Wenn sich Moskau als Friedensstifter in Syrien inszeniert
Das russische Verteidigungsministerium lud zu einer Pressetour nach Syrien. Dabei stieß neue Offenheit auf altes Misstrauen.
Die Hünen auf dem Asphaltplatz spielen Volleyball, bearbeiten mit Fäusten Sandsäcke, stemmen Gewichte und reden mit Journalisten. Wie denn die militärische Lage in Syrien sei? Ein Soldat antwortet: "Es ist noch lange nicht vorbei…". Da schiebt sich schon ein russischer Presseoffizier dazwischen. "Entschuldigung! Danke!", er nimmt den Soldaten zur Seite.
Hochbetrieb auf der russischen Luftwaffenbasis in Latakia: Modellathleten treiben Sport, Kampfjets werden aufgetankt, auf einer Startbahn exerzieren 400 Soldaten. Sie tragen zum Großteil fleischfarbene Tropenuniformen. "Rosa Männchen", witzelt ein Reporter – als Anspielung auf die "grünen Männchen", die im Herbst 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim besetzten.
Offenheit versus Feindseligkeit
Am Morgen ist eine Iljuschin-Passagiermaschine in Latakia gelandet, mit 100 Journalisten aus 26 Ländern: russische Staatsmedien, aber auch CNN und BBC, New York Times und Berlingske Tagblatt – und der OÖN-Korrespondent. Das russische Verteidigungsministerium veranstaltet eine beispiellose Pressetour zu seinen Streitkräften in Syrien. Neue Offenheit stößt dabei auf alte Feindseligkeit. Aber das Selbstgefühl der russischen Armee hat sich gewandelt.
"Wir haben etwas herzuzeigen, wir haben Ergebnisse", erklärt Generalmajor Igor Konaschenkow, der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Konaschenkow sagt, die Einsätze der russischen Luftangriffe hätten entscheidend zur syrischen Bodenoffensive beigetragen, bei der 500 Ortschaften befreit worden seien. Dabei habe sich erwiesen, dass die russische Luftwaffe den Fliegern der ebenfalls über Syrien operierenden westlichen Koalition weit überlegen sei. Und im Gegensatz zu diesen nie Zivilisten treffe.
Zielangaben von Verbündeten
"Wir kontrollieren jedes Angriffsziel dreifach", sagt Konaschenkow, "mit unseren Satelliten, unseren Aufklärungsdrohnen und mit Aufklärungsflügen." Vor allem aber bekomme man im Gegensatz zu Amerikanern und Franzosen direkte Zielangaben vom Boden, von den syrischen Verbündeten, der Assad-Armee.
Westliche Journalisten machen skeptische Gesichter. Ein US-Reporter fragt, ob Ende April nicht russische oder syrische Flugzeuge das Kinderkrankenhaus Al Kuds in Aleppo bombardiert hätten. "Über Aleppo arbeitet unsere Luftwaffe nicht", antwortet der Generalmajor. Und das Spital sei gar nicht bombardiert worden. Er zeigt zwei Luftaufnahmen eines halbzerstörten Gebäudes, eine auf Oktober 2015 datiert, die andere auf den 29. April. "Sie sehen die gleichen Schäden vor und nach dem angeblichen Angriff."
Höllentrip nach Palmyra
Ein Journalist aber verweist auf die Aussagen von "Ärzte ohne Grenzen", ein anderer auf Videoaufnahmen von Überwachungskameras. "Ich habe ihnen doch die Fakten genannt", beharrt Konaschenkow und winkt mit seinen Fotos. Zwei Luftaufnahmen gegen die Videos und Berichte der internationalen Presse. Russland stellt jetzt seine eigene Wirklichkeit gegen die Wirklichkeit des Westens.
Und die Russen wollen ihre Wirklichkeit zeigen. Eskortiert von Schützenpanzern und Kampfhelikoptern fahren sie uns in die 350 Kilometer entfernte Wüstenstadt Palmyra, aus der die syrische Armee mit russischer Luftunterstützung die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vertrieben hat. Ein Husarenritt, schließlich gilt Palmyra noch immer als Frontstadt. IS-Kämpfer sollen in zehn Kilometer Entfernung unterwegs sein.
Aber außer uns taucht in Palmyra auch eine Delegation der UNESCO auf, die die vom IS zerstörten antiken Denkmäler besichtigt. Danach spielen der Weltklassedirigent Valeri Gergiev und das Orchester des Mariinsky-Theaters im altrömischen Amphitheater auf. Journalisten, Soldaten und Syrer, die aus Homs und Damaskus angereist sind, hören zu. Einheimische gibt es kaum, die Stadt ist leer, erst vor zwei Tagen wurden in den Wohngebieten die letzten Minen geräumt. Die Russen beschwören die Symbolkraft des Momentes dennoch heftig. "Auch während der deutschen Blockade musizierten in Leningrad die Symphonieorchester", sagt Michail Piatrowski, Direktor der Petersburger Eremitage. "Es gibt Wichtigeres als Krieg."
Russland inszeniert sich hier als Retter der Weltkultur, als Friedensstifter. Unsere Busse halten auch im Dorf Kaukab in der Provinz Hama. In einem Festzelt unterzeichnen lokale Würdenträger feierlich ein Abkommen über die Rückkehr der Zivilbevölkerung. Vermummte Jugendliche liefern ebenso feierlich Sturmgewehre ab. Es heißt, das seien Islamisten, die sich ergeben hätten. Auch das wirkt inszeniert, aber die Einheimischen feiern den Frieden offenbar gern. Die Kinder schwenken ihre Assad-Fahnen mit sichtlichem Vergnügen, die reuigen Islamisten plaudern hinterher entspannt mit syrischen Soldaten.
Die Normalität zurückgebracht
Die Russen sind hier beliebt. Kleine Buben winken ihren Schützenpanzern lachend zu, Autofahrer hupen. Vielleicht weil dort, wo die "rosa Männchen" auftauchen, nicht mehr geschossen wird. Weil sie nach fünf Jahren Krieg und Hunderttausenden Toten die Normalität zurückgebracht haben.
Auf den Feldern in den Provinzen Latakia, Homs und Hama leuchten die bunten Kopftücher junger Bäuerinnen in der Sonne. Man mag über die Absichten streiten, mit denen die Russen Assads Regime aus der Bedrouille gebombt haben. Aber es gibt Schlimmmeres in Syrien als die Realität, die dabei herausgekommen ist.
Frankreich: Keine Diskriminierung wegen der Frisur
Lukaschenko konterkariert Putins Aussagen über die Terroristen
Kein Durchbruch bei Verhandlungen über weltweites Pandemie-Abkommen
Cannabisgesetz in Deutschland unterzeichnet
Interessieren Sie sich für dieses Thema?
Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.
Achso, das ist vom Scholl
Tatsache ist jedoch, dass der IS nur durch die Russen zurück gedrängt wurde.
Alle anderen beteiligten Staaten, allen voran die USA, Türkei, Saudi Arabien usw. haben jahrelang das Gegenteil erreicht.
Zumindest wurden die "guten Rebellen" massiv von den USA unterstützt. Unmittelbar nachem Syrien von der USA auf die Liste "Achse des Bösen" gesetzt wurde, begann der schreckliche Bürgerkrieg. Das ist auch eine Tatsache und sollte nicht verschwiegen werden.
Für weitere Hintergründe ist Todenhöfers Buch Inside IS eine mehr als wertvolle Hilfe.