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Die Schein-Wende von Caracas

Von nachrichten.at/apa, 02. April 2017, 16:46 Uhr
Venezuela
Die Außenministerin will morgen Austritt einleiten. Bild: Reuters

CARACAS. Bange Tage im ölreichsten Land der Welt. Das Parlament entmachtet, Risse im Lager der Sozialisten - der Präsident ordnet eine scheinbare Rolle rückwärts an.

Der Überlebenskampf der "Revolutionäre des 21. Jahrhunderts" in Caracas könnte blutig werden, befürchten viele.
Nicolas Maduro hält in diesen Tagen gerne das blaue Büchlein mit der Verfassung Venezuelas in die Höhe; er inszeniert sich als der Hüter derselben. "Die Kontroverse, die es zwischen den Gewalten gab, ist erfolgreich überwunden", sagt er am Wochenende nach aufregenden Tagen: Parlament vom Obersten Gericht entmachtet, Sturm der Entrüstung im Ausland, tiefe Risse im eigenen Sozialistenlager, "Staatsstreich"-Vorwürfe der Opposition. Rücknahme der Entmachtung.

Also alles wieder in Ordnung, Demokratie statt Diktatur? Aus Sicht des Parlamentspräsidenten Julio Borges sollten sich die Menschen nicht blenden lassen. "Es geht nicht um die Rücknahme eines Absatzes. Das Urteil war nur der Höhepunkt eines Staatsstreichs, der seit Monaten und Jahren in Venezuela im Gange ist", ruft Borges bei einer Demonstration in Caracas, die mit Polizeigewalt klein gehalten wird. Denn an der Aufhebung der Gewaltenteilung ändere das fast nichts.

Ein Stein im Schuh

Tatsächlich hat das Parlament seit Monaten ohnehin wenig zu melden - für Maduro ist es seit dem 2/3-Sieg der Opposition bei der Wahl 2015 ein Stein im Schuh - der demokratische Sieg, das Plebiszit gegen die Sozialisten führte zur Zunahme autoritärer Tendenzen. Er hat 2016 den Ausnahmezustand verhängen lassen, den Haushalt 2017 ließ er sich vom Gerichtshof statt vom Parlament genehmigen.

Ein Referendum zu seiner Abwahl wurde von Gerichten gestoppt. Schlägertrupps verbreiten mit Schlagketten auf Motorrädern Schrecken bei Demos, Journalisten werden drangsaliert. Der einflussreichste Oppositionsführer Leopoldo Lopez verbüßt eine fast 14-jährige Haftstrafe, weil es bei Protesten 2014 über 40 Tote gab - er hatte zu den Demonstrationen aufgerufen.

Der Machtapparat ist schwer zu durchschauen, keiner weiß etwa, ob das Militär Maduro weiter stützt, er ist bis 2018 gewählt. Auch die Opposition hat bisher keine Persönlichkeit, die einen Aufstand der Straße organisieren könnte. Sie wittert aber Morgenluft. Die Bürger sorgen sich, dass der Machtkampf nun blutig endet. Die letzten Tage zeigten - das ist neu - öffentlich einen Konflikt im Regierungslager.

Rückblick, Mittwoch 29. März:

Mit Urteil 156 verkündet der Oberste Gerichtshof, dass dem von der Opposition dominierten Parlament alle Entscheidungsrechte entzogen werden - alle Macht geht auf Maduro über. Borges meint: Jetzt herrsche auch offen eine Diktatur, das sei ein "Staatsstreich". Seit Februar ist Maikel Moreno Präsident des Obersten Gerichtshofs, ein vehementer Verteidiger des von Hugo Chavez 1999 begründeten Sozialismus des 21. Jahrhunderts. 1987 wurde Moreno laut Berichten angeklagt, als Mitglied der politischen Geheimpolizei eine Frau getötet zu haben, dafür saß er kurzzeitig im Gefängnis.

30./31. März:

Protestnoten aus der ganzen Welt gehen in Caracas ein. Aber wer Maduro wirklich in Bedrängnis bringt, ist eine Frau aus dem eigenen Lager. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz prangert das Urteil als "Verfassungsbruch" an. Ein tiefer Riss offenbart sich. "Als oberste Repräsentantin des Ministerio Publico, im Namen von 10.000 Mitarbeitern und fast 3.000 Staatsanwälten, die in unabhängiger Weise ihre Aufgaben erfüllen, rufe ich zum Nachdenken auf, damit der demokratische Weg gewählt wird, dass die Verfassung respektiert wird". Der Auftritt wird in sozialen Netzwerken gefeiert. Maduro sieht einen Konflikt der Gewalten und beruft den Sicherheitsrat ein.

1. April:

Nach drei Stunden nächtlicher Sitzung die Kehrtwende: Der Sicherheitsrat legt fest, dass der Oberste Gerichtshof das Urteil Nr. 156 und das Urteil Nr. 155, das die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten verfügt hatte, überprüft. Jeder kann sich ein eigenes Urteil der Unabhängigkeit dieses Gerichtshofs machen - früher griff das Militär ein, hier ist die Justiz offensichtlich Helfer eines schwer unter Druck geratenen Regimes. Nur wenige Stunden nach der Revisionsaufforderung kommen schon die Urteile 157 und 158, die 155 und 156 annullieren. Moreno erklärt, keine Befugnisse des Parlaments seien mehr annulliert oder entzogen. Eine heftige Rolle rückwärts.

Die Lage ist angespannt, weil die Krise sich täglich verschlimmert. Maduro macht einen "Wirtschaftskrieg" vor allem der USA und den niedrigen Ölpreis für das Elend verantwortlich. Trotz der größten Ölreserven sind die Regale in Supermärkten und Apotheken leer, in Krankenhäusern sterben Kinder, weil Sauerstoffflaschen fehlen. Selbst dem einzigen Elefanten im Zoo von Caracas droht der Hungertod.

Der Druck von allen Seiten wird größer. Wenn die Lage nicht vorher explodiert oder offen eine Diktatur errichtet wird, droht Chavez' Erben spätestens bei der Präsidentenwahl 2018 ein Debakel.

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3  Kommentare
3  Kommentare
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mitreden (28.669 Kommentare)
am 02.04.2017 19:45

Maduro ist der Dümmste unter allen Staatsoberhäuptern....und korrupt sowieso.

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( Kommentare)
am 02.04.2017 18:23

Maduro ist es noch nicht gelungen, die Demokratie auszuheben. Auch wenn er scheinheilig das Blaue Buch in die Höhe hält. Er möchte eine Veränderung der Macht zu seinen Gunsten bewirken. Das oberste Gericht hat die Abgeordneten entmachtet mit der der Begründung der Partei, dass es Wahlbetrug gab. Dieses Urteil wurde jedoch Stunden später wieder aufgehoben.

Ob es Maduro gelingt, die Macht an sich zu reissen, hängt jetzt nur vom Ausland und vom Militär ab.

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Istehwurst (13.376 Kommentare)
am 02.04.2017 16:57

Schade um dieses schöne Land ... warum wissen Politiker nie wann Schluß ist ?

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