Erdogan polemisiert gegen Österreich und Deutschland

Von nachrichten.at/apa   20.April 2017

Erdogan führt sein überdurchschnittliches Abschneiden unter Türken in Ländern wie Deutschland auch auf die Auftrittsverbote für seine Minister dort zurück. "Seht, was passiert ist", sagte er nach Angaben von Anadolu dem Sender Al-Jazeera. "Mit Zwang und Gewalt kannst Du den Willen nicht unterdrücken." Erdogan verwies auf die Ergebnisse unter anderem in Deutschland, den Niederlanden und Österreich, wo bei dem Referendum 63, 71 beziehungsweise 73 Prozent für das von Erdoganangestrebte Präsidialsystem gestimmt hatten.

Erdogan sagte, diese Staaten hätten sich ein anderes Ergebnis gewünscht. "Dass in Deutschland die Ja-Stimmen so hoch ausgefallen sind, hat sie wahnsinnig gemacht. Dasselbe hat sich auch in Österreich und Holland zugetragen." Erdogan kritisierte: "Sie haben gemeinsam mit ihren Abgeordneten persönlich Nein-Kampagnen geführt. Dass man das, was sie getan haben, als faschistische Repression oder Nationalsozialismus bezeichnet, stört sie sehr."

"Keine Anfechtung möglich"

Die türkische Regierung hält weitere Bemühungen der Opposition zur Annullierung des umstrittenen Verfassungsreferendums für aussichtslos. "Unsere Verfassung besagt eindeutig, dass Entscheidungen der Wahlkommission endgültig sind und dass es keine Stelle gibt, bei der diese Entscheidungen angefochten werden können", sagte Justizminister Bekir Bozdag am Donnerstag laut staatlicher Agentur Anadolu.

"Selbst wenn eine solche Beschwerde eingelegt würde, hätte das Verfassungsgericht keine andere Möglichkeit, als sie zurückzuweisen", so Bozdag. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems nach dem vorläufigen Ergebnis mit 51,4 Prozent knapp gewonnen.

Am Wahltag waren zahlreiche Manipulationsvorwürfe erhoben worden. Im Zentrum der Kritik stand die Entscheidung der Wahlkommission, auch nicht von ihr gestempelte Stimmzettel als gültig zu werten. Auch die OSZE-Wahlbeobachter sahen darin "einen Verstoß gegen türkisches Recht". Die Opposition sprach von Wahlbetrug.

Der Europarat sieht im Streit um eine Annullierung des Referendums derzeit keine Handhabe. "Keine internationale Institution hat die Möglichkeit, in irgendeinem Land ein Referendum für nichtig zu erklären", sagte Generalsekretär Thorbjörn Jagland in Straßburg. Denkbar sei eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Entscheidung der türkischen Wahlkommission, das Referendum trotz Manipulationsvorwürfen nicht zu annullieren. Bisher gebe es allerdings keine Rechtsprechung zu Volksabstimmungen.

Regierungskritiker unter Druck

Regierungskritiker gerieten indes weiter unter Druck. Die "Juni Bewegung", die unter anderem Proteste gegen den Ausgang des Referendums organisiert, teilte auf Twitter mit, drei ihrer Aktivisten seien im westtürkischen Edirne festgenommen worden.

Die Polizei durchsuchte zudem das Büro eines oppositionellen Online-Mediums und nahm dessen Chefredakteur Ali Ergin Demirhan fest. Demirhan werde unter anderem vorgeworfen, das Ergebnis des Referendums nicht anzuerkennen, teilte die von linken Aktivisten betriebene Seite sendika.org mit. Weitere Vorwürfe seien Volksverhetzung sowie der Aufruf über Soziale Medien zum Protest. Bei der Durchsuchung des Büros von sendika.org in Istanbul habe die Polizei Demirhans Computer und Handy beschlagnahmt.

Die Website war am Donnerstag von der Türkei aus nicht mehr erreichbar. Nach Angaben eines freien Mitarbeiters von sendika.org sperren die Behörden die Seite immer wieder, die dann in der Regel unter einer neuen Adresse wieder online geht.

Treffen mit Trump angekündigt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Besuch bei seinem US-Kollegen Donald Trump in Washington für Mitte Mai angekündigt. Er werde direkt nach einem Besuch in China am 15. Mai zu Gesprächen in die USA fliegen, sagte Erdogan in einem Interview mit dem türkischen Auslandssender A-News am Donnerstagabend. Es ist Erdogans erster Washington-Besuch seit Trumps Amtsantritt im Jänner.

Erdogan sagte, bei dem Gespräch werde es um die Kooperation in Syrien sowie die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehen, den Ankara für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich macht. "Dieser Terroristenführer lebt in einem Land, das ein strategischer Verbündeter ist", sagte Erdogan. Er zeigte sich aber überzeugt, dass Trump sich in dem Fall anders als sein Vorgänger verhalten werde.

Sein Vorgänger Barack Obama hatte im Fall Gülen auf die Unabhängigkeit der US-Justiz verwiesen, die über das türkische Auslieferungsgesuch entscheiden muss. Wegen des Streits um Gülen sowie Obamas Kritik am harten Vorgehen der türkische Regierung gegen ihre Gegner hatte sich das Verhältnis Erdogans zu Obama zuletzt stark verschlechtert. Erdogan hofft nun auf einen Neustart der Beziehungen mit Trump.

Die Türkei wolle in Syrien mit den USA gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zusammenarbeiten, sagte Erdogan. Er drang erneut auf eine Kooperation bei der Rückeroberung der IS-Hochburg Raqqa. Die USA setzten bisher aber auf eine Kooperation mit der kurdischen YPG-Miliz, die die Türkei als syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet.