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"Ihr müsst Geduld mit uns Böhmen haben"

Von Gerald Mandlbauer, 26. Juli 2014, 00:04 Uhr
Prior Stift Hohenfurth Pater Justin
Prior Justin Perk Bild: OÖN

Vor 25 Jahren ging der Eiserne Vorhang auf. Ein Gespräch mit dem Prior des Stiftes Hohenfurth über das verwickelte Verhältnis von Böhmen und Oberösterreichern.

Nach Linz sind es von Hohenfurth nur 40 Kilometer, viel weniger als bis Prag. Und während auf der großen politischen Bühne das Verhältnis zwischen Tschechien und Österreich noch weitgehend von innenpolitischen Motiven geleitet ist, dominiert hier die gute Nachbarschaft.

"Ganz Hohenfurth lebt von Oberösterreich. Wir dürfen nicht vergessen, dass früher hier alles kaputt gewesen ist, das ist erst 25 Jahre her", sagt Prior Justin Berka. Der großgewachsene bärtige Pater leitet das Zisterzienserkloster Hohenfurth, das mit maßgeblicher Hilfe aus Oberösterreich vor dem Verfall gerettet werden konnte.

OÖNachrichten: Oberösterreich und Südböhmen, das ist eine komplizierte Geschichte. Dabei gehört es doch eigentlich zusammen, es war ein gemeinsamer Kulturraum. Linz liegt näher bei Budweis als Budweis bei Prag.
Pater Justin: Das wird gerne vergessen. Leider. Geschichtlich gesehen sind die Gemeinsamkeiten ja unübersehbar, wir haben ähnliche Wurzeln. Allein in unserer Stiftskirche finden sich viele Kunstwerke, die von Handwerkern und Künstlern aus Oberösterreich geschaffen wurden.

Und trotzdem bestehen Barrieren. Die Sprache ist die größte Hürde.
Ja, leider. Wenn unsere jungen Leute eine Fremdsprache lernen, dann lieber Englisch als Deutsch. Das ist schade. Ähnlich ist es drüben bei euch. Wer lernt denn schon Tschechisch? Dabei wäre das ein idealer Türöffner. Vielleicht sogar beruflich, denn unser Austausch wird noch intensiver werden.

Viel von einer guten Nachbarschaft hat Temelin zerstört. Wird das hier auch so gesehen?
Hier in Südböhmen spielt Temelin keine Rolle. Das ist vielleicht dumm, weil man die Gefahren der Atomkraft nicht ausblenden sollte. Und viele Tschechen waren auch zornig, als es diese Proteste und Grenzblockaden gegeben hat. Da war hier in Hohenfurth alles leer und verwaist – heute ist es anders.

Inwiefern?
Hohenfurth lebt von Oberösterreich, die Geschäfte, die Gasthäuser. Das ist den Leuten hier sehr bewusst. Ohne die Hilfe aus Oberösterreich hätten wir das Kloster nicht renovieren können.

Spielt das Wohlstandsgefälle noch eine Rolle? Sehen die Oberösterreicher auf die Südböhmen herab?
Ich merke das nicht. Der kleine Grenzverkehr funktioniert. Aber es gibt noch Barrieren. Wir können 40 Jahre im Kommunismus nicht einfach wegwischen. Das dauert. Unsere Leute hier sind noch misstrauisch, das war doch ein toter Winkel hier, ein unmögliches Leben. Aber besonders in der Mentalität bei den jungen Leuten hat sich viel verändert. Sie können reisen, sie besuchen euch, sie studieren bei euch – sie sind viel weltoffener geworden.

Der Revanchismus auf beiden Seiten stirbt aus?
Ja. Manche alte Menschen können ihre Vorbehalte nicht abschütteln, das gilt für beide Länder. Die Jungen, die in Freiheit groß geworden sind, haben einen unbefangeneren Zugang zur eigenen Geschichte. Viele wissen gar nichts von den Benes-Dekreten und der Vertreibung. Und dann fehlt uns hier in Südböhmen der Zusammenhalt, den ihr beispielsweise im Mühlviertel habt. Bei euch ist die Bevölkerung seit hunderten von Jahren homogen. Hier wurden nach dem Krieg viele Slowaken angesiedelt, Roma, Rumänen, auch Vietnamesen. Diese Gruppen leben alle abgekapselt und unter sich. Erst jetzt ziehen seit einigen Jahren wieder viele Menschen aus dem restlichen Böhmen zu, weil es hier eine Perspektive gibt. Wir leben hier in einem Paradies. Das war nicht immer so.

Das Zusammenwachsen braucht Zeit. Sind wir, was dieses Zeitnehmen anbelangt, zu ungeduldig? Immerhin ist die Ostöffnung heuer 25 Jahre her.
Ja. Ihr müsst in Oberösterreich noch ein wenig Geduld mit uns hier in Böhmen haben. Ihr müsst euch auch immer vor Augen halten, dass ihr großes Glück gehabt habt. Es hätte auch euch treffen können und ihr wärt wie wir hinter dem Eisernen Vorhang gelandet, unter einem kommunistischen Regime, mit allen negativen Effekten. Wir haben uns das nicht aussuchen können.

Spielt Oberösterreich in den südböhmischen Medien überhaupt eine Rolle? Gibt es diesen Blick nach draußen?
Ja, ja, doch. Unsere Lokalzeitung hier bringt regelmäßig eine Seite über unsere Nachbarn. Da wird auch immer wieder Ihre Zeitung, die Oberösterreichischen Nachrichten, zitiert. Wir hier im Stift lesen das aufmerksam. Aber natürlich könnte es mehr sein, vielleicht auch bei Ihnen drüben.

Die Oberösterreicher fahren halt lieber, wenn sie einen Ausflug machen, ins Salzkammergut als nach Krumau. Warum ist das so?
Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir ihnen noch mehr von unseren Schönheiten erzählen. Neben den vielen bekannten gibt es noch viele Geheimtipps.

Welche Geheimtipps hätten Sie denn für uns?
Zum Beispiel die Teufelsmauer hier in der Moldau. Oder das Barockschloss bei Borovany. Renovierte Bauernhöfe hier in der Gegend, die herrlichen Landschaften. Man kann hier ganz abgeschieden und naturbewusst leben. Und dann gibt es natürlich noch unser Bier.

Budweiser, Samson, Trebon – was trinken die Südböhmen am liebsten?
Natürlich Budweiser. Aber euer Schlägler kann damit mithalten. Es ist sogar damit vergleichbar.

 

Stift Hohenfurth
Prior Justin Perk und Klaus Zerbs kümmern sich um das Stift. Bild: OÖN

Prior Justin Perk und Klaus Zerbs kümmern sich um das Stift.

 

Das Zisterzienserstift Hohenfurth

Das Stift wurde 1259 gegründet und von Wilheringer Mönchen besiedelt.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die 70 Mönche von den Nationalsozialisten vertrieben. Unter den Kommunisten wurde das Kloster dann gesperrt, 5000 Hektar Wald, die Brauerei und die Landwirtschaft enteignet.

Nach der Verabschiedung des Restitutionsgesetzes müssen diese Immobilien wieder an das Stift gehen, die Sache liegt jedoch seit drei Jahren in Prag bei den Behörden. Künftig möchte das Stift aus den Erträgen der Forstwirtschaft leben. Dazu wird gerade die Meierei renoviert. Sie soll es Touristen ermöglichen, auch im Stift zu nächtigen.

Einen wesentlichen Anstoß zur Renovierung leistete der oberösterreichische Verein zur Förderung des Stiftes, dessen Obmann Klaus Zerbs im Ruhestand seinen Halbtagsjob ehrenamtlich bekleidet. Bisher konnte der Verein rund 503.000 Euro für das Stift auftreiben, 22 Renovierungsprojekte wurden damit finanziert.

Haupteinnahmequelle sind derzeit die Besucher, die über eine Wendeltreppe zur wichtigsten Attraktion, dem hinter Panzerglas gesicherten Zawischkreuz, gelangen. Sehenswert auf dem weitläufigen Stiftsgelände sind weiters die Bibliothek mit 70.000 Bänden, das Bildnis der Muttergottes von Hohenfurth sowie die Grabstätten der Rosenberger.

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