Burkini, Burka und Niquab
Der Bikini ist heuer 70 Jahre alt. Niemanden regt er mehr auf, in Europa zumindest. In Saudi-Arabien hingegen würde man damit im Gefängnis landen.
In Cannes wurde der Bikini seinerzeit gesellschaftsfähig gemacht. Mit Brigitte Bardot auf dem Filmfestival von 1953. Heute wird in Cannes nicht mehr der Bikini bestraft, sondern der Burkini. Mit 42 Euro. Eine Vollverschleierung auf französischen Straßen kostet 150 Euro. Bei uns hagelt es Kritik an derartigen Verbotsforderungen. Weil es nur eine winzige Minderheit betreffen würde. Weil ein Burkaverbot diese Frauen vollends aus der Öffentlichkeit drängen würde. Weil man den Geschäften in Wiens Goldener Meile ein bisschen Geschäft vermiesen würde. Weil die Forderung von der ÖVP kommt und die Mehrzahl der Feministinnen links ist. Weil auch Klosterschwestern Kopftuch trügen. Tun Klosterschwestern das tatsächlich freiwillig? Wie viele von ihnen wurden früher einfach ins Kloster gesteckt? Durch mehr oder weniger versteckten psychischen Druck. Natürlich nicht alle. Während man Weltpriester und Ordensmänner heute kaum mehr in Habit oder Talar auf den Straßen sieht, ist das bei Klosterschwestern anders. Die Geistlichen haben sich längst verweltlicht. Die Klosterfrauen haben das noch nicht geschafft.
Der Mensch schafft die Kleidung, wird aber auch durch sie gestaltet. Der gesellschaftliche Mensch ist ein verkleideter Mensch und passt sich in dieser Verkleidung an die Ordnung an. Kleidung symbolisiert Macht. Sie konstituiert aber auch Macht. Kleidung ist immer auch ein öffentliches und politisches Statement. Nackt, ohne Kleidung oder nur im Hemd, barhäuptig, barfüßig, oder von Kopf bis Fuß verhüllt und versteckt kann in vielerlei Hinsicht Zeichen sein: für rituelle Handlungen, als Ausdruck einer verkehrten Welt und Provokation dieser Welt, als Demonstration der Erniedrigung und Buße oder als Zeichen von Macht und Annäherung an das Göttliche und seine Allmacht.
Kopftücher sind genauso wie die Gewänder von Nonnen und Bischöfen oder die Uniform der Heilsarmee oder der Hut der orthodoxen Juden und die zionistische Kippa nicht nur religiöse Symbole, sondern auch kulturelle, politische oder nationale Statements. Solange sie nicht mit den in Europa erkämpften Grundsätzen von Freiheit und Selbstbestimmung in Konflikt kommen oder für die Unterdrückung der Frau, den Kampf der Kulturen oder friedensfeindliche Zielsetzungen missbraucht werden, ist dagegen nichts zu sagen. Aber Burkini, Burka und Niquab als dezidiert emanzipationsfeindliche Statements erfüllen diese Forderungen nicht.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
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