Ethnologe Samuli Schielke: Armee will Macht im Hintergrund
Die Armee werde in Ägypten nicht direkt in die Wahlen eingreifen, aber Gruppen unterstützen, um ihren Einfluss und ihre Privilegien zu sichern. Das sagte der in Berlin lehrende Ethnologe Samuli Schielke im OÖN-Gespräch.
Der Wissenschaftler erforscht seit zehn Jahren Mentalität und Lebenssituation der Ägypter und war als Gast des Zentrums für Soziale und Interkulturelle Kompetenz für einen Vortrag an der Linzer Kepler- Universität.
Das Militär, das integraler Teil des alten Herrschaftssystems unter Diktator Hosni Mubarak war, hat diesen in der von jungen Ägyptern organisierten, bald aber von allen Schichten unterstützten Revolution fallen lassen, lässt seither Korruptionsprozesse gegen führende Mitglieder des alten Regimes von Mubarak abwärts zu. Gegen ähnlich korrupte Angehörige der Armee gab es aber bisher keine ernsthaften Ermittlungen. „Das könnte in einer späteren Pause passieren, jetzt wollen die demokratischen Kräfte keinen zusätzlichen Konflikt riskieren“, sagte Schielke.
Der Ägypten-Experte ist überzeugt, dass die Armeeführung keine direkte Beteiligung an der Macht anstrebt, aber Hilfe im Hintergrund für Kräfte fördern wird, die ihren entscheidenden Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft sichern. Ägyptens Armee führt große Betriebe in der Lebensmittel- und Maschinenindustrie und hat auch in der Wirtschaftslenkung ein entscheidendes Wort. Anzeichen für die Richtung der Unterstützung sind nach Meinung von Samuli Schielke schon jetzt zu sehen.
„Ausländischen Delegationen werden bei Besuchen immer die Moslembrüder als Vertreter der Opposition vorgeführt, nicht aber die ebenfalls starken linken, gewerkschaftsnahen Kräfte.“ Wie überhaupt die unter Mubarak verbotenen, als offiziell unabhängige Politiker und weitgespanntes Sozialnetzwerk tätigen Moslembrüder im Moment jeden Konflikt mit dem Militär vermeiden. „Sie agieren wie eine gemäßigte Mittelstandsbewegung, die Fortschritt mit Religion verbinden will“, so Schielke.
Momentan gelten die Moslembrüder als chancenreichste politische Kraft für die Herbstwahlen, bürgerlich-liberale Parteien wie etwa die Gruppe um den Ex-Chef der Internationalen Atomenergie-Agentur Mohammed El-Baradei oder die gewerkschaftsnahe, eher radikale Linke haben Probleme, außerhalb Kairos auf Gehör zu stoßen. (ach)
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