EU beschließt Notbremse bei Visa-Freiheit
BRÜSSEL. Als im türkischen Parlament die Immunität von rund einem Viertel der Abgeordneten aufgehoben wurde, berieten die EU-Innenminister in Brüssel gerade über die Visafreiheit für die Türkei.
Die Entwicklung würde den Rat "mit Sorge erfüllen", kommentierte der Deutsche Thomas De Maiziere (CDU) die Vorfälle. "Es wirft mindestens einen Schatten auf die Beziehungen." Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka bezeichnete es als "inakzeptabel, Abgeordneten die Immunität zu rauben und sie gerichtlich zu verfolgen".
Eine unmittelbare Auswirkung auf die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei hat das Votum aber nicht. Alle EU-Länder sind ohnehin einig, dass die Visafreiheit erst nach der Erfüllung sämtlicher Kriterien gewährt wird. Eines davon ist gerade die Änderung jener Terrorgesetze, auf deren Grundlage Oppositionelle und Journalisten verfolgt werden. Österreich hat aber noch weitere Bedenken. Sobotka äußerte die Befürchtung, dass es zu "verstärkten Fluchtbewegungen" aus der Türkei kommen könnte, wenn die Regierung weiter gegen Kurden vorgeht. Da es in Österreich eine "starke kurdische Community" gebe, könnten viele Kurden hierher flüchten.
Dem Missbrauch der Visafreiheit will die EU generell vorbeugen, der Rat hat eine entsprechende Klausel beschlossen. Demnach soll die Visafreiheit für sechs Monate ausgesetzt werden, wenn es zu einem Anstieg von illegalen Aufenthalten oder Asylanträgen aus einem Land kommt. Dieser Mechanismus wird für alle Länder gelten, mit denen die EU Visa-Abkommen hat. Derzeit laufen Verhandlungen mit vier Ländern. Neben der Türkei sind das Georgien, Ukraine und Kosovo. Die Entscheidung über die Visafreiheit soll im Juni fallen. (pack)