Die Grünen und ihr Präsident: "Nicht vereinnahmen, sondern wirken lassen"

Von Wolfgang Braun   10.Dezember 2016

Dass mit Alexander Van der Bellen erstmals ein Grüner in die Hofburg einzieht, dieser Aspekt ist bei den meisten Analysen zur Bundespräsidenten-Wahl eher stiefmütterlich behandelt worden. Internationale und nationale Medien hatten die Stichwahl nahezu einzig und allein auf die Frage reduziert, ob es der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer, ins Präsidentenamt schafft.

Geht es nach dem Politologen Peter Filzmaier, dann müsste den Grünen dieses Schattendasein ganz recht sein. "Selbstverständlich ist diese Wahl ein Meilenstein in der Geschichte der Grünen", sagt Filzmaier. Van der Bellen habe sich trotz einer wuchtigen Negativ-Kampagne gegen seine Person – unter anderem gegen den Vorwurf, er sei Kommunist – durchgesetzt. "Der Effekt wird aber umso größer sein, wenn die Grünen diesen Sieg einfach wirken lassen. Van der Bellen aktiv zu vereinnahmen, wäre hingegen nicht gut", warnt der Politologe.

Neue Schichten

Van der Bellens Wahl kann den Grünen helfen, neue Wählerschichten zu gewinnen. "Van der Bellen hat auch ÖVP-Wähler in ländlichen Regionen erreicht, also nicht nur die klassischen bürgerlich-liberalen Gruppen in den Städten", sagt Filzmaier.

Diese Schichten seien für die Grünen entscheidend, wenn sie bei Nationalratswahlen Richtung 15 Prozent wachsen wollen – denn der Austausch zwischen Grün- und SPÖ-Wählern sei überschätzt, so Filzmaier.

Daher sei es für die Grünen ein zusätzlich positives Signal, dass Van der Bellen am Sonntag auch bei der Kategorie der über 60-Jährigen vorne war – also in einer Altersgruppe, in der sich die Grünen bisher immer schwer taten. "Van der Bellen steht für die gemäßigten, bürgerlichen Grünen, von denen es in Österreich immer schon sehr viele gegeben hat", sagt Filzmaier.

Aber nicht nur die Wahl Van der Bellens ist eine Mutinjektion für die Grünen. Auch der Wahlkampf des Teams von Van der Bellen war perfekt inszeniert. "Es war eine extrem professionelle Kampagne mit einem sehr gelungenen zivilgesellschaftlichen Schneeballsystem", sagt Filzmaier.

Professionelle Kampagne

Die Zeiten, in denen die Grünen in Wahlkämpfen in Schönheit gestorben sind oder dilettantische organisatorische Fehler begingen, dürften endgültig vergangen sein. Die Erfahrungen von Wahlkampfleiter Lothar Lockl und Kampagnenmanager Martin Radjaby-Rasset von der Agentur Jung von Matt/Donau werden den Grünen selbstverständlich zunutze kommen.

Gegen vereinzelte Widerstände bei den Grünen haben Lockl und Radjaby-Rasset eine Kampagne gestaltet, in deren Mittelpunkt immer wieder der Begriff "Heimat" stand.

Selbst als der Verfassungsgerichtshof Anfang Juli den Sieg Van der Bellens bei der Stichwahl vom 22. Mai annullierte und eine Wahlwiederholung ansetzte, ließ man sich nicht entmutigen. Rasch entwarf man eine Jetzt-erst-recht-Welle mit Sprüchen wie "Mehr denn je – VdB".

Die Choreografie passte perfekt bis ins Finale des Wahlkampfes, vor allem auch in den sozialen Medien. In der letzten Woche vor dem 4. Dezember hatte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer ca. 70.000 Interaktionen auf seiner Facebook-Seite – bei Alexander Van der Bellen waren es rund vier Mal so viele.