Regierung und Grüne beschließen Bildungsreform

Von nachrichten.at/apa   19.Juni 2017

"Ich bin froh und erleichtert, dass wir eine gemeinsame Lösung für die Bildungsreform zum Wohle von Österreichs Kindern und Pädagoginnen und Pädagogen gefunden haben", erklärt Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) anlässlich des erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen zur Bildungsreform mit dem Grünen-Bildungssprecher Harald Walser. Die Reform bringe mehr Freiraum für Unterricht und Schulentwicklung - Stichwort Schulautonomie -, entpolitisierte und transparente Schulbehörden in den Bundesländern sowie Modellregionen für die Erprobung der Gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. 

Livestream von der Sondersitzung:

 

Verfassungsmehrheit im Parlament vonnöten

Die Einigung auf ein System von doppelten Mehrheiten bei den umstrittenen Modellregionen für die gemeinsame Schule hat am Montag den Durchbruch bei den Verhandlungen zum Schulautonomiepaket gebracht. Die Gesetzesmaterien sollen mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Grünen heute, Montag, dem morgen tagenden Unterrichtsausschuss zugewiesen und Ende Juni im Plenum beschlossen werden.

Für die Verabschiedung des Schulautonomiepakets ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat erforderlich und damit die Zustimmung von FPÖ oder Grünen. Letztere verlangten dafür unter anderem die Ermöglichung einer Modellregion zur Gesamtschule in Vorarlberg. Zuletzt waren die Verhandlungen dazu aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Mehrheitserfordernisse bei Abstimmungen über die Teilnahme an den Modellregionen unter Eltern und Lehrern an den einzelnen Standorten festgefahren.

Insgesamt dürfen bundesweit nur 15 Prozent aller Schulen einer Schulart die Gesamtschule erproben - also 15 Prozent der AHS-Unterstufen und 15 Prozent der Neuen Mittelschulen (NMS). Derzeit gibt es in Österreich rund 280 AHS-Unterstufen. 42 davon dürfen also insgesamt bei Modellversuchen mitmachen. Außerdem darf eine einzelne Modellregion nicht mehr als 5.000 AHS-Unterstufenschüler umfassen. Das würde etwa eine Modellregion in ganz Vorarlberg (derzeit knapp 4.000 AHS-Unterstufenschüler) ermöglichen. Gleiches gilt übrigens auch für das Burgenland mit knapp 3.500 AHS-Unterstufenschülern.

Eltern und Lehrer müssen zustimmen

Außerdem müssen an den einzelnen Standorten die Eltern und Lehrer zustimmen: Die Lehrer stimmen dazu bei Lehrerkonferenzen ab. Diese sind beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Pädagogen anwesend sind. Nötig ist dann eine einfache Mehrheit. Bei den Eltern ist es komplizierter: Auch hier muss bei einer Abstimmung die einfache Mehrheit erreicht werden. Nötig ist aber dabei zusätzlich eine Mehrheit von einem Drittel der insgesamt Abstimmungsberechtigten.

Sowohl Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) als auch Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) und der Grüne Bildungssprecher Harald Walser zeigten sich bei einer Pressekonferenz vor einer Sondersitzung des Nationalrats zufrieden. Hammerschmid sprach von "sehr intensiven neun Monaten" mit Verhandlungen mit Schulpartnern, Gewerkschaft, ÖVP und Grünen. Es sei "ein hartes Ringen gerade zum Schluss" gewesen.

Auch Walser sprach von einem "sehr harten, zähen Verhandlungsprozess". Die dabei gefundenen Kompromisse seien aber "keine faulen". In Sachen gemeinsamer Schule gebe es nun das "Ende einer fast 100-jährigen Blockade": "Wir haben es in Vorarlberg geschafft, aus dieser Ideologiefalle herauszukommen." Mahrer wiederum verwies darauf, das man sichergestellt habe, dass es an den Standorten eine Mitbestimmung der Schulpartner über die Einrichtung einer Modellregion gebe.

Info: Darum geht es bei der Bildungsreform

Mit dem im "Bildungsreformgesetz" geregelten Schulautonomiepaket sollen mehrere Bereiche neu geregelt werden. Einerseits sollen Schulen und hier vor allem Schulleitern mehr Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt bzw. durch Schaffung von Clustern Synergien gehoben werden. In einem zweiten Teil wird die Behördenstruktur adaptiert. Außerdem werden Gesamtschul-Modellregionen ermöglicht.

Zentraler Punkt des Autonomiepakets ist die Möglichkeit des Zusammenschlusses von bis zu acht Schulen in sogenannten "Clustern" unter einer gemeinsamen Clusterleitung. Grundsätzlich ist ein Zusammenschluss von Schulen zu Clustern freiwillig - ausgenommen sind Kleinschulen mit sinkender Schülerzahl, die sonst vom Zusperren bedroht sind. 

Die Clusterleiter (oder, wenn es keinen Cluster gibt, die Direktoren) erhalten in bestimmten Bereichen mehr Rechte. So können sie etwa flexible Gruppengrößen festlegen, Klassenschülermindest- wie -höchstzahlen sowie Teilungsziffern fallen weg. Dadurch freiwerdende Ressourcen können in Maßnahmen wie Förderangebote oder Teamteaching investiert werden. Auch die Auswahl von neuen Lehrern obliegt den Clusterleitern bzw. Direktoren. Vereinheitlicht wird der Auswahlprozess der Schul- bzw. Clusterleiter. Außerdem wird verfassungsrechtlich festgelegt, dass eine bundeslandesweite Durchschnittszahl von Schülern pro Klasse nicht überschritten werden darf.

Der zweite Teil der Reform betrifft die Schulverwaltung. Diese bleibt zwar in den Grundzügen gleich, es gibt weiter getrennte Zuständigkeiten und Instanzenzüge zwischen Bund und Land. Die Verwaltung soll allerdings - wie schon jetzt in den östlichen Bundesländern - unter einem gemeinsamen Dach erfolgen. Die Landesschulräte werden zu Bildungsdirektionen. Statt eines amtsführenden Präsidenten bekommen sie einen Bildungsdirektor, der bestimmte Kompetenzen aufweisen muss und gemeinsam von Landeshauptmann und Bildungsministerin bestimmt wird.