Der Finanzakrobat und seine Verfolger: Großkampftage in Niederösterreich

Von Jasmin Bürger und Christoph Kotanko   21.Februar 2013

Es war ein Termin, wie Erwin Pröll ihn mag. Ähnliches macht er wohl hundert Mal im Jahr. Im Bauhof von Herzogenburg (Bezirk St. Pölten) setzte der VP-Landeshauptmann am Mittwoch den Spatenstich für Baumaßnahmen an der Kremser Schnellstraße.

Zur selben Stunde zog sein Landesgeschäftsführer Gerhard Karner in St. Pölten vom Leder: Niederösterreich leide unter „dem schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten“. Die anderen Parteien würden „das Land mit Schmutz bewerfen“, vor allem Frank Stronach missbrauche und belüge die Landesbürger. Zudem mache Stronach gemeinsame Sache mit Sepp Leitners Sozialdemokraten.

Die Grünen wiederum kündigten eine Anzeige gegen die angeblich irreführende Werbung der VP an. Die täusche vor, dass der Landeshauptmann direkt gewählt werden könne (die Wahl erfolgt durch den Landtag, Anm. d. Red.).

Wohnbaumittel als Spieleinsatz

Zwölf Tage vor der Entscheidung tobt unter der Enns der Kampf um Stimmen. Im Zentrum steht die Geldakrobatik von Finanzreferent Wolfgang Sobotka (VP). Ihm wird von allen anderen Parteien mit Verweis auf Rechnungshofberichte vorgeworfen, er habe 800 Millionen Wohnbaugeld verspekuliert. Stimmt nicht, entgegnet die VP; Sobotkas Projekte seien im Plus.

Dass Wohnbaugeld nicht mehr zweckgebunden, sondern nur eine „ungebundene Bedarfszuweisung“ ist, gilt seit dem Finanzausgleich 2008. Damit bekamen die Bundesländer viel „Spielgeld“ (2012 insgesamt mehr als 870 Millionen Euro; jeder Arbeitnehmer zahlt 0,5 Prozent seines Bruttobezugs in den Fördertopf).

„Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich frei einzusetzendes Geld verwende“, betont Sobotka.

Für den roten Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch wiederum ist „das Spekulieren mit Wohnbaugeldern ein Schildbürgerstreich“.

Dass die Länder „ihre“ Wohnbaumittel nicht vorrangig für neu zu schaffenden Wohnraum verwenden, ist den meisten Bürgern nicht klar. Doch eine Rückkehr zur Zweckbindung wird kein Landeshauptmann zulassen.

Kann Pröll die Absolute retten?

Für Pröll ist die zentrale Frage, ob er am 3. März die absolute Mehrheit hält (2008: 54,4 Prozent). In jüngsten Umfragen werden seiner Partei leichte Verluste vorhergesagt; das market-Institut sah die ÖVP Mitte Jänner bei 48 Prozent (mit einer Schwankungsbreite von fünf Prozent).

Dennoch, so glaubt der Meinungsforscher Peter Hajek, der die Stimmung ebenfalls beobachtet: „Es schaut für die ÖVP sehr gut aus, dass ihre Absolute hält.“

Je nach Ergebnis der anderen Parteien, kann ein Resultat knapp unter 50 Prozent ausreichen.

„Im kommunikativen Nirwana“

Die Debatte um die Wohnbauförderung schade Pröll kaum, weil seine Gegner „das Thema zu spät hochgezogen haben“, sagt Hajek. Er prognostiziert für FPÖ und Grüne keine großen Gewinne. 2008 hatte die FPÖ 10,5 Prozent, die Grünen kamen auf rund sieben.

„Möglicher großer Verlierer“ ist für Hajek Leitners SPÖ, die das 2008er-Ergebnis (25,5 Prozent) nochmals unterbieten könnte. „Die SPÖ ist gefangen in der Doppelmühle des Proporzes, sie ist nicht wirklich Regierungs-, aber auch nicht wirklich Oppositionspartei“, analysiert Hajek. Er sieht außerdem taktische Fehler: „Die letzten viereinhalb Jahre war die SPÖ im kommunikativen Nirwana.“ In den veröffentlichten Umfragen liegt die SP zwischen 27 und 24 Prozent.

Wie viel ist drin für Stronach?

Bleibt die Frage, wie Stronach abschneidet? Mangels Vergleichswerten ist eine Prognose „sehr schwierig“, sagt Hajek. Umfragen sehen Stronach im guten einstelligen Bereich. Mehr, glaubt Hajek, „ist nicht drin“. Stronach ziehe vor allem Protestwähler an, „von denen gibt es in Niederösterreich eben nicht viele“.

Der Wahlkampf dürfte in den letzten Tagen vor der Wahl noch härter werden. Große Auswirkungen wird das freilich haben, meint Hajek. „In Bundesländern, wo die Stimmung im Wesentlichen stabil ist, kommt es in den letzten zwei Wochen vor der Wahl kaum noch zu großen Verschiebungen.“