nicht in den Mund, bei Ihnen wird es zur Beleidigung. Die Aufrührer haben geschossen. Haben Sie geschossen?

Bulgari: Nein, da hätt’ ich ja die Aufrührer getroffen.

Vorsitzender: Um die wäre es nicht schad’ gewesen. Was war dann?

Bulgari: In einem Augenblick war alles ums Auto. Da hat einer herausgeschaut. Und da hat der Gschwandtner mit dem Krampen einig’haut. Dann ist ein Infanterist aus dem Auto gesprungen und zu einer Planken gelaufen. Dort hat er geschossen. Ich auch. Ich wollt’ aber nur sein Gewehr treffen, von ihm hab’ ich nur ein Stückerl vom Sturmhelm geseh’n.

Vorsitzender: Der Alpenjäger hat ja gar nicht auf Sie getroffen, sondern auf die Banditen. Sie haben den Soldaten von rückwärts niedergeknallt und dann, da muss er noch gelebt haben, ihm das Gewehr entrissen und wahrscheinlich ganz totgeschlagen. Das werden Zeugen beweisen. Das war ein Mord. Was haben Sie dann gemacht?

Bulgari: Dann bin ich in die Brauerei zurück, weil nichts mehr los war.

Vorsitzender: Ja, die Aufgabe war erfüllt. Die Alpenjäger ermordet, und da haben Sie sich ein Gasteinerwasser gegönnt.

Bulgari: Wenn er tot gewesen ist, so wär das ein Mord gewesen. Aber es steht gar nicht fest, ob ich ihn getroffen habe. Ich wollte ihn nur kampfunfähig machen.

Vorsitzender: Nein. Sie haben auf einen einzelnen Mann mit einem Mannlicher geschossen auf zwanzig bis dreißig Schritte. Dann sind Sie zur Siegesfeier in die Brauerei. Das war ein ganz gemeiner Überfall und keine Notwehr, auf was Sie anspielen. Was war in der Fabrik?

Bulgari: Da hat einer erzählt, dass man dem Herrn Offizier die Repetierpistole weggenommen hat.

Vorsitzender: Dann war es schändlicher Leichenraub, die Uhr hat man ihm auch gestohlen. Also: Sie haben auf den Alpenjäger gezielt?

Bulgari: Nur auf sein Gewehr.

Vorsitzender: Das könnten Sie bei Karl May gelesen haben. Mit grauen Haaren noch so zu lügen. Was Sie auch sagen, ob Mord oder Mitschuld daran, das bleibt sich gleich.

Staatsanwalt: Wer war besser gedeckt, Sie oder der Soldat?

Bulgari: Der Soldat.

Staatsanwalt: Merkwürdig, dass dann Sie nicht getroffen wurden, sondern er. Haben Sie gewusst, dass, wie die Bande in das Auto geschossen hat und ein Mann sich zur Planke retten wollte, dass es da um Leben und Tod gegangen ist?

Bulgari: Das weiß ich nicht.

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 25.02.2014 18:33

1933 ging ein junger Geselle von Linz a.d. Donau der Tradition gemäß auf die Walz.
Sein Weg führte ihn zu den großen Hochseehäfen nach Italien, nach Hamburg und von dort (Mai 1933) BBC- Werbung folgend ( ... in Odessa, in Sevastopol, werden die Modernsten Schiffe gebaut - da kannst Du was lernen ...) in den Vorraum der UDSSR - so wie er dieses Kapitel in seinem sauber geführten Walzbuch benennt.
Mit "Stoi!! ruki wech!! wurde er dort verhaftet und ein aufgepflanztes Seitengewehr dirigierte seine nächsten Schritt.
Nach mehreren Monaten in Gefängnissen des Arbeiter und Bauernparadieses kehrte er wieder zurück in seine Heimat - gerade rechtzeitig um sich an der Seite Bulgaris am Bürgerkrieg zu beteiligen.

Er war ein guter Beobachter und an den Geschehnissen um den 12. Feb. 34 unmittelbar beteiligt. An den Kämpfen. In der Standgerichtverhandlung und am Zellenfenster, von wo aus er einen guten Blick hinunter hatte auf die mittelalterliche Hinrichtungsmethode, die bei Bulgari angewandt.

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