Krieg als Erlösung und "Adieu, Bad Ischl"
Ein Land in Aufruhr vor dem Krieg – der Hofstaat verlässt Bad Ischl, der Fremdenverkehr bricht ein.
Krieg! Mit diesem einzigen Wort titelt die Tages-Post am 29. Juli 1914 auf Seite 1. Und dann wird die Kriegserklärung an Serbien als Befreiungsschlag begrüßt: "Österreich will sich endlich Ruhe verschaffen vor den übermütigen Frechheiten dieses ungebärdigen Nachbarn."
Weiter heißt es, durchaus mit realistischem Blick darauf, wie die Monarchie im Ausland wahrgenommen wurde: "Wahrlich, es ist höchste Zeit, dass diesem Treiben ein Ende bereitet wird. Allzusehr schon hat sich in Serbien der hochmütige Glaube eingenistet, dass unsere Monarchie ein versumpfter, ohnmächtiger Staat sei, dem man alles bieten könne." Der Krieg werde auch deshalb mit so großer Begeisterung aufgenommen, weil er eine "Erlösung aus einer schmählichen Lage" bedeutet, heißt es.
Vor dem erhofften Lorbeer auf den Schlachtfeldern Serbiens setzt im Land aber zuerst einmal rege Reisetätigkeit ein. Das betrifft vor allem den Hofstaat, der im Gefolge von Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl weilt. Für den 30. Juli ist die Abreise nach Wien avisiert, um 6.40 Uhr früh, wie die Tages-Post meldet. Mit dem Kaiser werde seine ganze Entourage Bad Ischl verlassen. Für den Tourismus war es eine harte Zeit: "Aus dem ganzen Salzkammergut reisten die Fremden schon seit Samstag massenhaft ab", schreibt die Tages-Post.
Der prekären politischen Lage zum Trotz unternahm Thronfolger Erzherzog Karl am 28. Juli "nach dem Familiendiner" noch einen ausgedehnten Ausflug mit dem Automobil durch das Salzkammergut.
Serben kuren in Bad Hall
Allseits ist die Nervosität greifbar, es wird auch in der Tages-Post spekuliert, ob und unter welchen Voraussetzungen der Krieg auf die Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien begrenzt werden könne.
Für Serben, die sich in der Monarchie aufhalten, ist die Lage bereits unangenehm. Aus dem Kurort Bad Hall werden zwei serbische Offiziere nach Steyr gebracht und dort interniert. In Salzburg werden vier serbische Beamte verhaftet, die ebenfalls ihre traditionelle Kur in Bad Hall absolvierten und nun heimreisen wollten. Mit ihren Begleiterinnen war man gnädiger – sie wurden in einem Hotel untergebracht.
Eine kurze Nachricht auf den hinteren Seiten der Tages-Post stand leider symbolisch für die kommenden Jahre: "Der für den 15. bis 21. September nach Wien einberufene Weltfriedenskongress wurde abgesagt."
Alle bisher erschienenen Serienteile finden Sie auf nachrichten.at/weltkrieg. Der nächste Teil erscheint morgen.
Vor 100 Jahren in der Tages-Post
Am Tag nach der Kriegserklärung an Serbien erscheint die Tages-Post in zwei Ausgaben. Die erste (Nummer 162) hat nur zwei Seiten und ist eine Extra-Ausgabe zum Preis von sechs Heller. Auf der Titelseite steht das Manifest des Kaisers – „An Meine Völker“.
Die zweite Ausgabe des Tages (Nummer 163) widmet sich dann ausführlich dem alles beherrschenden Thema. „Krieg!“ ist die Überschrift des Aufmacher-Artikels auf Seite 1. Dazu wurde – was außergewöhnlich für die Gestaltung der Tages-Post war – die halbe Titelseite mit einer Landkarte von Serbien und den angrenzenden Ländern versehen.