"Wir können nicht zaubern"
WIEN. Warum Österreichs Universitäten im internationalen Wettbewerb unter unfairen Bedingungen kämpfen und was er sich von Sigmund Freud abgeschaut hat, sagt der neue Chef der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch, im OÖNachrichten-Gespräch.
OÖN: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, den Universitäten fehlen die Spielregeln, um Spitzenleistungen zu erreichen. Was wollen Sie dagegen tun, außer, wie ein Trainer am Spielfeldrand zu stehen und "Foul" zu rufen?
Oliver Vitouch: Mit "Foul"-Rufen wird es sicher nicht getan sein. Mit den anderen 20 Unis und der Politik müssen wir uns bemühen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die jetzige Situation mit dem sogenannten freien Zugang, der im Verhältnis dazu strukturellen Unterfinanzierung und der Erwartung von Spitzenleistungen ist die Quadratur des Kreises, sie gelingt nicht. Die Politik muss aufwachen. Ich halte es da mit Sigmund Freud: "Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör verschafft hat."
Ein Ausweg wäre die von den Unis geforderte Studienplatzfinanzierung. Bei gleich bleibendem Budget hieße das weniger Studienplätze. Um wie viele?
Es kann nicht Aufgabe der Rektoren sein, eine Reduktion der Studienplätze zu fordern. Wir haben uns mit Wissenschaftsminister Mitterlehner auf den ernsthaften Versuch dieses Modells geeinigt. Die Frage, was sich der Staat seine Universitäten kosten lassen will, muss aber die Politik beantworten. Dass die derzeitigen Zustände, wo in manchen Fächern über 50 Prozent der Studienanfänger nicht zum Abschluss gelangen, nicht effizient sind, liegt auf der Hand.
Also braucht es mehr Geld oder rigorose Zugangsschranken?
Es braucht ein Bekenntnis zur Kostenwahrheit und das Eingeständnis, dass Kapazitäten nicht beliebig dehnbar sind. Fußballerisch gesagt: Niemand käme auf die Idee, seine Mannschaft in einem internationalen Turnier mit fünf Spielern aufs Feld zu schicken, sagend: Mehr können wir uns nicht leisten.
Welche Summe fehlt den Unis?
Wenn wir davon reden, faire Spielverhältnisse zu schaffen, dann brauchen wir von 2019 bis 2021 um 500 Millionen Euro pro Jahr mehr. Damit könnten wir uns auch dem Ziel, zwei Prozent des BIP für den Hochschulsektor bereitzustellen, nähern. Derzeit befinden wir uns bei 1,5 Prozent in stabiler Seitwärtsbewegung.
Kanzler Kern hat Zugangsbeschränkungen in Informatik an der TU Wien als "gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll" kritisiert. Was halten Sie ihm entgegen?
Es gibt mir Hoffnung, dass die SPÖ nach Jahren des diesbezüglichen Dämmerschlafs wieder einen hochschulpolitischen Gestaltungsanspruch erhebt, der über "Wir haben eh den freien Zugang" hinausgeht. Wenn man sagt, es ist nicht sinnvoll, Studieninteressierte abzuweisen, dann ist es geboten, die Unis entsprechend auszustatten. Wir können nicht zaubern.
Die SPÖ lehnt Studiengebühren vehement ab. Ist sie da ideologisch auf dem falschen Dampfer?
Sie hat sich zu sehr versteift auf ein System, das in den 70ern, wo wir 50.000 Studenten hatten, sinnvoll war, aber bei fast 300.000 Studierenden nicht. Es ist zynisch zu sagen, wir brauchen keine Gebühren, aber gleichzeitig die Ressourcen nicht bereitzustellen. Selbst moderate Gebühren von 363 Euro pro Semester brächten 200 Millionen Euro im Jahr. Trotzdem können diese eine solide staatliche Finanzierung bestenfalls ergänzen.
Die Fachhochschulen bekommen Geld aus der Bankenmilliarde der Regierung, die Unis nicht. Sind die FHs die besseren Lobbyisten in eigener Sache?
Ich kann es nicht enträtseln, aber teils ist es ein politisches Spiel, wo Wirtschaftskammer- und Länderinteressen eine Rolle spielen. In der Wirtschaft sind die günstigeren Gehälter von FH-Abgängern beliebt. Die FHs sind in der angenehmen Situation, jene Studienplatzfinanzierung zu haben, die sich die Unis wünschen. Die Schattenseite der praxisbezogenen Ausbildung ist, dass Gelerntes oft schnell veraltet. Bei allem Respekt: Mir ist kein europäisches Land geläufig, das durch die besonderen Erfolge seines Fachhochschulsektors berühmt geworden wäre.
Zum Schluss: Sie haben mit Ihrer Frau, Professorin an Ihrer Uni, einen Beitrag in "Kinder, Küche, Konferenzen – die Kunst des Jonglierens" verfasst. Haben Sie ein Erfolgsrezept zur Vereinbarkeit?
Wenn ich das hätte, würde ich es gerne weitergeben. Es ist jeden Tag aufs Neue Improvisation und der Vorsatz, sich nicht unterkriegen zu lassen. Die vielbeschworene Vereinbarkeit ist echt nicht leicht. Gute Infrastruktur löst nicht alle Probleme, aber sie hilft ungemein.
Zur Person
Oliver Vitouch hat nach dem Aufstieg von Sonja Hammerschmid zur Bildungsministerin im heurigen Juni den Vorsitz in der Universitätenkonferenz übernommen. Der 45-jährige Wiener ist seit 2012 Rektor der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, verheiratet und hat zwei Kinder.
Die Universitäten haben viel zu viel Geld!
...solange sie solch unwissenschaftlichen Schwachsinn wie Gender Studies finanzieren (und allen Studenten als Pflichtfach vorschreiben!) können.
Siehe auch: http://www.danisch.de/blog/2013/07/09/katastrophal-schlechte-prufungsfragen-aus-gender-studies-prufung-geleakt/
Diese Prüfungsfragen stammen anscheinend von der JKU Linz.
Der Stoff einiger Soziologievorlesungen ist nicht besser.
XerMandi
die FHs können sich das "Studentenmaterial" aussuchen, die Unis nicht.
Und die Zugangsbeschränkungen, die jedes Jahr auf den Unis ausgeweitet werden?
Die Zielrichtung ist eine andere geworden. Welche Uniabgänger wollen wir? Wichtig geworden sind die Brauchbarkeit der Leute in der Wirtschaft und die Effizienz der Uni, meßbar am Output.
Die Fachhochschulen, durchgehend verschult mit fixen Stundenplänen, senken nochmals die Dropoutrate effizient.Alles ok.
Nur, es fehlt Muße und deren Kind Kreativität.
Zu viel Salat und zu wenig Orchideen.
Der Bedarf an Verwaltern und Kontrolleuren ist einfach zu hoch, besonders im Staatsdienst. Da jammern sogar die Primarii
FHs sind nichts anderes als HTLs auf einer anderen Ebene. Breitere Bildung bieten HTLs.
Keine Schule ist absolut unwichtig und ALLE leben und zehren von den Unis, oder?
Die FHs sind in den 70ern installiert worden, um das statistische Akademikerdefizit in Österreich auszubessern. Jetzt haben sie zusätzlich den Zweck, den vielen juristischen Müll über die Studenten auszugießen, für den die Juristen selber zu faul sind.
Ich kann mich noch in Deutschland im Entwicklungslabor an einen französischen Kollegen erinnern. Der konnte den deutschen Ing.(grad) das Wasser nicht reichen, uns Österreichern (Ing.) sowieso nicht. Aber er kam aus einer "Academie", nicht aus einer "Ecole" und deswegen war er Akademiker
Die deutschen Ing.(grad) sind damals, auch ohne Appretur, als Dippel(FH) nachdiplomiert worden
Nochwas zum Zehren: in der HTL in der Goethestraße hat es auch Professoren von der Uni gegeben aber die haben mich viel weniger interessiert als die von der Post und von der VÖEST und von der Stickstoff ...
Die waren natürlich auch Akademiker aber nach meinem Empfinden, weils halt notwendig war.
Alltagswissen bewegt uns mehr? Theorie ist nicht greifbar, sehr vergänglich, das Handwerkliche / das Materielle existiert wirklich.