Katalonien - Internationale Pressestimmen: "Niemand zum Dialog fähig"

03.Oktober 2017

- Die sozialdemokratische ungarische Tageszeitung "Nepszava" (Budapest):

"So gut wie jede Hoffnung ist dahin, dass sich die Krise auf dem Weg des Dialogs beilegen lässt. Die Regierung (in Madrid), die durch ihre mal passive, mal aggressive Haltung der Unabhängigkeitsbewegung großen Schwung verliehen hat, berief am Tag danach nicht einmal eine Sondersitzung ein. (Spaniens Regierungschef) Mariano Rajoy verfolgt anscheinend eine bewährte Methode, nämlich die, den Kopf in den Sand zu stecken. (Der katalanische Regierungschef) Carles Puigdemont spricht von Respekt und Demokratie, doch die Volksabstimmung am Sonntag war nicht legitim. Ihr Ergebnis reflektiert kaum die Meinung der gesamten Bevölkerung der Region. Die Mehrheit der Katalanen wollte ein Referendum, nicht aber die Unabhängigkeit. Die Lage ist katastrophal, aber vielleicht ist es für eine Lösung noch nicht zu spät. Rajoy und Puigdemont sind jedoch zum Dialog nicht fähig. Und zum Regieren schon gar nicht."

- Die liberale dänische Tageszeitung "Politiken" (Kopenhagen):

"Die Polizeigewalt hat die Unabhängigkeitswünsche in Katalonienselbstverständlich nur verstärkt und ließ die Regierung in Madrid wie eine unterdrückende Besatzungsmacht wirken. [...] Aber es ist nicht nur die Regierung in Madrid, die ihre Bürger enttäuscht hat. Kataloniens Politiker hätten keine Volksabstimmung einberufen dürfen, die klar gegen das Grundgesetz und ohne internationale Legitimation war. [...] Sowohl Katalonien als auch Madrid sollten alles dafür tun, den Dialog wieder herzustellen, die Spannungen zu reduzieren und aus dieser hoch angespannten Situation herauszukommen."

- Die liberale lettische Tageszeitung "Diena" (Riga):

"Der 1. Oktober erwies sich als einer der dunkelsten Tage in Spaniens jüngster Geschichte. Polizisten benutzten Schlagstöcke und Gummigeschosse, um die Bürger Kataloniens zu vertreiben, die zu den Wahllokalen gekommen waren. In Fernsehsendungen war zu sehen, wie die Gesetzeshüter auf dem Boden sitzende Menschen schlugen und eine Frau an ihren Haaren hinter sich herzogen. Viele von denen, die sich versammelten, unterstützten nicht die Unabhängigkeit von Katalonien, sondern wollten das Recht der Katalanen verteidigen, ihre Meinung zu äußern."

- Das russische Boulevardblatt "Komsomolskaja Prawda" (Moskau):

"Kameraden Europäer! Ihr habt euch aufgeregt, als Südossetien und Abchasien 2008 aus Georgien geflüchtet sind. Ihr wurdet hysterisch, als 2014 die Sache mit der Krim passierte. Ihr habt uns und euch selbst belogen, dass es sich beim Kosovo nicht um Veränderung der Grenzen, eine Aufteilung Serbiens handele, sondern um einen "Sonderfall". Ihr habt über die Schotten gelacht, die vor drei Jahren ihr Unabhängigkeitsreferendum verloren haben. Und jetzt habt ihr das blutige und wütende Barcelona bekommen.

Das war alles vorhersagbar und hat nicht erst heute begonnen. Es fing Ende 1980er an mit dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens und der Vereinigung der zwei Deutschlands. Gerade damals wurde die Helsinki-Konvention der Unverletzlichkeit der Grenzen verletzt."

- Die sozialistische bulgarische Oppositionszeitung "Duma" (Sofia):

"Beim Referendum in Katalonien gibt es sowohl Argumente für als auch gegen (eine Unabhängigkeit). Keinen Zweifel gibt es aber über das ungebührliche Schweigen Europas. Erst gestern, als die Dinge wie Bürgerkrieg (...) aussahen, entschied sich die EU-Kommission eine Stellungnahme zu verbreiten. Darin verkündete sie, dass die Spannung zwischen Barcelona und Madrid ein innenpolitisches Problem sei. (...) Mit ihrer Tatenlosigkeit und Distanz legt die EU-Kommission allerdings Minen nicht nur in Spanien, sondern in der gesamten EU. Deswegen ist Katalonienfür die EU ein viel größeres Problem als zum Beispiel der Brexit. Und ist überhaupt kein innenpolitisches Problem Spaniens, sondern ein Problem für ganz Europa."