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OÖN-Interview: »Facebook-Revolution ist eine falsche Bezeichnung«

Von Michael Wrase, 07. Februar 2011, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Proteste in Ägypten
Bild: epa

Mit der Abschaltung des Internets hat Ägyptens Regime das Gegenteil erreicht. „Jetzt erst recht“, sagten sich viele. Über die Bedeutung von Facebook und Internet sprachen die OÖNachrichten mit der deutsch-ägyptischen Ethnologin Katrin Sharaf.

OÖN: In Ägypten wurde die Opposition jahrzehntelang brutal unterdrückt. Was hat sich verändert? Geht es um mehr als nur die Ablösung von Mubarak?

Sharaf: Viele Jugendliche wollen nur, dass Mubarak abtritt. Sie haben aber keine klare Vorstellung von dem, was danach kommen soll. Die Kairoer Jugend hat nicht gelernt, über Politik nachzudenken. Die jungen Menschen wissen nicht, was freie Wahlen sind oder sie gingen nicht wählen, weil sie wussten, dass ihre Stimme nicht gezählt wird.

OÖN: In Ägypten ist von einer Facebook-Revolte die Rede. Trifft diese Bezeichnung zu?

Sharaf: Nein. Facebook-Revolution ist eine falsche Bezeichnung. Natürlich wurde die Revolte in Tunesien aufmerksam verfolgt und auf Facebook diskutiert. Andererseits wurde auf Facebook schon vor der Revolte der letzten Tage mehrfach zu Demonstrationen gegen das Regime aufgerufen. Das führte aber nicht zu einer nennenswerten Präsenz auf den Straßen.

OÖN: Nach dem Sturz von Tunesiens Herrscher Ben Ali hat sich das geändert...

Sharaf: Richtig. Es ist nicht weiter schwierig, auf Facebook eine Gruppe zu starten und zur Revolution aufzurufen. Der Schritt, danach auf die Straße zu gehen, ist aber groß. Und es war mit Sicherheit das Beispiel Tunesien, das die Ägypter motiviert hat, auf die Straßen zu gehen.

OÖN: Sie promovieren über die Bedeutung von Facebook für Ägypten. Hat Facebook Ägypten bereits vor der Revolution verändert?

Sharaf: Ich glaube nicht, dass Facebook die Gesellschaft verändert hat. Durch Facebook wurde die Kommunikation zwischen Freunden erleichtert. Kairo ist schließlich eine riesige Stadt. 30 Prozent aller ägyptischen Internet-Nutzer sind bei Facebook registriert. Die meisten kommen aus der Mittel – und Oberschicht. Sie kommentieren Entwicklungen, stellen Fotos ins Netz.

OÖN: Findet auch eine politische Diskussion statt?

Sharaf: Ja, vor allem in den letzten Tagen, als die Gewalt in Kairo eskalierte. Es war eine sehr kontroverse Diskussion: Manche Nutzer wollen jetzt nur noch ihre Ruhe und flehen andere an, mit dem Demonstrieren aufzuhören, weil die Ziele erreicht seien. Andere setzten sich für andauernde Proteste ein. Es kam sogar vor, dass einzelne Facebook-Nutzer darum baten, nicht mehr in Gruppen eingeladen zu werden, die gegen Mubarak demonstrieren.

OÖN: Haben Sie das Gefühl, dass der Geheimdienst die Bedeutung von Facebook nicht erkannt hat?

Sharaf: Nicht unbedingt. Politische Facebook-Seiten gab es schon seit längerem. Das Regime verhaftete dann den Blogger. Der Inhalt der Seite wurde aber nicht gelöscht.

OÖN: Welchen Anteil haben internationale Medien?

Sharaf: Ich würde nicht sagen, dass die ägyptische Opposition ihren Erfolg der Berichterstattung der internationalen Medien zu verdanken hat. Die Ägypter sind unzufrieden. Deshalb sind sie auf die Straßen gegangen. Auch und vor allem nachdem das Internet gekappt wurde, was Mubaraks Machtlosigkeit offenbarte.

OÖN: Welche Auswirkungen hatte die Abschaltung des Internets?

Sharaf: Viele Ägypter gingen daraufhin erst recht zu Demonstrationen, um sich dort mit Informationen über die Entwicklung, die vorher das Internet lieferte, zu versorgen. Sie sehen also, dass das Regime mit der Abschaltung des Internets genau das Gegenteil erreicht hat. Viele Demonstranten sagten „Jetzt erst recht“; sie gingen von Haus zu Haus, verteilten Flugblätter, die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte hervorragend.

OÖN: Kontraproduktiv war wohl auch die Maßnahme der Regierung, Millionen von SMS, mit denen Regimegegner eingeschüchtert werden sollten, zu verschicken?

Sharaf: Viele Ägypter waren sehr wütend. Viele sind inzwischen aber auch verunsichert und haben Angst.

OÖN: Mubarak warnte vor einer Machtübernahme der Muslimbruderschaft. Besteht diese Gefahr?

Sharaf: In Ägypten wird nicht unter dem Banner des Islams demonstriert. Die Menschen gehen auf die Straßen, damit sich die Lebensgrundlagen verbessern. Es gibt im Hintergrund keine Strippenzieher, die die Menschen lenken. Ich kenne keinen Ägypter, der mit der Lage im Land zufrieden ist.

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