Der traurige Rekord von Attnang-Puchheim

Von Markus Staudinger   21.April 2015

Zwei Wochen noch: Das Kriegsende in Oberösterreich war an diesem föhnigen, frühlingshaften Samstag zeitlich schon so nahe – und für hunderte Menschen in Attnang-Puchheim doch unerreichbar weit weg.

Das Unheil kam vom Himmel – um exakt 10.57 Uhr schlug am 21. April 1945 die erste Bombe ein. Erst drei Stunden später drehten die letzten Bomber der 9. und 15. US-Luftflotte wieder ab, ein nahendes Gewitter beendete den Angriff.

Dazwischen gingen in 33 Angriffswellen die Bomben nieder – die Angaben über deren Zahl schwanken zwischen 1850 und 2350. Am Boden blieb ein völlig zerstörtes Attnang-Puchheim zurück. 5600 Bewohner zählte Attnang-Puchheim damals, am 21. April starben mehr als 700. Überlebende gruben in den Trümmern zerstörter Häuser nach Familienmitgliedern – meist vergeblich.

Statistisch hält Attnang-Puchheim einen traurigen Rekord: In keiner anderen Stadt Österreichs kamen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr Menschen durch Bombenangriffe ums Leben. In Attnang-Puchheim reichten dafür drei Stunden am 21. April 1945.

Verhängnis "Alpenfestung"

Warum noch der Angriff auf Attnang-Puchheim, als in Wien der Krieg längst zu Ende war?

Als Eisenbahnknoten war Attnang-Puchheim grundsätzlich ein Angriffsziel. Mit zum Verhängnis wurde dem Ort zu Kriegsende die Saga von der "Nazi-Alpenfestung". Bis zuletzt befürchteten die Alliierten, die Nazis würden ihren Plan verwirklichen, sich mit Elitetruppen in den Alpen zu verschanzen. Dass die "Alpenfestung" ein Propaganda-Luftschloss der Nazis war, wurde ihnen erst nach Kriegsende klar. Für Attnang-Puchheim, den Verbindungsknoten ins Salzkammergut, war das zu spät.

Der Attnanger Geschichtsforscher Helmut Böhm sieht in seinem Buch "Tag der Tränen" auch eine Verkettung unglücklicher Umstände für Attnang. Demnach seien zunächst der Brenner, dann Rosenheim die eigentlichen Angriffsziele der US-Bomber gewesen. Wegen Wolken und schlechter Sicht flogen sie weiter nach Attnang-Puchheim.

Zu den Aufräumarbeiten wurden in den Tagen danach Häftlinge des KZ Ebensee herangezogen. Sieben von ihnen entdeckten in einem zerbombten Waggon eine aufgesprungene Konservendose. Sie griffen zu, SS-Aufseher ertappten sie dabei. Vor einem Bombentrichter kniend wurden sie erschossen.

 

Das geschah am 21. April 1945

Wien: Adolf Schärf wird provisorisch zum Vorsitzenden der SPÖ gewählt. De jure ist Vorkriegs-Parteichef Karl Seitz noch Vorsitzender, seine Rückkehr aus der KZ-Haft verzögert sich aber bis Juni.

Im Dezember 1945 übergibt Seitz das Amt formell, Schärf wird am ersten Parteitag zum Parteivorsitzenden gewählt. Schärfs Parteikollege Karl Renner führt unterdessen bereits Verhandlungen mit ÖVP und KPÖ über die Bildung einer provisorischen Nachkriegsregierung.

Berlin: Sechs Tage nachdem die Rote Armee den Angriff auf Berlin eingeleitet hat, überschreitet die erste russische Einheit am 21. April im Nordosten Berlins bei Marzahn die Stadtgrenze. In weiten Teilen Berlins ist inzwischen die Licht-, Gas- und Wasserversorgung ausgefallen.

Bologna: Nach fast zweiwöchigem Kampf nehmen US-Truppen sowie britische Truppen die norditalienische Stadt Bologna ein.