"Schmähführen können andere besser"

Von Wolfgang Braun und Barbara Eidenberger   10.August 2017

Alois Stöger ist im Umzugsstress – der Sozialminister nutzt seinen Urlaub, um von Feldkirchen nach Ottensheim zu übersiedeln. Für die OÖNachrichten nahm er sich Zeit für ein Interview.

 

OÖNachrichten: Sie sind Spitzenkandidat der SPÖ in Oberösterreich. Wenn die SPÖ eine Chance haben will, die Wahl zu gewinnen, muss man in Oberösterreich stärkste Partei werden. Stimmen Sie zu, wenn wir sagen: So schwer war das noch nie?

Alois Stöger: Jede Wahl ist schwierig. Aber die SPÖ hat einen umfassenden Plan für Österreich präsentiert, und ich glaube, dass man mit dem, was wir in den vergangenen Jahren geleistet haben, selbstbewusst in eine Wahl gehen kann. Ich freue mich schon auf die Wahlauseinandersetzung. Ich halte nämlich nichts von Ablenkungen durch Nichtssagendes und Schmähs in Vorwahlzeiten.

Wer erzählt denn Schmähs?

Da gibt es derzeit viele in der Politik, die nur schöne Worte finden, aber Fortschritte blockieren. Zum Beispiel unsere "Aktion 20.000" zur Beschäftigung von älteren Langzeitarbeitslosen: Da gibt es welche in der ÖVP, die konstruktiv sind, wie Christoph Leitl oder Reinhold Mitterlehner. Die haben die Aktion unterstützt. In der gleichen Partei gibt es aber auch solche, die das verhindern wollen.

Die oberösterreichische SPÖ hat eine existenzielle Krise, liegt in Umfragen nur noch bei 13-15 Prozent. Wie soll da die notwendige Mobilisierung gelingen?

Wir haben mit der Erstellung der Listen gezeigt, dass es uns gelungen ist, ein junges, engagiertes und inhaltlich gutes Team zusammenzustellen. Jetzt geht es darum, unsere Inhalte zu vermitteln. Zum Beispiel, wie wir das, was in Österreich erarbeitet wird, fair verteilen. Es gibt Parteien, die verhindern, dass in Österreich Großkonzerne entsprechend besteuert werden. Da wollen wir mehr Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass man die Arbeit voll besteuert und andere es sich richten können. Wir wollen, dass der Aufschwung bei allen ankommt.

Die politische Stimmung entwickelt sich aber derzeit für die ÖVP von Sebastian Kurz.

Das ist schon vielen Parteiobleuten so gegangen. Das war bei Django auch so.

Die Frage der Integration spielt im SPÖ-Wahlprogramm eine untergeordnete Rolle. Ist das nicht eine Verkennung der Realität?

Integration spielt in vielen Bereichen eine Rolle und muss nicht immer diese Kennzeichnung tragen. Insgesamt haben wir mit Kurz seit 2011 einen Integrations-Staatssekretär bzw. seit 2013 sogar einen Integrationsminister. Ich vermisse offen gestanden die Erfolge.

Dann muss Ihnen weh tun, wenn Sie sehen, dass Sebastian Kurz die besten Sympathiewerte aller Politiker hat. Finden Sie das ungerecht?

Genau das macht es notwendig, einen inhaltlichen Wahlkampf zu führen. Schmähführen können andere besser, das streite ich nicht ab. Dort wo ich Verantwortung getragen habe, haben sich die Lebensperspektiven der Menschen verbessert. Schauen Sie sich den Arbeitsmarkt an: Beschäftigungsbonus, Ausbildungspflicht bei Jugendlichen, Arbeitsmarktintegrationsgesetz. Diese Maßnahmen auf den Boden zu bringen, ist harte Arbeit. Ich habe schon 2008, als ich Minister wurde, gesagt: Mich interessieren Ergebnisse, keine Sympathie-Rankings. Das halte ich bis heute so.

Bisher hat die SPÖ immer auf das Pensionsthema zurückgegriffen, wenn es brenzlig wurde. Erwartet uns wieder ein Wahlkampf, bei dem es heißt "Hände weg von den Pensionen"?

Ein Viertel der Menschen in Österreich bekommt durch unser Umlagen-System eine Pension. Daher wird das immer ein zentrales Thema für uns sein. Wir wollen, dass das Pensionskonto nicht angetastet wird. Alle müssen sich auf das verlassen können, was ihnen versprochen wurde.

Es gibt aber viele Experten, die das anders sehen und Reformen fordern, damit das System langfristig finanzierbar bleibt. Sie wissen, dass Sie in deren Augen als Blockierer gelten?

Seit den 50er-Jahren haben wir die Pensionen pünktlich jeden Monat überwiesen. Aber es gibt welche, die wollen mit diesem System Spielchen spielen. Da bin ich nicht dabei.

Auch SPÖ-Bundeskanzler haben in den 90er-Jahren die Notwendigkeit gesehen und in das Pensionssystem eingegriffen.

Wir haben das Pensionssystem vielfach an geänderte Umstände angepasst, aber mit Augenmaß.

Können Sie sich wieder eine Koalition mit der ÖVP vorstellen, oder ist die FPÖ das kleinere Übel?

Die ÖVP hat sich gewandelt. Alle konnten beobachten, wie man Reinhold Mitterlehner abmontiert hat. Früher ist die ÖVP eine Bürgermeister-Partei gewesen, die das Ausgleichende gesucht hat. Derzeit verabschiedet sich die ÖVP von diesen Werten. Sie macht nur noch Klientelpolitik. Daher geht es darum, dass die SPÖ möglichst stark wird. Wenn die SPÖ nicht die Mehrheit hat, kommt Schwarz-Blau. Einige oberösterreichische Industrielle wollen das, in deren Interesse würde dann auch Politik gemacht werden.

Sind Industrielle Ihr Feindbild?

Nein, im Gegenteil. Wer die Geschichte unserer Partei kennt, weiß, dass führende Sozialdemokraten immer die Industrie gestärkt haben. Aber wenn es darum geht, Rechte der Arbeitnehmer zu beschneiden, gibt es eine Grenze.