"Ich hoffe, dass bewährte verheiratete Männer Priester werden können"

Von Markus Staudinger und René Laglstorfer   24.März 2018

Seit etwas mehr als zwei Jahren ist der gebürtige Haibacher Manfred Scheuer (62) Diözesanbischof von Linz. Im Interview mit den OÖNachrichten spricht der frühere Bischof von Innsbruck über Priestermangel, Pflichtzölibat und seine Osterbotschaft an die Oberösterreicher.

 

OÖNachrichten: Herr Bischof, Sie lieben die Berge, waren gern in Tirol. Seit Anfang 2016 sind Sie Bischof in Oberösterreich. Sind Sie mittlerweile gut angekommen?

Manfred Scheuer: Ich war ja 25 Jahre meines Lebens nicht in Oberösterreich und habe mich auf meine Stationen – vor allem Trier und Innsbruck – jeweils mit einer Perspektive für den Lebensabend eingelassen. Das hieß auch Abschiednehmen vom Bisherigen. Natürlich bin ich immer wieder nach Oberösterreich zurückgekehrt. Meine Mutter und meine Geschwister leben ja hier. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt andauernd Heimweh nach Tirol hätte.

Sie sagen Heimweh. Sehen Sie Innsbruck als Ihr Zuhause?

Ich hab es damals als Zuhause empfunden.

Und Linz?

Das wird schon. Das äußere und innere Umfeld ist noch in Arbeit. Freundschaften zu erleben, etwas als heimelig zu erfahren – das braucht natürlich seine Zeit.

Zehn Männer haben vergangenes Jahr mit der Priesterausbildung in Linz begonnen, darunter waren nur zwei Oberösterreicher. Warum gelingt es nicht, mehr junge Männer zu begeistern?

Wir haben viele Ehrenamtliche in den Pfarren. Das heißt, es ist eine Kraft des Glaubens und des Engagements da. Auf der anderen Seite ist es schwieriger geworden, dass Leute dies zu ihrem Lebensinhalt oder Beruf machen. Da geht es nicht nur um Priester, sondern auch um Religionslehrer und pastorale Berufe. Das hängt an der Erfahrung mit Kirche und an der Einstellung zum Glauben in der Gesellschaft. Die ist pluraler, individueller, vielfältiger geworden. Insgesamt würde ich aber nicht sagen, dass die Religion ein Auslaufmodell ist, wie sich das Auguste Comte im 19. Jahrhundert gedacht hat.

Sie sprachen sich einmal dafür aus, das "Paket" der österreichischen Pfarrer-Initiative "aufzuschnüren". Welche Forderungen würden Sie umsetzen und welche nicht?

Über bestimmte Anliegen, wie zum Beispiel die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten, muss intensiv geredet werden. Im Bereich der Ehe und der Familie ist das beispielsweise in den Synoden auch geschehen. Aber man kann die Pfarrer-Initiative nicht in all ihren Anliegen aufgreifen. Das hätte damals wie heute einen Riss für die Kirche bedeutet, den wir nicht überstehen würden.

Die Pfarrerinitiative wünschte sich eine Abschaffung des Pflichtzölibats: Wie stehen Sie dazu?

Ich habe die viri probati (bewährte, verheiratete Männer, die zum Priester geweiht werden, Anm.) bei der Bischofssynode 2005 eingebracht. Damals ist es nicht aufgegriffen worden. Inzwischen gibt es wieder Diskussionen, ob ein Experiment gemacht werden soll. Grundsätzlich würde ich das erhoffen. Aber ich werde mit der Diözese Linz keinen Sonderweg gehen und mich nicht von anderen Diözesen Österreichs oder der Weltkirche abspalten.

Auch Sie hoffen also auf eine Abschaffung des Pflichtzölibats?

Ich würde nicht sagen Abschaffen des Zölibats. Ich erhoffe mir, dass auch bewährte verheiratete Männer Priester werden können. Eine Voraussetzung dafür ist für mich aber auch, dass man den Zölibat und die damit verbundene Lebensform nicht in Bausch und Bogen verachtet, was gegenwärtig aber geschieht. Da wünsche ich mir eine größere Wertschätzung.

Was sagen Sie zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen Caritas, die den Sozialkurs der Regierung kritisiert, und Kardinal Schönborn, der die Regierung für das Sparen lobt?

Der Kardinal sagte, dass Schuldenmachen unsozial ist und auf Kosten der kommenden Generationen geht. Wir zahlen im Jahr Milliarden von Zinsen, die auch im Sozialbudget abgehen. So tickt der Kardinal und da hat er nicht Unrecht. Wenn ich in der Kirche als Unternehmen so viele Leute anstelle, dass ich sie nicht bezahlen kann, dann müsste ich in fünf Jahren den Laden zusperren – so war es bei deutschen Diözesen. Der Kardinal hat aber auch dazugesagt: Bei den Einsparungen braucht es einen öffentlichen Diskurs darüber, wie das sozial verträglich geschehen soll. Und es ist Aufgabe der Caritas, dafür einzutreten, dass das nicht auf Kosten der Schwächsten und der Armen geht. Das war seine Stellungnahme. Es gibt also Unterschiede, aber ich sehe keinen kontradiktorischen Gegensatz. Das soziale Anliegen verbindet beide.

Wie lautet Ihre Osterbotschaft für die Menschen in Oberösterreich?

Stärker als der Tod und stärker als das Böse sind die Hoffnung und die Kraft der Liebe. Gegenwärtig gibt es viele Erfahrungen von Verletzung, Verachtung, Ausgrenzung und Gleichgültigkeit. Das sind Schattierungen, die alle etwas vom verwundeten Leben sehen lassen. Was ich mit Ostern verbinde, ist das Hinschauen und die Wahrnehmung des Leidens, aber nicht im Sinne des Resignierens oder der Gleichgültigkeit, sondern im Sinne des Dranbleibens und der Hoffnung. Der Status quo hat nicht das letzte Wort. Es muss nicht so bleiben, wie es ist. Die positive Veränderung ist die Botschaft.

"Der Mariendom hat eine besondere Ausstrahlung"
Ein Wahrzeichen Oberösterreichs

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„Pro Mariendom“: Bischof Scheuer bittet für die Sanierung das Domes auch um private Spenden

OÖN: Herr Bischof, wann waren Sie zum ersten Mal im Linzer Dom?

Bischof Scheuer: Als Zwölfjähriger, als mein Cousin zum Diakon geweiht wurde. Im Priesterseminar habe ich dann intensive Erfahrungen mit dem Dom gesammelt, manche davon – besonders im Winter – waren wegen der Kälte sehr erfrischend (lacht). Jetzt bei der Renovierung des Innenbereiches haben wir eine Infrarot-Heizung in die Sitzauflage der Bänke eingebaut. Das hat dazu geführt, dass die Leute bei meiner Silvesterpredigt aufgestanden sind, weil es so heiß war. Ich habe mir zunächst gedacht: Hab’ ich jetzt etwas Falsches gesagt?

Haben Sie eine Lieblingsecke im Dom?

Die Märtyrer-Ecke, in der die Märtyrer von Lorch gewürdigt werden, Florian und Maximilian. Dort ist auch eine Stele für Franz Jägerstätter. Der Gedenkort ist mir sehr wichtig. Genauso, dass unter dem neuen Altar Reliquien von Märtyrern aus der Zeit des Nationalsozialismus eingebettet sind.

Was fehlt dem Mariendom, was sind seine Wehwehchen?

Gefährlich ist, dass Fugen im Domturm nachgeben. Das hätte massive Auswirkungen auf die Steine. Der Dom ist im Krieg auch von Bomben getroffen worden. Beschädigte Glasfenster, die ein zeithistorisches Dokument sind, sind damals nur notdürftig geflickt worden.

Warum braucht es für die Domsanierung auch die Mithilfe der Oberösterreicher über Spenden?

Für mich ist es faszinierend, dass der Dom im 19. Jahrhundert fast ausschließlich über Spenden erbaut worden ist. Die Zeit war damals ja nicht unbedingt die große Blüte der Kirche. Es gab Auseinandersetzungen mit dem Liberalismus. Heute wird der größte Teil der Sanierung von der Kirche und der Rudigier-Stiftung getragen, die für den Erhalt des Doms da ist. Wir hoffen auch auf Zuwendungen von Bund, Land und Stadt. Zusagen gibt es. Aber ich bitte auch um die private Unterstützung. Der Dom ist für das kulturelle Gedächtnis und für die Identität des Landes ein wichtiges Zeugnis. Gerade in der Verbindung von Kunst und Religion hat der Mariendom eine besondere Ausstrahlung.

 

Spenden für den Linzer Dom

Wer für die Sanierung des Linzer Mariendoms spenden und den Betrag steuerlich absetzen möchte, kann direkt an das Bundesdenkmalamt (AT07 0100 0000 0503 1050) überweisen. In die vier Zeilen des Verwendungszwecks einfach den Vor- und Nachnamen, das Geburtsdatum, den Aktionscode 34 (um die Spende richtig zuzuordnen) und die Adresse eintragen.