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70 Jahre Wannsee-Konferenz: Endlösung bei Kaffee und Kuchen

Von Von Martin Dunst und Christine Zeiner, 21. Jänner 2012, 00:04 Uhr
Wannsee-Konferenz
Seite aus dem Originalprotokoll Bild: OÖN

Adolf Hitler war ein glühender Verehrer Friedrich des Großen. Der Preußenkönig wurde von den Nazis zu Propagandazwecken instrumentalisiert. Friedrich hätte sich wohl im Grab umgedreht, hätte er mitbekommen, welch Teufelswerk führende NSDAP-Größen am Wannsee in Berlin besiegelt haben.

Mindestens eine halbe Million Juden waren bis zur Wannsee-Konferenz im Jänner 1942 ermordet worden. Die Einsatzgruppen wüteten hinter der Frontlinie der Wehrmachts-Einheiten, vor allem an der Ostfront. Die meisten Generäle der Wehrmacht wussten um das schaurige Treiben der Truppen Heydrichs, protestierten nicht, sondern nahmen die Mordkommandos stillschweigend zur Kenntnis.

In der Villa am Wannsee sollte der Massenmord auf einen systematischen Völkermord ausgeweitet werden. Ob und wann es aber einen Befehl gegeben hat, ist umstritten. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass eine grundlegende Entscheidung der Wannsee-Konferenz vorangegangen ist.

Zur Dienstbesprechung an den Wannsee lud Reinhard Heydrich. Er, der 37-jährige Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes - der Nachrichtendienst der Schutzstaffel (SS) - und damit rechte Hand des Reichsführers SS Heinrich Himmler, wollte seine Kompetenzen klar machen und sich der Zusammenarbeit des gesamten deutschen Staatsapparates vergewissern. Im Sommer 1941 hatte Hermann Göring Heydrich beauftragt, Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der Judenfrage“ zu treffen.

Man reichte Häppchen, Kaffee und Kuchen. 15 Männer waren anwesend, zehn davon Juristen mit Doktortitel, alle ehrgeizig und ähnlich jung wie Heydrich: Vertreter von SS, NSDAP und den Ministerien, darunter Roland Freisler vom Justizministerium, Wilhelm Stuckart vom Innenministerium - einst Mitarbeiter an den Nürnberger Rassegesetzen -, und Martin Luther, Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Keiner der Männer meldete grundsätzliche Bedenken, elf Millionen Menschen zu ermorden. Das war die von Heydrich genannte Zahl und bezog sich auch auf noch unbesetzte Länder wie die Schweiz, Schweden und die Türkei.

„Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen“, heißt es im Ergebnisprotokoll der Besprechung, das Adolf Eichmann verfasste. „In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. (…) Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt. (…) Die evaluierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden.“

Adolf Eichmann ist es auch, der insgesamt dreißig Abzüge des Wannsee-Protokolls anfertigt und austeilt. Papier ist vergänglich. Beinahe hätte die Welt nie erfahren, was besprochen wurde auf der Staatssekretärskonferenz im Gästehaus der SS am Großen Wannsee. Obwohl Papier fragil ist, überstand eines der insgesamt 30 hergestellten Exemplare des Protokolls mit dem Stempel „Geheime Reichssache“ die Vernichtungsaktion im März und April 1945, als alle Ministerien und sonstigen wichtigen Institutionen des Dritten Reiches Beweise für ihre Verbrechen zu tilgen versuchten. Und durch einen weiteren Zufall wurde dieses eine Exemplar zur richtigen Zeit von den richtigen Leuten gefunden: Es handelt sich um Exemplar Nr. 16, verschickt an Martin Luther, Unterstaatssekretär und Vertreter des Auswärtigen Amtes bei der Konferenz. Über die Entdeckung des Protokolls gibt es unterschiedliche Darstellungen. Sie haben einige Gemeinsamkeiten, etwa das Datum Frühjahr 1947 und dass alliierte Dienststellen in Berlin und Nürnberg beteiligt waren. Wer allerdings tatsächlich als erster die Bedeutung des 15 Seiten dünnen Konvoluts erkannt hat, ist unklar.

Die bekannteste Version der Entdeckung stammt von Robert Kempner, einem deutschen Juristen und ehemals preußischen Beamten. Er war 1933 von den Nazis wegen „politischer Unzuverlässigkeit in Tateinheit mit fortgesetztem Judentum“ entlassen worden und hatte kurz darauf aus Hitler-Deutschland flüchten können. Als US-Ankläger kehrte er 1945 zurück und stieg zu einer Schlüsselfigur der Nürnberger Prozesse auf. Kempners Erinnerung zufolge war es Anfang März 1947, mitten in der Vorbereitung für die Anklage gegen 21 ehemalige Minister, Staatssekretäre und weitere Spitzenbeamte, als aus einem US-Sammellager in Berlin Akten des deutschen Auswärtigen Amtes in seinem Büro im Nürnberger Justizpalast ankamen. In den Stapeln fand sich demnach ein dickes Paket mit der Aufschrift „D“, was für die Deutschland-Abteilung dieses Ministeriums stand.

Kempner und seine Mitarbeiter öffneten das Bündel: „Wir waren aufgeregt, als wir ein Protokoll über die später als Wannseekonferenz weltbekannt gewordene Sitzung über die Endlösung der Judenfrage vom 20. Januar 1942 entdeckten.“ Seiner Erinnerung nach ließ er das Protokoll sofort für seinen Vorgesetzten, den Chefankläger Telford Taylor, übersetzen. Der traute seinen Augen kaum und fragte: „Ist das denn echt?“ .

Intrige im Außenamt

Der einzig erhaltene Matrizenabzug des Protokolls stammt tatsächlich aus den Akten des Auswärtigen Amtes (AA) . Ausgerechnet aus dem besonders traditionsbewussten und am meisten um die eigene Außenwirkung bemühten Ministerium. Dagegen vernichteten die Gestapo und die NSDAP ebenso wie die anderen beteiligten Ressorts, von der Reichskanzlei über das Innen- und Justizministerium bis zum erst im Juli 1941 eingerichteten „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“ ihre Exemplare.

Der Grund für dieses erstaunliche Versäumnis liegt in einer wenig bekannten Auseinandersetzung im Machtapparat Hitler-Deutschlands. Ausgerechnet der Leiter der Deutschland-Abteilung des AA, der überzeugte Nazi Luther, hatte 1942/43 gegen seinen Chef intrigiert, gegen Außenminister Joachim von Ribbentrop. Luther war überhaupt erst 1938 mit Ribbentrop ins Auswärtige Amt gekommen und hatte schon bald intern Personalquerelen geschürt, als Vertreter der NSDAP und SA vorzugsweise gegen die SS-Mitglieder im Amt. Luther musste für seine Intrigen büßen und kam ins Konzentrationslager.

1992 spielte der britische Journalist Robert Harris in seinem Debütroman „Fatherland“ ein erschreckendes Gedankenexperiment durch: Was wäre eigentlich, wenn das Dritte Reich den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte und zwei Jahrzehnte später plötzlich ein Exemplar des streng geheimen Protokolls auftauchen würde? Der Roman entwickelte sich zum Weltbestseller. Harris hatte die düstere Aura des Protokolls gespürt und die fiktive Suche danach in Hitlers Berlin des Jahres 1964 meisterhaft inszeniert.

Die Hauptverantwortlichen für den Massenmord an den Juden

Hermann Göring: Der führende Nationalsozialist und Oberbefehlshaber der Luftwaffe beauftragte im Jahr 1941 Heydrich mit der „Endlösung der Judenfrage“. Der Reichsmarschall wurde in Nürnberg zum Tod verurteilt, beging daraufhin Selbstmord.

Heinrich Himmler war der Reichsführer der Schutzstaffel (SS) und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust. Er handelte nicht allein, sondern auf den Befehl von Adolf Hitler und fand in der SS und vielen Gauleitern willfährige Werkzeuge.

Adolf Eichmann leitete im so genannten Judenreferat die Deportationen. Er ist mitverantwortlich am gewaltsamen Tod von rund sechs Millionen Menschen. Eichmann wurde 1960 in Argintinien gefasst und später in Israel erhängt.

Heinrich Müller war Chef der Geheimpolizie Gestapo und der Vorgesetzte von Adolf Eichmann. Er gab ab 1939 Mordbefehle für politische Gegner aus. Sein Schicksal nach Ende des Kriegs ist ungeklärt. Müller gilt als verschollen.

Rudolf Höß war von 1940 bis 1943 brutaler Kommandant im Vernichtungslager Auschwitz in Polen. Nach dem Krieg wurde er wegen zahlreicher Verbrechen zum Tod verurteilt und im Stammlager von Auschwitz erhängt.

Adolf Hitler hat seinem Judenhass bereits in seinem Pamphlet „Mein Kampf“ freien Lauf gelassen. Seine Getreuen haben zwar die Mordarbeit übernommen, Hitler wusste aber stets Bescheid und hat die Judenvernichtung voran getrieben.

Die Teilnehmer

Wie die Seite aus dem Originalprotokoll zeigt, sprachen die hochrangigen Nazischergen am Wannsee in Berlin über die Vernichtung von bis zu elf Millionen Juden. Die 15 Teilnehmer waren: Reinhard Heydrich, Adolf Eichmann, Heinrich Müller, Otto Hofmann, Rudolf Lange, Eberhard Schöngarth, Gerhard Klopfer, Wilhelm Kritzinger, Josef Bühler, Georg Leibbrandt, Alfred Meyer,Erich Neumann, Martin Luther, Wilhelm Stuckart und Roland Freisler. Die Wannseekonferenz dauerte alles in allem knapp zwei Stunden.










 

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Austria (2.281 Kommentare)
am 21.01.2012 10:35

ISSlAMpropagandisten- sihe Erdogan und seinen rotgrünen EU-Speichelleckern noch immer verteidigte und geleugnete Armeniergenozid:

«So habe ich, einstweilen nur im Osten, meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?» (22. August 1939 nach einer Mitschrift durch Abwehrchef Admiral Canaris).

Seit der prekären Freundschaft Kaiser Wilhelms II. mit Sultan Abdul Hamid II., der schon zwischen 1894 und 1896 über 100.000 Armenier umbringen ließ, gab es eine deutsche Mitwirkung an den Verbrechen von Osmanen und Jungtürken.
Es war 1915 Innenminister Talaat Pascha, der den Genozidbefehl erteilt hat. Und es war z.B Obstlt Boettrich – Chef der Eisenbahnlogistik im osman. Hauptquartier – der Tausende armenischer Experten seines Bereichs in den sicheren Tod schicken ließ...

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