Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Ich hasse diese Gauner im Kreml"

Von Stefan Scholl, Moskau, 18. November 2017, 00:04 Uhr
"Ich hasse diese Gauner im Kreml"
Alexei Nawalny ist bei der Präsidentenwahl 2018 Putins schärfster Konkurrent. Bild: APA/AFP

Der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny spricht im OÖN-Interview über seinen Wahlkampf, seine Motivation und über den Faschismus in Russland.

"Russland ist etwas viel Größeres als Putin", sagt der Oppositionspolitiker Alexei Nawalny. Der Putin-Kritiker will nächstes Jahr bei der Präsidentenwahl kandidieren.

OÖN: Herr Nawalny, Sie wollen bei Präsidentschaftswahlen im März gegen Wladimir Putin antreten. Aber was tun Sie, wenn die Behörden ihre Ankündigung wahr machen, und sie erst gar nicht als Kandidaten zulassen. Wie sieht Ihr Plan B aus?

Alexei Nawalny: Wir haben keinen Plan B, wir haben nur einen Plan A. Wenn du in der russischen Politik mit einem Plan B kommst, heißt das, dass du bei erster Gelegenheit zurückweichen wirst. Ich gehe davon aus, dass ich vollkommen berechtigt bin, an diesen Wahlen teilzunehmen. Wenn man mich, den Hauptkonkurrenten, nicht zu den Wahlen zulassen, dann sind das keine Wahlen mehr, wir werden sie boykottieren und alle zum Boykott aufrufen. Und ich bin sicher, viele werden auf uns hören.

So oder so gilt ein Wahlsieg Putins als sicher? Seine Umfrageergebnisse liegen bei 86%.

Diese 86% zeugen nur vom Fehlen jeder politischen Konkurrenz. In der Sowjetunion hatte die Kommunistische Partei eine Unterstützung von 99 Prozent. In autoritären Systemen sind alle statistischen Dienste völlig bedeutungslos. Vor den Bürgermeisterwahlen in Moskau 2013 prognostizierten sie mir auch nur 1 Prozent, am Ende holte ich fast 30 Prozent, und das praktisch ohne Geld.

Sie machen seit Monaten Wahlkampf, legen jedes Wochenende tausende Kilometer zurück, um in zwei oder drei Provinzstädten aufzutreten, Ihre Kundgebungen werden verboten, Sie festgenommen, man wirft ihnen Chemikalien ins Gesicht. Wofür tun Sie sich das an? Was ist ihr Ziel?

Diese Frage höre ich oft. Weil wohl alle vermuten, hinter meiner Tätigkeit verberge sich ein geheimer, Sinn. Aber die Antwort ist sehr einfach: Ich glaube schlicht an das, was ich tue. Und ich werde dabei von den Leuten unterstützt. Ich habe die Stiftung gegen Korruption gegründet, eine nichtkommerzielle Organisation, die unabhängig vom Staat ist. Die Leute finanzieren sie, ihnen gefällt, was ich tue, mir gefällt es auch.

Wie stehen Sie ihren monatelangen Marathon auf Kundgebungsplätzen und Polizeiwachen, in Fliegern und S-Bahnen durch. Haben Sie einen Zaubertrank?

Nein, ich nehme weder mythische noch nicht mythische Aufputschmittel. Jetzt fahren wir nach Smolensk, eine eher kleine Stadt, 300.000 Einwohner. In Smolensk wird seit 20 Jahren keine Politik gemacht. Ich weiß nicht, ob die Kundgebung groß sein wird oder klein, aber ich bin sicher, die Leute, die kommen, stehen hinter mir. Sie haben keine Zukunftsperspektive, haben nie etwas mit Politik zu tun gehabt. Aber es sind lebendige Menschen, solche Leute warten in Smolensk genauso auf mich wie im ostsibirischen Kemerowo. Keiner sonst hat solche Anhänger. Sie geben mir einen Energieschub und das Gefühl, dass ich morgen wieder losfahren muss.

Das klingt, als wären Sie ein politisches Perpetuum mobile: Sie holen sich auf der Straße, vor den Leuten, die Energie, um wieder rauszugehen, zu den Leuten.

Mich befriedigt, was ich tue, ich spüre, dass die Menschen hinter mir stehen. Sie freuen sich, wenn ich komme, 170.000 Volontäre haben sich bei uns eingeschrieben. Wovon kann ein Politiker noch träumen, besonders in Russland mit seiner sonderbaren Politik, wo meine Partei nicht registriert wird, und ich bisher erst einmal an Wahlen teilnehmen durfte. (Er lacht).

Und außerhalb dieses Systems, gibt es noch andere Ruhepunkte? Gehen Sie zur Kirche?

Religion ist wichtig für mich, ich bin ein gläubiger Mensch, im Gegensatz zu den meisten Mitarbeitern meines Stabes, die lachen über mich und meinen Glauben. Aber ich bin nicht so religiös, dass ich lange Gespräche mit Geistlichen führen muss, wie Wladimir Putin mit Bischof Tichon. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch, ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie, gehe gern ins Kino, ich lese gern.

Keine Zeit für Sport?

Im Moment nicht. Vor dem Wahlkampf, als ich mehr Zeit hatte, bin ich ein bisschen gejoggt.

Kein nächtliches Skilaufen im Park, keine Yoga?

Nein, (lacht), keine exotischen Sachen. Lieber esse ich mit meiner Familie zu Abend.

Ihr Biograph Konstantin Woronkow zitiert Sie mit der politisch wenig korrekten Äußerung, der Hass auf Putins Gefolge gehöre zu Ihren Hauptmotivationen.

Das ist richtig. Ich hasse die Gauner im Kreml wirklich. Und die korrupte Familie des Generalstaatsanwaltes Juri Tschaika hasse ich so stark, dass ich meine Zeit damit verbringe, an die Schweizer Staatsanwaltschaft zu schreiben. Und dann ich hasse ich die Schweizer Staatsanwaltschaft, weil sie nichts unternimmt.(Lächelt).

Ihre Kritiker behaupten, das US-State Departement oder die russischen Alfa-Gruppe würde Ihren Wahlkampf bezahlen. Wer finanziert ihren Kampagne? Und mit wieviel Geld?

Bisher haben 40.000 Menschen insgesamt über 200 Millionen Rubel (2,8 Millionen Rubel) gespendet. Das ist keine große Summe, aber mehr, als alle anderen unabhängigen Kandidaten gesammelt haben.

Sie sammeln über das Internetbezahlsystem yandex.dengi?

Nein, yandex.dengi hat uns schon vor dem Beginn unserer Kampagne die Nutzung seines Systems verweigert. Wir bekommen unser Geld über Kreditkarten oder durch andere völlig gewöhnliche Zahlunsgsmittel.

Über geheime Kanäle kann man Ihnen kein Geld überweisen?

Nein. Außer den Mitteln, die wir für den Wahlkampf in Form von Bitcoin sammeln. Wenn jemand Bitcoin bezahlt, kann er das verheimlichen. Aber das ist nur ein kleiner Teil, 90% der Wahlkampfspenden sind nicht anonym. Das gleiche gilt für die Spenden an die Stiftung. Das ist eine wichtige Sache. Wenn uns jemand 500 Rubel (7 Euro) spendet, weiß er, dass der Geheimdienst FSB es auch weiß.

In der Opposition wird diskutiert, ob Putins Autoritarismus schon in Faschismus übergeht.

Das ist eine Übertreibung. Zweifelsohne ist Russland ein sehr autoritärer Staat, der das Rechtssystem und die Massenmedien völlig unter seine Kontrolle gebracht hat. Aber Russland ist nicht faschistisch, wir erleben ja keine Massenhinrichtungen.

Viele Oppositionelle werfen ihnen vor, Sie seien selbst zu rechts. Berüchtigt ist vor allem der Videoclip, indem Sie demonstrieren, wie man Insekten mit einer Fliegenklatsche erledigt und einen islamischen Banditen mit einer Pistole.

Das war ein Clip über Waffen. Ich gehöre wirklich zu den Politikern in Russland, die dafür sind, dass in unserem Land der Besitz von Faustfeuerwaffen erlaubt wird. Das Video sieht etwas naiv aus für das Jahr 2017. Aber im Grunde stehe ich hinter allem, was ich in dem Video tue.

Es gibt auch Befürchtungen, Sie wollten als Präsident noch mehr Macht anhäufen als Putin.

Die meisten Russen wollen keinen Zar, sondern ein normales europäisches Land. Die Vollmachten des Präsidenten müssen sehr stark eingeschränkt werden, das ist der Hauptpunkt meines politischen Programms. Wenn soviel Macht auf einem Schreibtisch konzentriert ist, führt das unausweichlich dazu, dass der Mann dahinter anfängt, sie zu missbrauchen. Außerdem ist das Land riesig, das kann ein Mann allein nicht kommandieren, ihm fehlt einfach die Zeit, um vernünftig zu regieren.

Wenn Russlands Nationalmannschaft spielt, fühlen Sie als Regimekritiker oder als Patriot?

Natürlich ärgern mich Sportler, die Putin unterstützen, wie etwa der Hockeyspieler Alexander Owetschkin und sein „Putin-Team“. Aber ich gehöre bestimmt nicht zu den Leuten, die ihren Hass gegen Putins System auf jeden Auftritt unserer Sportler oder Künstler übertragen. Russland und sein Volk sind etwas viel Größeres als Putin. Es ist ja gerade der Kreml, der die Parole verkündet: „Ohne Putin kein Russland.“ Ich bin keineswegs dieser Ansicht, deshalb zittere ich mit unseren Sportlern mit.

 

Putins schärfster Gegner

Kritiker: Der 40-jährige Alexei Nawalny ist der gefährlichste Kritiker Putins. Mit seinem unermüdlichen Kampf gegen die Korruption mobilisiert er die Unzufriedenen in Russland. Im März will er bei der Präsidentenwahl antreten.

Wahl: Bereits bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen 2013 holte er mit einem Straßenwahlkampf, den die staatlichen Medien totschwiegen, überraschend fast 30 Prozent.

Haftstrafen: Für seine Kritik an Kreml-Chef Putin musste sich Nawalny schon mehrmals vor Gericht verantworten und wurde wiederholt zu Geld- und Haftstrafen verurteilt. Zuletzt saß er im Oktober für 20 Tage in Haft.

mehr aus Außenpolitik

Frankreich: Keine Diskriminierung wegen der Frisur

Lukaschenko konterkariert Putins Aussagen über die Terroristen

Russisches Propaganda-Netzwerk

Ex-US-Senator Lieberman gestorben

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
penunce (9.674 Kommentare)
am 18.11.2017 10:19

"Der 40-jährige Alexei Nawalny ist der gefährlichste Kritiker Putins",

was wünscht sich dieser Nawalny, etwa eine ami-freundliche Regierung welche den ami´s alles verschachert (wie unter Jelzin!) was wertvoll ist und in der Erde noch schlummert?

Putin ist EU-freundlich eingestellt und benötigt die europäische Technik zum heben der Bodenschätze und Europa braucht auch Putins Russland als Kunden!

Putin darf den Nawalny ruhig ignorieren, das russische Volk weiß genau was es an Putin hat!

Nichts desto Trotz werden die Polen einen Milliarden schwerer Deal mit den ami´s demnächst vereinbaren, die ami´s verkaufen Patriot-Raketen-Komplexe an Polen und diese werden in Richtung Russland aufgestellt!

Hat noch niemand erkannt mit welchem Geld das alles bezahlt wird, hat noch immer niemand geschnallt wer dafür mit seinem Besitz und Geld über Generationen hinweg, haftet?

"Ohne Putin kein Russland", das ist der einzige Satz dem ich derzeit zustimmen kann...

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen