"Ich sehe keine andere Zukunft für den Westbalkan als die EU"

Von nachrichten.at/apa   17.Mai 2018

Das sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach einem Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Sofia. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich jedoch kritisch zum Beitrittsdatum 2025.

Die vom Gipfel beschlossene Agenda zur Energie- und Verkehrsanbindung dieser Länder sei "keine Alternative und kein Ersatz für die EU-Erweiterung", sagte Tusk. "Es ist ein Weg, um die Zeit dazwischen besser zu nutzen", sagte er mit Blick auf die langwierige Annäherung der sechs Länder der Region, die ebenfalls auf höchster Ebene bei dem Treffen vertreten waren.

Tusk bezeichnete den Gipfel in Sofia als Erfolg. Mit den Westbalkan-Ländern gebe es Projekte zur Verdoppelung des Studenten-Austausches "Erasmus Plus", zu Roaming-Gebühren und besseren Bankgarantien. "Ich sehe keine andere Zukunft für den Westbalkanals die EU", unterstrich Tusk.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich über den EU-Westbalkangipfel erfreut, an dem die Staats-und Regierungschefs der sechs Länder Südosteuropas - Serbien, Mazedonien, Montenegro, Albanien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo - teilnahmen. Österreich habe in den vergangenen Jahren "sehr darunter gelitten", dass diese Staaten von der Brüsseler Agenda verschwanden, kritisierte Kurz, der auch während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs auf Fortschritte bei der EU-Annäherung der Länder hofft.

Auf die Frage, ob es unter dem EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 auch konkrete Eintrittsdaten möglich wären, antwortete Kurz: Die für Serbien und Montenegro in Aussicht gestellte Perspektive 2025 sei "ambitioniert, aber gleichzeitig machbar". Aber er glaube nicht, dass schon im "nächsten oder übernächsten Jahr" feststellbar sei, ob dies auch gelingen werde.

Die deutsche Kanzlerin Merkel war zuvor auf Distanz zu dem von der EU-Kommission genannten Datum gegangen. "Ich halte von diesem Zieldatum nichts", sagte sie nach dem Gipfel. Die Fortschritte der Kandidatenländer müssten in der Sache gegründet sein, sagte Merkel. Sie forderte insbesondere Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und die Lösung von Grenzstreitigkeiten. Merkel erinnerte an den Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien und betonte: "Wir wollen nicht, dass sich das wiederholt." Positiv erwähnte sie das Grenzabkommen zwischen Kosovo und Montenegro.

Bei dem Treffen am Donnerstag ging es vor allem um den Ausbau von Straßen, Energieleitungen und Kommunikationsnetzen, um die Länder enger an die EU anzubinden. Die Befürchtung ist, dass sonst China und Russland verstärkt auf dem Balkan investieren. Kurz warnte auch vor dem Einfluss der Türkei.

Ausgeblieben ist bei dem Treffen in Sofia der erhoffte Durchbruch im Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland. Darüber hatten die Regierungschefs Zoran Zaev und Alexis Tsipras auch in Sofia beraten. Zaev sagte, dass mehrere Lösungsoptionen analysiert worden seien. Ein Abkommen könnte vor dem EU-Gipfel im Juni zustande kommen. Man werde nun innerstaatlich beraten, und zwar auch mit der Opposition. Der Namensstreit blockiert die EU-Annäherung Mazedoniens, das mit Abstand der älteste Beitrittskandidat in der Region ist. Seit dem Jahr 2005 kommt die frühere jugoslawische Teilrepublik nicht über den Status eines Kandidatenlandes hinaus. Die EU-Kommission hat kürzlich den Beginn von Beitrittsgesprächen mit Mazedonien und Albanien vorgeschlagen.

Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, bezeichnete die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit den beiden Staaten als "Nagelprobe für die EU am Westbalkan". Noch vor dem Sommer müsse es grünes Licht für beide Länder geben, erklärte Karas am Donnerstag in einer Aussendung. "Nur dann nehmen uns die Länder am Westbalkan die oft versprochene europäische Perspektive ab