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Die Gefühllosigkeit der EU

Von Peter Filzmaier, 24. April 2014, 00:04 Uhr
Die Gefühllosigkeit der EU
Dem Europäischen Parlament trauen die Österreicher unter den EU-Institutionen noch am meisten, aber auch deutlich weniger als nationalen Behörden. Bild: APA

Die Europäische Union tut sich schwer mit der Politik der Gefühle. Nicht nur in Österreich ist das positive Image der Union in den vergangenen Jahren gesunken. Dabei gibt es gravierende Unterschiede im „Europa-Gefühl“ zwischen den Bewohnern einzelner Staaten. Der Politologe Peter Filzmaier analysiert das emotionale Manko der Europäischen Union.

Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll", schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Doch schlägt unser politisches Herz in erster Linie für die Heimatgemeinde? Ist es dem Bundesland verbunden? Oder denken wir als österreichische Staatsangehörige, als EU-ropäer oder vielleicht gar als Weltbürger?

Theoretisch kann man alle fünf Identitäten haben. In der Praxis wird das Gemeinschaftsgefühl stets auf einer dieser Ebenen am stärksten und anderswo am schwächsten sein.

Letzteres trifft für die EU zu. Diese tut sich schrecklich schwer mit einer Politik der Gefühle, die im Republikanismus als Voraussetzung für sowohl sich beteiligende Bürger als auch deren Identifikation mit dem großen Ganzen gilt. Politiker aller Länder und Parteifarben scheitern im laufenden Wahlkampf für das Europäische Parlament, eine gefühlsmäßige Bindung mit den Wählern aufzubauen. Wie sollte es anders sein, wenn sich in vielen Mitgliedsländern bestenfalls eine knappe Mehrheit wenigstens teilweise als EU-Bürger sieht?

Euro verbesserte wenig

Besonders kläglich versagt hat der Euro als identitätsstiftendes Merkmal. In einer supranationalen Organisation, welche mangels Bekanntheit ihrer Spitzen- und Volksvertreter – die Mehrheit unserer EU-Abgeordneten kennen zwischen null(!) und fünf Prozent der Österreicher – bloß eine Flagge und Hymne als Einheitssymbole hat, war es naheliegend an Integrationseffekte mittels gemeinsamer Währung zu glauben.

Die Bilanz ist jedoch peinlich: Obwohl seit mehr als 12 Jahren jeder Wirtschaftstreibende oder privat Reisende die Gemeinschaftswährung nutzt, sagen 80 Prozent der Österreicher, dass sich dadurch an ihrer EU-ropäischen Identität nichts geändert oder verbessert hätte. Das sagt inhaltlich nichts über die Währungspolitik in Europa aus, doch sind folgerichtig auf pure Emotionen ausgerichtete Inszenierungen für EU-Skeptiker viel einfacher als etwa für überzeugte Befürworter des Euro.

Hinzu kommt das Minimalvertrauen in die Institutionen der Union, von 34 Prozent in die Zentralbank bis 39 Prozent ins Parlament. Daher heißt es oft: "EU-ropa hat keine politische Kultur!" Das ist falsch, weil irgendwelche Meinungen und Einstellungen zur EU hat natürlich jeder. Auch und gerade die vielen Misstrauischen und Nichtwähler. Das Problem der EU sind leider deren gewaltige Differenzen.

So schwankt das persönliche Glücksgefühl von zwei Prozent als "sehr zufrieden" in den abwertend bezeichneten PIGS-Staaten – Portugal, Italien, Griechenland und Spanien – bis zu über 90 Prozent in Skandinavien und im Benelux-Raum. Dementsprechend unterschiedlich sind die Erwartungen an die Politik der EU, dass durch sie alles bloß besser oder nur schlechter werden könnte. Optimistisch in die Zukunft blickt in Griechenland weniger als ein Drittel der Bürger, in Dänemark sind es drei Viertel und in Österreich knapp 50 Prozent. Also haben die Griechen mehrheitlich Angst vor allem, was die EU politisch plant, die Dänen freuen sich darauf und hierzulande weiß man es nicht. Das subjektive Empfinden einer positiven Wirtschaftslage reicht von unter 10 Prozent in neun Staaten der EU bis zu 85 Prozent in Schweden. 60 Prozent der Deutschen und immerhin 49 Prozent der Österreicher sehen eine positive Lage auf dem Arbeitsmarkt, anderswo glaubt das genauso weniger als jeder Zehnte.

Große nationale Unterschiede

Wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen, die es ohne Verdrängungsängste allen recht machen, das gibt es demnach nicht.

Wie kann generell eine gemeinsame und machtvolle EU-Politik auch akzeptiert werden, wenn je nach Mitglied Wachstum, Einkommen, Inflation, Schulden, Arbeitslosigkeit plus Befürwortung der EU selbst gigantische Unterschiede aufweisen? Das Wirtschaftswachstum betrug 2012 in den EU-Ländern zwischen minus und plus sieben Prozent. Die Staatsschulden, gemessen als Anteil des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP), machten entweder unter 10 Prozent in Estland oder über 100 Prozent in Italien, Spanien & Co aus. Ebenso voneinander abweichend sind die Inflationsrate und der Verbraucherpreisindex.

Gleichermaßen ist die Arbeitslosenquote von fünf bis 30 Prozent. Österreich gilt hier entgegen der nationalen Stimmungslage zusammen mit den Niederlanden als Insel der Seligen. Spanien und wiederum Griechenland werden als Länder ohne Jobperspektiven gesehen. Weitere Ungleichheiten bleiben unberücksichtigt, weil etwa jeder zweite spanische Jugendliche ohne Arbeit ist oder Südtirol fast Vollbeschäftigung aufweist, während in Süditalien das Gegenteil zutrifft.

Während man freilich wirtschaftliche Schwierigkeiten rational bekämpfen kann, dürfte das mangelnde Wir-Denken sich als kaum lösbar erweisen. Es führt sowohl insgesamt als auch in Österreich zu einer Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament von konstant unter 50 Prozent. Wer immer das heimische – für die Ausrichtung des Parlaments als solches und die Politik der EU bedeutungslose – Rennen um den ersten Platz gewinnt, wird wahrscheinlich weniger als eine Million Stimmen erhalten, denen 2009 rund 3,5 Millionen Nichtwähler gegenüberstanden.

Mit anderen Worten: Es gibt über vier Mal mehr nichtwählende Bürger, als der "Wahlsieger" an Zuspruch bekommt. Womöglich stimmen weniger als 10 Prozent der Wahlberechtigten für den nationalen Erstplatzierten.

Die Europäische Parlamentswahl 2014 ist daher für alle Politiker, unabhängig von ihrem Standpunkt, eine fast letzte Chance, die EU so zu erklären, dass Verstand und Herz gleichermaßen angesprochen werden.

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl Franzens-Universität Graz.

Grafik: Image der EU

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8  Kommentare
8  Kommentare
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( Kommentare)
am 24.04.2014 11:13

all jene welche gute geschäfte mit der EU und auf kosten der zwangsbeglückten bürger der EU machen, voll warmer gefühle für diese abzocker-union sind!

diese schädlinge sind sicher von der EU begeistert!

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Gugelbua (31.900 Kommentare)
am 24.04.2014 10:33

wem fiel das Wortspiel ein?
Seit wann haben Lobbyisten Gefühle.
Die EU ist ein Wirtschaftlicher Machtapparat unterm politischen Mäntelchen zwinkern
wenn ich da sehe welche Art von PolitikerInnen sich da mit den globalen Lobbyisten in Verhandlungen begegnen sollen, wird mir schlecht traurig

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eidgenosse (2.448 Kommentare)
am 24.04.2014 09:41

einige für alle zeit....alle für einige zeit....aber niemals alle für alle zeit, für dumm verkaufen.
am 25. mai kommt die abrechnung für diesen lobbyisten verein, welcher dieses friedensprojekt nur ausnützt, damit die reichen immer reicher und die anderen immer ärmer werden.

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zappo1410 (18.016 Kommentare)
am 24.04.2014 08:39

und vieles könnte sich ändern !

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puschl40 (3.116 Kommentare)
am 24.04.2014 08:18

haben eben für eine Banken und Konzerngesteuerte EU die Schulden, Massenarbeitslosigkeit im Akkord produziert sowie die Zukunft der Jugend zerstört nichts übrig!!! zwinkern

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( Kommentare)
am 24.04.2014 07:16

freies Denken und selbstbestimmtes Handeln = NORMALITÄT ...
und bestimmt keine Maßregelungen bis zur Bettkante!

Dieser Lobbyisten-uns Beamtenmoloch wird SO auf Dauer nicht bestehen können, irgednwann werden DAS auch die Allerdümmsten bemerken (müssen), die paar anderen nenne sich übrigens Profiteure!

JA zum EUROPA der MENSCHEN!
NEIN zum EUROPA der Maßenverblödung, Schikanierung und Selbstbedienung!

Wer hinter einer mehr als berechtigten Sach-Kritik (und die ist vernichtend!!!) auch noch Ideologen sucht, sollte endlich den Arzt wechseln!

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max1 (11.582 Kommentare)
am 24.04.2014 07:43

scheint einer der letzten Möglichkeiten zu sein doch noch etwas gutes zu finden. Bin von Herrn Filzmaier enttäuscht. Da es in Europa Menschen gibt, die nicht nur ein Hungergefühl haben sondern echten Hunger sind Fakten in Form von Essen notwendig. Die abgehobene Elite die nahezu 100% ihrer Existenz mit Steuergeldern derer erhält die noch Steuern bezahlen, in Ö sind das 50% der Erwerbstätigen sind diese in diversen Molochen sitzenden zu reduzieren dann besteht die Möglichkeit dass sich diejenigen die Europa sind, die Völker der Gemeinschaft auch mit einem guten Gefühl diesem Europa zuwenden.
Es ist die Unfähigkeit der Politik die am Gängelband der Spekulanten hängt endlich eine politische und vor allem eine soziale Union errichtet.
Die Ansätze einer europäischen Verfassung waren schon da diese wurden von den Lobbyisten abgedreht, Geld regiert die Welt und das gemeine Volk fällt darauf herein.
Dein nick ist für ein Leitbild Europas gut geeignet.

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Analphabet (15.393 Kommentare)
am 24.04.2014 01:00

Die KONZERN UND BANKENPOLITIK Brüssels muß doch richtig Wärme spenden. Die Leute sollten frohlocken. Noch dazu, wo doch ROTSCHWARZGRÜN und die NEOS das wollen und unterstützen.

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