Venezuela wählt einen neuen Präsidenten
CARACAS. Die Bevölkerung im krisengebeutelten Venezuela ist am Sonntag zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen.
Ab 6 Uhr morgens (Ortszeit, 12.00 MESZ) sollen die Wahllokale ihre Türen öffnen. Die Wiederwahl des sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro gilt dabei jedoch so gut wie sicher.
Wahlrat: Keine Prämienzahlungen für Wähler
Angesichts der Boykott-Aufrufe der Opposition zur Präsidentenwahl in Venezuela hat der Nationale Wahlrat versichert, dass Wähler für ihre Stimmabgabe nicht bezahlt würden. "Es wird keinerlei Prämienzahlung oder finanziellen Anreiz" an den Ständen der Parteien geben, sagte die Präsidentin des Wahlrats (CNE), Tibisay Lucena, am Samstag.
Sie reagierte damit auf Vorwürfe der Opposition, nachdem Präsident Nicolas Maduro manchen Wählern eine Prämie für ihre Stimmabgabe in Aussicht gestellt hatte. Die Opposition im krisengeschüttelten Venezuela boykottiert zu großen Teilen die Präsidentenwahl am Sonntag, durch die sich der linksnationalistische Maduro trotz aller Proteste eine zweite Amtszeit sichern will. Das Land ist tief gespalten zwischen Maduro-Gegnern und seinen Anhängern. "Maduro raus" lautet das Motto von hunderten Demonstrationen, bei denen am Sonntag weltweit oppositionelle Venezolaner demonstrieren wollen. Die USA, die Europäische Union und zahlreiche Länder Lateinamerikas erkennen die Wahl nicht an, weil sie nicht demokratisch und frei sei.
Maduro wird vorgeworfen, die Demokratie in Venezuela auszuhebeln. Nach monatelangen Protesten der Opposition im vergangenen Jahr, bei denen 125 Menschen getötet worden waren, hatte Maduro durch eine Verfassunggebende Versammlung de facto das Parlament ausgehebelt, in dem die Opposition die Mehrheit hatte.
Maduros Entscheidung, die Wahl von Dezember auf Mai vorzuziehen, hatte international für Kritik gesorgt. Der Präsident hofft auf seine Wiederwahl für eine sechsjährige Amtszeit. In Meinungsumfragen liegt er zwar mit Zustimmungsraten um die 20 Prozent hinter seinem Herausforderer Henri Falcón, der 30 Prozent erreicht. Aber die erwartete niedrige Wahlbeteiligung spielt Maduro in die Hände; er dürfte sich gegen Falcón durchsetzen, obwohl 75 Prozent der Venezolaner seine Amtsführung ablehnen. Einem weiteren Kandidaten, dem evangelikalen Politiker Javier Bertucci, wurden 14 Prozent der Stimmen zugetraut.
Trotz der Boykott-Aufrufe der Mitte-rechts-Parteien des Oppositionsbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) kandidierte der 56-jährige Falcón, der einst zum sozialistischen Regierungslager zählte. 20,5 Millionen Wähler sind registriert, um ab 06.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MESZ) in den 14.638 Wahllokalen abzustimmen. Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr Ortszeit (24.00 Uhr MESZ). Rund 300.000 Polizisten und Soldaten sind zur Absicherung der Wahl im Einsatz.
Kritik aus Chile an Maduro
Kurz vor der Wahl kritisierte auch Chiles Präsident Sebastián Piñera seinen lateinamerikanischen Kollegen. Maduro habe solchen Durst nach Macht, dass er weiter bereit sei, seinem eigenen Volk Schmerzen und Leiden zu bereiten, schrieb Piñera, der seit März Staatschef des südamerikanischen Landes, auf Twitter. Er klammere sich an die Macht. Zudem veröffentlichten 54 chilenische Oppositionspolitiker eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Wahl ablehnten. Auch der ehemalige Präsident Ricardo Lagos unterzeichnete die Mitteilung, wie die chilenische Tageszeitung "La Tercera" berichtete.
Maduro selbst betonte am Samstag bei einem Besuch einer Stadion-Baustelle in Caracas, dass er bereit sei, mit der EU und den USA zu sprechen. "Sie müssen die Wahrheit und die Stimme Venezuelas hören", sagte Maduro. Sie müssten aufhören, nur die Stimme des Oppositionsbündnisses Mesa de la Unidad Democrática (MUD) zu hören. MUD würde vor dem ganzen Land bloßgestellt werden, sagte Maduro.
Der öffentliche venezolanische Fernsehsender VTV Canal 8 rief alle Venezolaner auf, ihre Stimmen auch im Ausland abzugeben. In den USA könne unter anderem in Washington, New York oder Miami abgestimmt werden.
Schwersten Krise seiner Geschichte
Das südamerikanische Land steckt in der schwersten Krise seiner Geschichte. Maduro hat das von der Opposition kontrollierte Parlament entmachten und zahlreiche Regierungsgegner verhaften lassen. Die USA haben viele Funktionäre der Regierung mit Sanktionen belegt. Vom internationalen Finanzmarkt ist Venezuela weitgehend abgeschnitten.
Wegen Devisenmangels kann das ölreichste Land der Welt zudem kaum noch Lebensmittel und Medikamente einführen. Der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr mit einem Einbruch der Wirtschaftskraft um 15 Prozent und einer Inflationsrate von mehr als 13.000 Prozent. Wegen der Krise haben bereits Millionen Venezolaner das Land verlassen.